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Rainer Speer muss vor dem Untersuchungsausschuss aussagen

Am 18. Dezember 2012 muss der ehemalige Innen- und Finanzminister Rainer Speer vor dem Untersuchungsausschuss aussagen. Es geht um den undurchsichtigen Verkauf eines 110-Hektar-Areals in Potsdam-Krampnitz durch die Brandenburgische Bodengesellschaft und um die Privatisierung dieser Bodengesellschaft.

Viele der an diesen Prozessen Beteiligten kennen sich gut durch ihre Mitgliedschaft im Sportverein Babelsberg 03 und durch gemeinsame politische Vergangenheit. „Dieses Geschäft unter Sportsfreunden ist reichlich dubios,“ sagt Axel Vogel.

2010 hat Hans-Martin Tillack vom „stern“ ein Gespräch mit Rainer Speer geführt, was die Misstände aufgezeigt hat, die jetzt vom Untersuchungsausschuss aufgearbeitet werden:

Geschäft unter Sportsfreunden

„Potsdam ist eine kleine Stadt und der örtliche SV Babelsberg 03 nur dritte Liga. Für manche wichtige brandenburgische Landespolitiker ist der Fußballclub trotzdem erste Wahl. Landesinnenminister Rainer Speer persönlich amtiert hier als Vereinsvorsitzender - und das will was heißen. Denn der 51-jährige SPD-Mann gilt als engster Berater und sogar Kronprinz von Ministerpräsident Matthias Platzeck. Mit ihm im Vereinsvorstand sitzen zwei weitere in Brandenburg einflussreiche Strippenzieher: Der Unternehmer Frank Marczinek und der Berater Thilo Steinbach. So wie auch Speer waren sie an einem Grundstücksgeschäft beteiligt, das dem Minister nun peinliche Nachfragen der Opposition bescheren könnte.

110 Hektar in Potsdam-Krampnitz

Die Geschichte begann, als Speer noch Finanzminister unter Platzeck war. Unter seiner Verantwortung verkaufte das Ministerium vor vier Jahren die bis dahin landeseigene Brandenburgische Boden Gesellschaft (BBG) an eine Firma des Babelsberger Vereinskameraden Marczinek - im Rahmen eines beschleunigten Verhandlungsverfahrens, was einer freihändigen Vergabe ähnelt. Das Votum zugunsten der Marczinek-Firma habe aber eine Kommission ohne Beteiligung des Ministers vorgeschlagen, versichert das Ministerium. Die nun privatisierte BBG verkauft seitdem ihrerseits im Landesauftrag ehemalige Militärareale aus Staatsbesitz an private Investoren.

Jetzt tauchen bei einem dieser Deals Fragen auf, ob alles mit rechten Dingen zu ging. Es war am 17.Juli 2007, als Marczineks BBG mit Speers Segen ein über 110 Hektar großes ehemaliges Kasernenareal in Potsdam-Krampnitz zu einem erstaunlich niedrig erscheinenden Preis verkaufte. Unter den Nazis war hier die zentrale Kavallerieschule der Reichswehr, dann war das Areal Sowjetstandort, nach der Wende Filmkulisse für Weltkrieg-II-Epen wie "Enemy at the Gates".

Offizielle und faktische Käufer

Der Minister stellte das Geschäft im November 2007 gegenüber dem Landtag so dar: Die Käufer seien Dänen, nämlich die Kopenhagener Thylander-Gruppe, die in ihrem Heimatland auf "eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit verweisen" könne.

Faktisch waren die Käufer vier im britischen Birmingham registrierte Gesellschaften, und die gehörten der Hannoveraner TG Potsdam Projektentwicklungsgesellschaft. Kontrolliert wurde die wiederum - so zeigen es die Akten des Handelsregisters - von dem Anwalt Ingolf Böx, einem Kanzleisozius des brandenburgischen SPD-Bundestagsabgeordneten und langjährigen Sportpolitikers Peter Danckert. Danckert versichert, er sei "in keiner Weise" an dem Vorgang beteiligt gewesen.

Welche Rolle die Thylander-Gruppe wirklich spielte, ist nicht klar. Sie reagierte nicht auf Anfragen von stern.de, genauso wenig wie Anwalt Böx. Sicher ist aber, dass Speers Sportskamerad Thilo Steinbach im Zusammenhang mit dem Areal auftauchte. Dessen Freundschaft mit Speer ist nach den Worten des Ministers "kein Geheimnis". Von beiden gibt es Fotos beim Angeln, kernig mit nacktem Oberkörper. Steinbach kümmerte sich um ein Entwicklungskonzept für das Areal.

Eine Frage der Bebauung

Böx hatte der BBG die Errichtung eines "Country Club Krampnitz" versprochen, inklusive Hotel, Golfplatz und Reitanlage. Davon ist bisher nichts zu sehen. Aber der Anwalt machte offenkundig dennoch ein gutes Geschäft. An die BBG musste er ausweislich der Kaufverträge nur gut vier Millionen Euro zahlen. Tatsächlich schätzte ein vereidigter Berliner Gutachter gegenüber Thylander den "angemessenen Kaufpreis" des Areals am 6. August 2007 auf etwa 25 Millionen - unter der Voraussetzung, dass die Fläche bebaut werden könne. Genau unter dieser Prämisse hatte Böx das Areal von der BBG erworben. Die BBG sicherte ihm ausdrücklich ein Rücktrittsrecht zu - für den Fall, dass "der Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan nicht den von ihm bekannt gegebenen Inhalt hat".

Und schon am 26. Juli 2007 - neun Tage nach Abschluss der Kaufverträge - erfuhr Berater Steinbach von der zuständigen Potsdamer Baudezernentin Elke von Kuick-Frenz (SPD) Erfreuliches: Die Stadt habe "durchaus ein Interesse" an einer Bebauung des Kasernenareals. So hielt es der Wertgutachter am 6.August 2007 fest.

"Wir bleiben auch lange"

"Der Kaufpreis liegt über dem Verkehrswert der Liegenschaft", hatte Speer trotzdem im Oktober 2007 dem Haushaltsausschuss des Landtages in einem internen Schreiben versichert. Bei der Ermittlung dieses Verkehrswerts von nur 3,2 Millionen hatte er freilich 6,4 Millionen Euro abziehen lassen, wegen Kosten für den Abriss von Altbauten sowie die Sanierung belasteter Böden. Das Finanzministerium spricht heute von einem Abzug von 4,3 Millionen für Abrisskosten, der durch ein Gutachten begründet gewesen sei.

Böx und Co hatten sich als seriöse Geschäftsleute präsentiert. Sie wollten nicht das schnelle Geld, sondern eine langfristige Investition. "Da wo wir reingehen, bleiben wir auch lange", versicherte Böx-Mitarbeiter Rolf Haferkamp im Juli 2008 öffentlich.

Genau deshalb, so versicherte Speer seinerzeit im Haushaltsausschuss des Landtages, habe man dieser Gruppe ja den Zuschlag gegeben - nicht einer anderen Gruppe, die sogar einen etwas höheren Kaufpreis geboten hatte. Doch bei denen, so der Minister laut Protokoll, hing "die Finanzierung nach wie vor wieder an Dritten", die dann aber "auch wieder nicht benannt worden seien".

Ein erster Deal - zum vierfachen Preis

Tatsächlich aber wandte sich auch Speers Favorit Böx rasch an Dritte. Schon im Juli 2008, ein Jahr nach dem Kauf, ließ seine Gruppe das Gesamtareal per Exposé zu einem "Mindestkaufpreis" von 25 Millionen anderen Käufern anbieten. Am 30. September 2008 reichten die Böx-Firmen zwei Teilflächen, die sie für knapp 1,6 Millionen erworben hatten, zum Preis von 7,8 Millionen an den Berliner Immobilienentwickler Detlef Maruhn weiter. Also für mehr als das Vierfache.

Wegen der Finanzkrise habe er ein Jahr später allerdings wieder von dem Geschäft zurücktreten müssen, sagte Maruhn auf Anfrage zu stern.de. Böx und Co genießen offenkundig das besondere Wohlwollen der BBG. Eigentlich könnte - wie das Finanzministerium 2007 dem Landtag versicherte - bei einem Weiterverkauf "bis zu 50 Prozent des Mehrerlöses" vom Land abgeschöpft werden. Doch in einem Schreiben vom 23. September 2008, verzichtete die BBG großzügig auf diese Möglichkeit. Sollten die "Verkäufe nach oder im Zuge der zugesagten Investitionen erfolgen und wie von Ihnen beschrieben, zur Erreichung der Zweckbestimmung dienen", so versicherte BBG-Manager Harald Holland-Nell dem Anwalt Böx auf dessen Anfrage, "wird für die Anwendung dieser speziellen Mehrerlösklausel kein Raum gegeben sein".

Staunen im Finanzministerium

Die BBG ließ Fragen von stern.de unbeantwortet und verwies stattdessen auf das Finanzministerium, das inzwischen von dem Linken-Politiker Helmuth Markov geführt wird. Das Ministerium wiederum versichert, ihm sei gar "nicht bekannt", dass ein Weiterverkauf stattgefunden habe. Der könne wegen Sicherungsrechten des Landes Brandenburg auch "rechtswirksam nicht vorgenommen worden sein". Also weiß das Ministerium nicht, was die BBG weiß, die doch im Auftrag des Landes agiert?

Auch das Gutachten über einen Grundstückswert von 25 Millionen ist dem Finanzministerium nach Auskunft eines Sprechers "nicht bekannt". Es würde auch, versichert die Behörde, "im krassen Gegensatz zu den Feststellungen und Ableitungen" eines eigenen Gutachtens stehen. Der Vorwurf, man habe unter Wert verkauft, sei "unbegründet".

Das Unkraut wächst

Speer, zur Zeit im Urlaub, ließ detaillierte Fragen von stern.de größtenteils unbeantwortet. Die Thylander-Gruppe sei ihm "bekannt". Er selbst habe aber "zum vorgesehenen Verkauf des Kasernengeländes keinerlei eigene Präferenzen oder Wünsche geäußert oder vorgegeben".

Die Opposition im Potsdamer Landtag stört nun den Frieden. "Das Ganze sieht nach Vetternwirtschaft mit Insiderwissen aus", argwöhnt die FDP-Vizevorsitzende Marion Vogdt. "Es scheint so, als seien Millionen am Landeshaushalt vorbei geschoben worden, die Brandenburg dringend gebraucht hätte." Vogdt findet das Geschäft sogar so dubios, dass es womöglich "einen Untersuchungsausschuss zwingend erforderlich macht".

Auf dem Kasernengelände wiederum hat sich bis heute, drei Jahre nach dem Geschäft zwischen BBG und Böx, nichts getan. Das ist kein Wunder. Der mit der BBG geschlossene Vertrag lässt ihm dafür Zeit bis Ende des Jahres 2023. Derweil wächst das Unkraut. Anfragen eines anderen Interessenten lehnte die Grundstücksgesellschaft ab.“

Dieser Artikel erschien unter dem Titel „Geschäft unter Sportsfreunden“ auf stern.de am 25.08.2010.