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Heiner Klemp spricht zum Antrag "Kooperation mit Polen ausbauen"

-Es gilt das gesprochene Wort!

Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, liebe Zuhörende am Livestream,

was kann man als fünfter Redner in der Debatte noch an zusätzlichen Aspekten beitragen?

Am besten spricht man da von eigenen Erlebnissen, z.B. einer Reise. In dem Fall meine diesjährige Sommertour, die mich auch an verschiedene Orte in Polen geführt hat.

…unter anderem nach Poznań. Ich war dort mit dem Partnerschafts­beauftragten Brandenburgs für die Region Großpolen, Darius Müller, und seiner Mitarbeiterin Magdalena Antoniewicz verabredet und ich muss sagen, die haben dort ein umfassendes, tolles Programm organisiert.

Ich habe mich selten so mit offenen Armen empfangen gefühlt wie bei unserem Besuch in der Hauptstadt Großpolens. Das gilt vom Partnerschaftsbüro bis hinauf zum Stadt­präsidenten von Poznań und dem Landrat des Landkreises Gnesen. Ich hoffe sehr, dass wir das bei anstehenden Gegenbesuchen ähnlich engagiert hinbe­kommen.

Anhand der Präsentation verschiedenster zivilgesellschaftlicher Projekte konnte ich mich von der guten Vernetzung unseres Büros vor Ort überzeugen, das ja nur über bescheidene Ressourcen verfügt. Dass das Interesse an einer Zusammenarbeit mit Brandenburg und Deutschland sehr groß ist, war nicht nur in der Rede von Stadtpräsident Jaśkowiak zu spüren, sondern auch beim Treffen mit der Auslandshandelskammer, die in Poznań eine Vertretung unterhält. Hier wurde allerdings deutlich, dass der Fokus polnischer Geschäftsleute sich häufig über Brandenburg hinweg auf die alten Bundesländer richtet. Obwohl Polen bereits Brandenburgs Außenhandelspartner Nummer eins ist, wäre in der Ausarbeitung der Polen-Strategie zu prüfen, ob nicht z.B. das Betätigungsfeld des Partnerschaftsbüros auch auf wirtschaftliche Themenbereiche erweitert werden sollte.

Wenn wir die Zusammenarbeit mit Polen verbessern wollen, so brauchen wir neben der wirtschaftlichen Verflechtung auch mehr zivilgesellschaftliche Kontakte. Ich habe bei meinem Besuch da eine große Offenheit erfahren. Für Begegnungen und Gespräche auf Augenhöre brauchen wir auch mehr Polnisch auf der deutschen Seite. Deshalb wollen wir ein Mehrsprachigkeitskonzept entwickeln.

Wir setzen uns auch für einen Ausbau der Verkehrsinfrastruktur ein. Dies gilt sowohl für den Ausbau der Bahnstrecken, wie Berlin – Szczecin oder Berlin – Wroclaw, als auch für eine Intensivierung der länderübergreifenden Verkehre. Deshalb fordert unser Antrag hier auch den VBB auf, diese grenzüber­schreitenden Verkehre zu verbessern, insbesondere, wenn man an die Tages- oder Wochenpendler denkt, die zukünftig in der Tesla-Fabrik arbeiten werden.

Eine besondere Bedeutung für das deutsch-polnische Verhältnis haben die Doppelstädte entlang von Oder und Neiße. Welche Mauern haben die plötzlich ergriffenen Corona-Maßnahmen inmitten dieser Doppelstädte aufgerichtet? Wie unnatürlich war es, plötzlich nicht mehr von Frankfurt nach Słubice über die Brücke spazieren zu können? Welch ein Aufatmen ging durch die Region als es wieder möglich war?

Wenn ich an Słubice denke, denke ich aber auch an eine andere Begebenheit, die wir auf der Sommertour dort erlebt haben. Zwei Tage, bevor wir in Poznań so freundlich empfangen wurden. Freundlich empfangen wurden wir auch in Słubice. Wir trafen uns dort mit Lesben und Schwulen und Menschen aus der queeren Community.

Dort mussten wir erfahren, wie schwierig die Situation von LGBT-Personen in Polen ist. Wie eine Lehrerin Angst hat, dass ihre sexuelle Orientierung öffentlich wird, weil sie um ihren Job fürchtet. Wie Personen schon deshalb körperliche Gewalt erfahren haben. Wie die Diskriminierung von Minderheiten salonfähig geworden ist.

Nach dem Treffen unternahmen wir einen gemeinsamen „Rainbow Walk“. Mit einer Regenbogenfahne und –tüchern spazierten wir durch Słubice. Keine Demonstration, keine Agitation, nur Spazieren. Aber wir mussten erleben, wie – aus heiterem Himmel – eine Teilnehmerin des Spazierganges von einem vorbeifahrenden Radfahrer angespuckt wurde.

Als heterosexueller Mann fühle ich mich als Teil des Regenbogens. Ich fühlte mich genauso angespuckt.

Es geht hier nicht darum, zu verallgemeinern oder zu bevormunden. Aber wir können lernen, wie Rechtspopulismus eine Gesellschaft verändert. Nachdem die polnische PiS 2015 mit einer Kampagne gegen Geflüchtete die Macht errang, dient nun das Aufhetzen gegen LGBT dem Machterhalt. Man fragt sich, welche Minderheit ist die nächste?

Nein, wir wollen nicht mit dem Finger auf Andere zeigen. Aber wir dürfen von Anderen lernen. Schauen wir auf die deutsche Gesellschaft und verteidigen wir die Werte von Akzeptanz und Demokratie auch in Deutschland.

In unserer Beziehung zu unserem Nachbarland dürfen und müssen wir auch die europäischen Werte einfordern. Deshalb fordert auch der Antrag der Regierungsfraktionen, „auf die Achtung der Grundsätze einer liberalen und diskriminierungsfreien Gesellschaft hinzuwirken“.

Meine Damen und Herren, die Zusammenarbeit mit Polen zu verbessern, Freundschaft zu stiften und zu vertiefen, Augenhöhe zu wahren und Werte zu vertreten, das sind historische Aufgaben, zu denen wir einen Beitrag leisten wollen.

Ich bitte um Zustimmung zum Antrag der Koalition.

Vielen Dank!