- Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede,
Die Finanzämter dürften die einzige Verwaltung in Brandenburg sein, mit der fast jeder Brandenburger Bürger mindestens einmal im Jahr Kontakt hat. Sei es via Internet wenn unsere BürgerInnen ihre Steuererklärungen wie inzwischen in zwei Dritteln aller Steuerfälle per ELSTER absenden, sei es wenn sie gebührenfrei eine telefonische Auskunft einholen wollen, sei es wenn sie im Finanzamt bei einem der rund 3.200 FinanzbeamtInnen vorstellig werden oder wenn Sie am Ende den Einkommenssteuerbescheid in Händen halten.
Aber obwohl das Ansehen der Steuerbeamten nach dem Berufe-Ranking des DBB 2014 zwar völlig zu Unrecht um Größenordnungen hinter dem Ansehen von Feuerwehrleuten, Polizisten, Müllmännern und Lehrern (in dieser Reihenfolge) lag, sind sie dankenswerterweise immer noch deutlich angesehener als Politiker oder Versicherungsvertreter.
Steuern korrekt zu berechnen ist angesichts einer hochkomplexen Steuergesetzgebung, deren Berechnung übrigens auch in anderen Ländern nicht auf einen Bierdeckel passt, zunehmend Experten überlassen. Kein Wunder also, dass Steuerzahler vor der jährlichen Steuererklärung kapitulieren und sich Steuerberatern anvertrauen, die sich in ihrer Eigenwerbung als SteuerConflictCoach anpreisen und erfolgreiches Beziehungsmanagement mit dem Finanzamt anbieten können.
Teilweise völlig unnötig übrigens, denn auch Finanzämter geben Hilfestellung. Wer von Ihnen weiß beispielsweise, dass Finanzbeamte seit 2011 nach dem geänderten § 89 AO in einer Vielzahl von Fallkonstellationen gebührenfrei auch verbindliche Auskünfte in Steuersachen erteilen müssen und unverbindliche Auskünfte zudem generell gebührenfrei sind.
Allerdings und das ist ein Hoffnungsschimmer: Das Ansehen der Steuerbeamten ist über die Jahre deutlich gewachsen und das ist auch eine Grundvoraussetzung dafür, dass wir geeignete Anwärterinnen für freie Ausbildungsplätze und Nachbesetzung freier Stellen gewinnen können.
Denn Nachbesetzungen sind dringend nötig. So benötigen wir nach der Antwort auf die Frage 21 bis 2019 fast 400 Neueinstellungen, wenn wir den Stellenbestand in unseren Finanzämtern in etwa stabil halten wollen. Aber das ist nur die Spitze des Eisberges. Nach den Zahlen der Deutschen Steuergewerkschaft brauchen wir ab 2020 Jahr für Jahr mindestens 100 neue Mitarbeiterinnen allein um die planmäßigen Altersabgänge zu kompensieren, natürliche Fluktuation ist hierbei noch gar nicht berücksichtigt.
Dies erfordert entsprechende Anwärterstellen und Ausbildungskapazitäten, aber wie sieht es mit der Ausbildungsstelle in Königs Wusterhausen aus, in deren Stellenplan nur ungefähr die Hälfte der erforderlichen Dozentenstellen veranschlagt sind. Die Lehrtätigkeit ruht hier stark auf den Schultern von Mitarbeitern aus den Finanzämtern, die nach Königs Wusterhausen abgeordnet werden und damit für ihre eigentlichen Aufgaben nicht mehr zur Verfügung stehen.
Insofern ist die Lage der Brandenburger Finanzverwaltung schlechter als der reine Blick auf die Stellenplanentwicklung zeigt.
Ein junger Mensch, der die Finanzanwärterausbildung absolviert kommt heute in einen Kollegenkreis, dessen Durchschnittsalter von 45,13 Jahren bis (Brandenburg a.d.H.) bis 49,7 Jahren (Calau) streut, (insgesamt: 47,36 Jahre). Er trifft auf Kollegen, die im Durchschnitt 27,9 Tage krank sind, Spitzenreiter in Frankfurt (Oder) mit 43,6 Tagen, ohne das die Landesregierung Gründe für diese hohen Ausfallzahlen benennen kann. Seine Finanzamtschefin muss Ausfallzahlen jeglicher Art (Elternfreistellung, Abordnung nach KW, Krankheiten) irgendwie überbrücken ohne auf Ersatzkräfte zurückgreifen zu können. Da Finanzbeamte eine spezielle Ausbildung benötigen und zudem grundsätzlich verbeamtet sind, besteht anders als an Schulen oder in der freien Wirtschaft hier keine Möglichkeit befristet Ersatzpersonal einzustellen.
Es ist zu erwarten, dass der Arbeitsdruck gewaltig ist und die Arbeitsverdichtung trotz immer neuer IT-Anwendungen steigt. Dies zeigen auch die in der Antwort auf die GA dokumentierten angestiegenen Fallzahlen je BearbeiterIn. (Die zu Frage 15 benannte verbesserte Betreuungsquote je Einwohner führt in die Irre, da es ja auf die tatsächlichen Steuerfälle ankommt und die sind seit 2010 von 832.000 auf 880.000 angestiegen. Der Personalbestand kann damit nicht Schritt halten und folgerichtig kommt es zu Ausfällen bei den Prüfungen. So ist die Prüfquote bei den Betriebsprüfungsstellen in Brandenburg generell deutlich niedriger als im Bundesdurchschnitt (2,0% vs. 2,3%).
Die Beschäftigtenzahl in der Umsatzsteuersonderprüfung sank von 95 in 2010 auf 72 in 2015. Die einst vorbildliche Prüfquote sank dementsprechend ab und liegt nun nur noch leicht über dem Bundesschnitt.
Auf Belohnung für die leistungsgerechte Erfüllung gestiegenen Anforderungen können die Finanzbeamten nur unzureichend hoffen. So hatten lt. Frage 19 mit Stand 1.9. 2015 von den 3.209 Bediensteten nur 1.340 Beamte ein Amt entsprechend der Wertigkeit des ihnen zugewiesenen Dienstpostens übertragen bekommen.
In allgemein verständliches Deutsch übersetzt bedeutet dies, dass nur rund 42 Prozent, also weniger als die Hälfte amtsangemessen bezahlt werden. Stellenausbringung im Haushalt und Stellenbesetzung passen schon seit Jahren nicht mehr zusammen. Und mit der derzeitigen beförderungsrate wird dieser Zustand noch Jahre andauern.
Wenn aber die Beamten schon nicht entsprechend ihrer Tätigkeit eingestuft werden, stehen ihnen aber entsprechende Zulagen nach § 46 des Besoldungsgesetzes (Mehrarbeitsvergütung) zu, die nach Auskunft der DStG auch nur in Bruchteilen bewilligt werden. Hier sind derzeit zahlreiche Gerichtsverfahren anhängig.
So sollte Rot-Rot nicht mit seiner Landesverwaltung umgehen, und so darf auch Rot-Rot nicht länger mit unserer Steuerverwaltung umgehen, wenn wir morgen noch junge Menschen für die Ausbildung zum Finanzbeamten begeistern wollen.
Anrede!
Der Schlüssel zu mehr Steuergerechtigkeit ist eine leistungsfähige und moderne Steuerverwaltung, denn sie ist mit der Sicherung der Einnahmen des Staates betraut. Aus den Antworten auf die große Anfrage geht hervor, dass es da in Brandenburg noch erhebliches Potenzial zu entwickeln gibt.