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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, Sie haben uns im Vorfeld im Ausschuss aufgefordert - ich will fast sagen: angefleht -‚ dass wir Ihrem Kompromiss heute zustimmen. Das kann ich gut verstehen, schließlich sind wir, sind BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hier sozusagen der Maßstab in Sachen Tierschutz.
(Lachen bei den Fraktionen SPD, DIE LINKE, CDU und AfD)
Unsere Zustimmung wäre quasi der Ritterschlag für Sie. Nur, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, dafür hätten Sie wirklich mehr liefern müssen.
(Beifall B90/GRÜNE -Vogel [B90/GRÜNE]: Genau!)
Nicht nur, dass Sie erst einmal beweisen müssen, dass Sie es wirklich ernst meinen - ich sage nur: Volksbegehren Nachtflugverbot; da werden wir Grüne und da wird das Volksbegehren Ihnen schon auf die Finger schauen -‚ nein, auch für Ihren inhaltlichen Beitrag zu diesem Kompromiss kann es gar keinen Ritterschlag geben.
Hier gilt unser ganzer Dank ausschließlich den Vertretern des Volksbegehrens und allen, die es unterstützt und Ihnen mühsam Dinge wie den Tierschutzplan oder die Tierschutzbeauftragte abgerungen haben. Eigene Vorschläge kamen von Ihnen in dieser Debatte nicht. Die CDU-Fraktion hat da deutlich mehr geliefert, heute auch wieder - vielen Dank!
(Beifall B90/GRÜNE und CDU - Zurufe von der SPD: Ritterschlag!)
Was Sie stattdessen tun könnten, wenn Sie gern unsere Zustimmung hätten, kann ich Ihnen aus einer anderen Perspektive näherzubringen versuchen, und zwar aus der Sicht eines Nutztieres in Brandenburg. Nehmen wir einmal einen typischen Hahn in einer Legebatterie.
(Zuruf von der SPD: Einen Hahn?)
- Einen Hahn. Wir können den Hahn Hugo nennen, aber der hat natürlich keinen Namen, nicht einmal eine Nummer.
(Lachen bei der SPD, der Fraktion DIE LINKE, der CDU und der AfD - Zurufe: Hugo!)
Unser Hahn fällt nur deswegen auf, weil er eben nicht, wie alle anderen männlichen Küken, nach der Geburt automatisch geschreddert wurde. Er ist durch Zufall in dieser Anlage. Er hat Zeit und schaut sich um. Was er da sieht, kann diesem Hahn nicht gefallen. Er ist zwar der Hahn im Korb, unter Hundertlausenden Legehennen, aber ehrlich gesagt bringt das einen Hahn völlig durcheinander. Forscher sagen, Hühner würden Sozialstrukturen von etwa 100 bis 300 Tieren überblicken. In unseren Ställen gibt es solche kleine Gruppen aber nicht. Es gibt auch keine Obergrenze, obwohl der Bauernbund, DIE LINKE im Bundestag und sogar der SPD-Agrarminister unseres Nachbarlandes Mecklenburg-Vorpommern eine solche längst gefordert haben.
Aber nicht nur, dass es dem Hahn zu viele Hennen auf einmal sind, es sind auch reine Legehennen, an denen kaum etwas dran ist, die kaum Fleisch auf den Rippen haben. Zweinutzungshühner, die also Eier und Fleisch geben, sind in Brandenburg immer noch die Ausnahme. Nicht nur das, sondern diese Hennen sind auch alle noch verdammt jung. Sagen wir einmal, unser Hahn steht auf Hühner mit Erfahrung. Dann hätte er Pech, denn so eine Legehenne kann zwar 15 bis 20 Jahre alt werden, aber in der Regel ist in einer Legehennenanlage nach ungefähr 15 Monaten Schluss. Aber dann ist sie sowieso völlig ausgepowert, erschöpft von der immensen, künstlich gesteigerten Legeleistung.
Dass das nicht so sein muss, zeigen längst Betriebe, die bewiesen haben, dass glückliche Hühner länger leben und viel mehr Eier legen können. Das Kürzen von Schnäbeln ist Gott sei Dank bald vorbei, aber es ist schon beeindruckend, wie passgenau die Schnäbel auf die Trinkwasseranlage zugeschnitten sind. Insgesamt sind die Legehennen alle ziemlich angepasst: Der Stall gibt ihnen dank effizienzoptimierter Lichtsteuerung genau vor, wann sie aufstehen müssen, wann sie schlafen gehen dürfen, und sogar, wann und wo sie die Eier legen.
Herr Folgart, haben Sie eine Frage?
Präsidentin Stark: Das wollte ich gerade sagen: Es gibt eine Frage. Möchten Sie die beantworten?
Gerne.
Präsidentin Stark: Dann halte ich die Zeit an. - Bitte, Herr Folgart, Sie haben die Gelegenheit.
Folgart (SPD): Herr Raschke, ich bin schon etwas beeindruckt ob Ihrer Darstellung, wie Legehennenhaltung in Brandenburg betrieben wird. Sie machen es an dem Hahn Hugo fest.
(Heiterkeit bei der SPD)
Folgart (SPD): Ich bin etwas irritiert, weil wir am Freitag letzter Woche einen gemeinsamen Termin in der Uckermark hatten und eine konventionell betriebene Legehennenanlage mit 39.900 Legehennen gesehen haben. Wir waren beide der Auffassung, dass die Haltungsbedingungen in dem Stall hervorragend waren.
Präsidentin Stark: Herr Abgeordneter, Sie müssen jetzt eine Frage formulieren.
Folgart (SPD): Die Frage ist: Sehen Sie das genauso wie ich?
(Lachen bei der SPD und vereinzelt bei der Fraktion DIE LINKE)
Herr Folgart, vielen Dank für die Frage. Ich denke, wir haben beide die Hähne dort bewundert und waren ein bisschen neidisch.
(Oh! bei der SPD - Zuruf der Abgeordneten Johlige [DIE LINKE])
Zurück zum Hahn: Wenn wir uns den derzeitigen Stand ansehen, stellen wir fest, dass es in den meisten Fällen nicht so ist, wie Herr Folgart es gerade beschrieben hat. Wenn sich der Hahn den Stall ansieht, sieht er auch nicht viel mehr als den Stall. Herr Vogelsänger hat es letztens vorgetragen: 2015 waren über 80 % der Stallplätze in Brandenburg Bodenhaltung. Das heißt: kein Auslauf, keine Sonne, keine Wiese - außer vielleicht auf der Eierverpackung.
Zu guter Letzt - auch das haben wir gerade mit Herrn Folgart gesehen Wenn in einem Stall ein Kabel schmort und ein Feuer ausbricht, hat unser Hahn keine Chance. Das ist zwar in der Brandenburger Bauordnung vorgesehen, aber de facto ist Brandrettung in unseren Ställen kaum möglich. Das alles kann so ein Hahn natürlich nicht einklagen lassen; das Verbandsklagerecht hat die SPD ja mit Händen und Füßen abgewehrt.
Stellen Sie sich vor, in diesem Moment käme ein Tierhalter in den Stall, und zwar mit einer Gruppe Grüner, die gerade im Dialog sind: Dann könnten wir hören, dass der Landwirt sehr wohl mehr Tierwohl will, ihm aber der politische Rahmen fehlt. Der hat schon verstanden, dass sich in der Gesellschaft etwas verändert hat, wenn „Eberswalder Wurst“ jetzt vegetarische Produkte herstellt. Der erzählt, dass er die Schwei-ne nebenan, die er gerne artgerechter halten würde, nicht mehr vermarkten kann, weil die SPD den Handel wegen der Ramschpreise hier nicht in die Pflicht nimmt und sogar eine Fleischkennzeichnung abgelehnt hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Redezeit läuft ab. Deswegen können wir der Unterhaltung zwischen dem Landwirt und den Grünen nicht weiter lauschen. Ich denke aber, es ist klar geworden: Artgerechte, moderne Tierhaltung in Brandenburg geht anders.
Unser Dank an das Aktionsbündnis für seinen Beitrag, dass Brandenburg das Land der glücklichen Tiere, der zufriedenen Bauern und Verbraucher werden kann, ist groß. Wir werden diesen Weg weitergehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, vielleicht kommen Sie mit uns mit. Bisher haben Sie nichts dazu beigetragen.
Präsidentin Stark: Herr Abgeordneter, Sie müssten jetzt wirklich den letzten Satz formulieren.
Bisher haben Sie blockiert. Einen Ritterschlag dafür kann es von uns nicht geben.
(Beifall B90/GRÜNE)