Die Oma kommt nicht mehr zu ihrem Arzttermin. BerufspendlerInnen sind mangels Alternative zum Autofahren gezwungen. Vielerorts verkehrt nur noch der Schulbus. Oder die letzte Bahn um Sechs. Und aus einer fünfminütigen Zugverspätung werden schnell zwei Stunden Wartezeit, weil der Anschluss weg ist. Unser verkehrspolitischer Sprecher Michael Jungclaus hat alle diese Geschichten gehört – oder selbst erlebt. Als „Bahnhofversteher“ ist er nun schon seit einem Jahr im Land unterwegs, um die eine oder andere Weiche auf Grün umzustellen.
Seine ersten Touren führten den 51-jährigen bündnisgrünen Abgeordneten zu den meisten der 60 Stationen, die die Landesregierung als nachfrageschwach einstuft und deshalb von der Schließung bedroht sind. Überall waren GemeindevertreterInnen und EinwohnerInnen vor Ort und argumentierten, warum der Halt bleiben oder welche Alternative, z. B. eine (Ruf)Buslinie, her muss. Dabei gerieten auch die Bahnhofsgebäude selbst nach und nach ins Visier, von denen viele eine drohende Schließung bereits optisch vorwegnahmen. „Es gibt u. a. in Lübbenau oder Wiesenburg aber tolle Beispiele, wie historische Bahnhofsbauten mit Cafés, Touristinfos oder Läden wieder zu neuem Leben erwachen. Unser grüner Vorschlag für ein Förderprogramm zur Nachnutzung alter Bahnhofsgebäude bekam viel Zustimmung“ , freut sich Michael Jungclaus.
Derweil geht Jungclaus über Grenzen: Dass in sechs Jahren jeder Bahnhof in Deutschland barrierefrei sein muss – so die gesetzliche Vorschrift – wird die Stationsschließungsneigung der Bahn wohl eher befeuern. Sachsen-Anhalt hat kreative barrierefreie Lösungen und ein Bahnhofsanierungsprogramm revita entwickelt. Lässt sich da noch etwas für Brandenburg lernen? Beide Länder stehen – wie der gesamte Osten – auch vor einem anderen Riesenproblem. Nach einem unter dem Vorsitz von Ministerpräsident Woidke ausgehandelten Bund-Länder-Kompromiss müssen sie mit Milliardeneinbußen bei den „Regionalisierungsmitteln“ des Bundes für den Schienenpersonenverkehr rechnen. Das versteht nun wirklich keiner mehr. Michael Jungclaus empfahl Dietmar Woidke und Verkehrsministerin Schneider, künftig Landesmittel in die Hand zu nehmen und sich auch vom Mantra zu verabschieden, dass es bei ÖPNVInvestitionen im Speckgürtel automatisch zu Kürzungen in Brandenburgs Peripherien kommt.