Zum Inhalt springen

Entschließungsantrag Wider das Vergessen: Gedenk-, Bildungs- und Erinnerungsarbeit in Brandenburg 75 Jahre nach dem Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus und dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa

Antrag „Entschließungsantrag Wider das Vergessen: Gedenk-, Bildungs- und Erinnerungsarbeit in Brandenburg 75 Jahre nach dem Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus und dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa“ herunterladen (PDF, 214 KB)

Der Landtag möge beschließen:

1. Anlässlich des 75. Jahrestages des Kriegsendes am 8. Mai 1945 gedenkt der Landtag der Opfer von Krieg und Gewalt, von Terrorherrschaft und Verfolgung, von Flucht und Vertreibung und des unermesslichen Leidens, das der nationalsozialistische Eroberungs- und Vernichtungskrieg über die Völker Europas und schließlich auch über uns Deutsche brachte.

2. Der Landtag gedenkt anlässlich des 8. Mai der Millionen Opfern des Holocausts. Der Landtag gedenkt der Entrechteten, Gequälten und Ermordeten; der europäischen Juden, der Sinti und Roma, der Zeugen Jehovas, der verschleppten Slawen, der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, der Homosexuellen, der politischen Ge-fangenen, der Kranken und Behinderten, all derer, die die nationalsozialistische Ideologie zu Feinden erklärt und verfolgt hat.

3. Der Landtag würdigt alle Menschen, die in ganz Europa, in Deutschland und in Brandenburg unter Einsatz ihres Lebens dem nationalsozialistischen Regime auf unterschiedlichste Weise, im Kleinen wie im Großen, Widerstand geleistet und die Gewaltherrschaft bekämpft haben.

4. Der Landtag bekräftigt seinen Willen, die Erinnerung und das Gedenken zu pflegen und die aktive Auseinandersetzung mit der Geschichte zu fördern. Insbesondere angesichts des absehbaren Verlustes von Zeitzeugen bekennt sich der Landtag dazu, die Erinnerungskultur in Brandenburg zu fördern und zu stärken.

5. Der Landtag appelliert an alle Bürgerinnen und Bürger Brandenburgs, sich denjenigen entgegenzustellen, die die nationalsozialistische Gewaltherrschaft und deren Verbrechen an der Menschlichkeit umzudeuten, zu relativieren oder zu verharmlosen versuchen.

Begründung:

„In der deutschen Geschichte gibt es keine tiefere Zäsur“, schrieb der Historiker Heinrich August Winkler im Jahr 2015 anlässlich der Gedenkstunde des Deutschen Bundestages über den 8. Mai 1945. Er markiert das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa und den Zusammenbruch und Untergang des nationalsozialistischen Regimes. Über 65 Millionen Menschen starben in dem von Deutschland entfesselten Krieg. Mehr als sechs Millionen europäische Jüdinnen und Juden, Tausende Sinti und Roma, Menschen mit Behinderungen, politisch Andersdenkende und Homosexuelle wurden entrechtet, verfolgt und ermordet. Millionen Menschen sind verschollen, mussten flüchten, wurden vertrieben. Europa lag in Trümmern, war zu einem Kontinent der Massengräber und der Todeslager geworden. Städte waren dem Erdboden gleich. Die Folgen der nationalsozialistischen Diktatur, die am 8. Mai 1945 ein Ende fand, wirken bis heute nach.

Als der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker 40 Jahre nach Kriegsende den 8. Mai als „Tag der Befreiung“ bezeichnete und ausführte alle seien „vom menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“ befreit worden, war das nicht als Entlastung oder als Analogie zum Befreiungsnarrativ in der DDR zu verstehen. Vielmehr bekannte von Weizsäcker sich zu den Brüchen der deutschen Geschichte und wandte sich gegen jene, die diese zu verdecken suchten. Damit einher ging auch ein Bekenntnis zur Kontinuität der deutschen Geschichte, das noch heute gilt und insbesondere in einer umfassenden Gedenk- und Bildungsarbeit an die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten und ihrer Folgen für unser Land, für Europa und für die ganze Welt sichtbar werden muss.

Seit 2015 ist der 8. Mai als Gedenktag in Brandenburg gesetzlich verankert. Auch daraus ergibt sich eine besondere Verantwortung für alle Institutionen des Landes, die Pflege der Erinnerung und die aktive Auseinandersetzung mit der Geschichte zu fördern. Dabei gilt das besondere Augenmerk der Würdigung des Leids der Opfer sowie den Lehren, die aus der Geschichte gezogen werden müssen und der Verpflichtung zur aktiven und wehrhaften Verteidigung unserer Grundwerte und unserer Demokratie.

Das Gedenken an den 8. Mai verpflichtet uns, unsere Geschichte weiter aufzuarbeiten, sich ihrer zu erinnern und dies durch Gedenk- und Bildungsarbeit zu begleiten. Dieses dunkle Kapitel deutscher Geschichte darf nicht in Vergessenheit geraten. Es ist und bleibt daher weiterhin die Aufgabe aller demokratischen Kräfte, sich Geschichtsrevisionisten und denjenigen, die nationalsozialistische Verbrechen zu relativeren oder zu verharmlosen versuchen, entschlossen entgegenzustellen.