Der Fraktionsvorsitzende unserer Fraktion, AXEL VOGEL, gehört zu den Unterzeichnenden eines Offenen Briefs an Umweltministerin Anita Tack und Landwirtschaftsminister Jörg Vogelsänger. Die VerfasserInnen äußern darin ihre Besorgnis über die Genehmigung für die geplante Schweinemastanlage im brandenburgischen Haßleben.
Sehr geehrte FrauMinisterin, sehr geehrter Herr Minister,
wir haben mit großer Sorge die Medienberichte vernommen, wonach Sie kurz davor stehen, der geplanten Schweinemastanlage im brandenburgischen Haßleben eine Genehmigung zu erteilen. Wir können kaum glauben, dass Sie sich entschlossen haben, in diesem Verfahren, das seit fast 10 Jahren läuft und in dem die Öffentlichkeit zuletzt 2005 beteiligt wurde, jetzt eine Hau-Ruck-Entscheidung ohne erneutes Beteiligungsverfahren zu treffen.
Seit 2004 der erste Antrag für eine Anlage mit 87.000 Mastplätzen gestellt wurde, wurden nicht nur die Antragsunterlagen zweimal verändert. Es wurden auch zahlreiche neue Fachgutachten zu den Umweltauswirkungen vorgelegt. Abgesehen von diesen anlagenspezifischen Untersuchungen gab es in den letzen Jahren zahlreiche Studien zu den Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen von Mastanlagen allgemein. Darin mehren sich die Hinweise auf gesundheitliche Beeinträchtigungen im Umfeld von Mastanlagen durch Keimbelastung und Bioaersole. Auch sind in 2012 die Ammoniakemissionen in Deutschland erneut stark gestiegen, internationale Verpflichtungen werden nicht erfüllt. Mehrere Länder haben deshalb die Genehmigung von Stallneubauten an strenge Auflagen zur Luftreinhaltung geknüpft. Eine Genehmigungserteilung zum jetzigen Zeitpunkt würde daher ohne angemessene Öffentlichkeitsbeteiligung erfolgen und aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse missachten.
Nicht nur die Fragen um die menschliche Gesundheit und Belastung der Ökosysteme bleiben ungeklärt. Nach unseren Informationen sind auch zahlreiche Tierschutzfragen bei der geplanten Mastanlage weiterhin ungelöst. Am drängendsten steht die Frage im Raum, wie im Falle eines Brandes eine Evakuierung der Tiere gewährleistet werden kann. Auch aus Gründen der Tierseuchenprävention erscheint uns die inzwischen auf immer noch gigantische 37.000 Schweine angepasste Tierplatzzahl problematisch.
Ökonomisch stellt die geplante Anlage in Haßleben eine weitere Bedrohung für die bäuerlichen Familienbetriebe in ganz Deutschland dar. Aufgrund der unter den CSU-Agrarministern seit 2005 verfolgten Fleisch-Export-Strategie wurden in Deutschland tausende Mastplätze neu zugebaut. Parallel dazu ist die Zahl der Arbeitsplätze jedoch kontinuierlich zurückgegangen. Auch durch die Anlage in Haßleben werden andernorts mehr Arbeitsplätze verloren gehen, als hier geschaffen werden.
Deutschland hat bei Schweinefleisch heute schon einen Selbstversorgungsgrad von 120 erreicht, die weitere Steigerung der Produktion übersteigt längst den inländischen Bedarf. Da auch der Auslandsabsatz schleppend verläuft, sind die Folgen dieser Überkapazitäten Preisverfall und immer größerer Kostendruck auf die Erzeuger. Die geplante Anlage in Haßleben wäre in der gegenwärtigen Situation ein völlig falsches Signal an die mittelständischen Betriebe, deren Bemühungen um eine regional angepasste und flächengebundene Tierproduktion von einer breiten gesellschaftlichen Zustimmung unterstützt werden.
Wir wehren uns dagegen, mit „leichten“ Genehmigungsverfahren Deutschland gegenüber ausländischen Investoren weiter als „Mastfabrik Europas“ zu positionieren. Denn in die deutsche Strategie der Billigschnitzel für den Export sind die ökologischen Kosten einer auf gentechnisch veränderten Exportfuttermitteln basierenden, von regionalen Strukturen völlig entkoppelten Agrarindustrie nicht eingepreist. Andere Staaten wie die Niederlande, aus denen der Investor van Gennip stammt, gehen längst den umgekehrten Weg und passen die Tierzahlen auch mit staatlichen Programmen an das ökologisch und sozial vertretbare Maß an.
Sehr geehrte FrauMinisterin, sehr geehrter Herr Minister,
Haßleben ist nicht nur ein kleiner Ort in der schönen Uckermark, in der die ersten positiven Effekte der auf nachhaltigen Tourismus ausgerichteten Regionalentwicklung spürbar werden. Haßleben ist daneben leider auch zum Synonym für die gigantischen Dimensionen einer ausufernden industriellen Agrarproduktion geworden, gegen die sich die Menschen in ganz Deutschland - auf dem Land und in der Stadt - zunehmend zur Wehr setzen. Sie haben es in der Hand, die Öffentlichkeit nach 8 Jahren erneut zu beteiligen und aktuelle Stellungnahmen zu den geänderten Unterlagen zuzulassen.
Machen Sie von ihrem Recht Gebrauch und setzen Sie nicht neue Maßstäbe, was die Missachtung der Belange der Bevölkerung, des Tierschutzes, des Naturschutzes und anderer Ziele der ländlichen Entwicklung anbelangt!
Bärbel Höhn MdB
Friedrich Ostendorff MdB
Cornelia Behm MdB
für die Grüne Bundestagsfraktion
Axel Vogel, MdL
Annalena Baerbock, Landesvorsitzende
Benjamin Raschke, Landesvorsitzender
für Bündnis 90/Die Grünen Brandenburg