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Rede im Landtag: Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes

Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!

Am 22. September starb die 30-jährige Izabela S. im Krankenhaus von Pszczyna in Polen, weil sich die Ärzte nicht trauten, ihren bereits im Sterben liegenden Fötus abzutreiben. Sie befürchteten strafrechtliche Konsequenzen aus dem restriktiven polnischen Abtreibungsrecht. Sie warteten, bis es zu spät war. Die Mutter starb an einer Blutvergiftung, ausgelöst durch den dann bereits toten Fötus. Sie hinterließ einen Mann und eine Tochter. Polnische Frauen melden sich in Frankfurt (Oder), in Schwedt, in Berlin. Sie brauchen Unterstützung von unseren Beratungsstellen und Ärztinnen und Ärzten.

In den USA hat Donald Trump den Supreme Court gezielt mit Abtreibungsgegnerinnen und ‑gegnern besetzt. So bleibt nun das strenge texanische Abtreibungsgesetz in Kraft, das selbst nach einer Vergewaltigung keine Abtreibung ermöglicht.

Ein striktes Abtreibungsverbot führt nie zu weniger Abtreibungen. Es führt zu Illegalität, zu Verletzungen, zu Todesfällen. Diese Probleme haben wir in Deutschland nicht. Ja, in der Tat, diese Probleme haben wir zum Glück nicht. Dennoch ist die Situation auch in Deutschland und in Brandenburg keineswegs unproblematisch.

Haben Sie schon einmal eine Straftat begangen? Diese Frage habe ich vor ein paar Monaten bei der Demonstration zum „Safe Abortion Day“ den Demonstrierenden hier vor dem Landtag gestellt. Denn jede Frau, die eine Abtreibung vornehmen lässt, begeht eine Straftat - und das betrifft im Laufe ihres Lebens ein Viertel aller Frauen. Sie wird nur nicht strafrechtlich verfolgt, wenn sie eine Pflichtberatung nachweist und die Abtreibung in einer bestimmten Frist stattfindet. § 218 kommt im Strafgesetzbuch gleich hinter Mord und Totschlag.

Statt um Strafverfolgung müsste es aber um Gesundheitsversorgung gehen, um soziale und finanzielle Fragen und letztlich um die Selbstbestimmung der Frau über ihren eigenen Körper und ihr eigenes Leben.

Ich bin froh, dass die Ampelkoalition § 219a, das sogenannte Werbeverbot, abschaffen wird, denn es ist in Wahrheit ein Informationsverbot. Wir brauchen niederschwellige Informationen darüber, wo mit welcher Methode Abbrüche vorgenommen werden und welche Sprachen die Ärztin oder der Arzt spricht. Eine Kommission soll sich zudem damit befassen, wie Abtreibung außerhalb des Strafgesetzbuches geregelt werden kann. Nach 150 Jahren müssen Schwangerschaftsabbrüche endlich entkriminalisiert werden!

Das Schwangerschaftskonfliktgesetz regelt jene bereits erwähnte Pflichtberatung und die dafür notwendigen Beratungsstellen. Grund für die Neuregelung ist ‑ wir haben es gehört ‑ eine Klage der Caritas. Die Caritas bietet die klassische Schwangerschaftskonfliktberatung allerdings gar nicht an, weil die katholische Kirche ihr untersagt hat, zu Abtreibungen zu beraten. Das Bundesverwaltungsgericht urteilte dennoch, dass diese Beratung staatlich gefördert werden müsse, auch wenn sie nicht zu allen Aspekten informiere. Das Urteil haben wir zu akzeptieren.

Im Land Brandenburg gilt es, Sorge dafür zu tragen, dass es genügend Stellen gibt, die zu Abbrüchen beraten und die Abbrüche vornehmen. Es werden immer weniger. Die Generation von Ärztinnen und Ärzten, die noch unter dem liberalen Abtreibungsrecht der DDR praktiziert haben, geht in den Ruhestand. Ärztinnen und Ärzte überlegen es sich sehr gut, ob sie Abtreibungen vornehmen und dies kommunizieren. Nicht selten werden sie angefeindet oder gar verklagt, und das nicht nur in katholisch geprägten Gegenden, wo Frauen inzwischen teils über hundert Kilometer fahren müssen und selbst in manchen Großstädten kein Angebot mehr finden.

Gerade im ländlichen Raum Brandenburgs ist die Erreichbarkeit wichtig. Daher finde ich es problematisch, dass acht Stunden als zumutbare Anfahrtszeit für die Beratung zugrunde gelegt werden. Dreieinhalb Stunden hin, dreieinhalb Stunden zurück für eine Stunde Beratung, das bedeutet einen Einzugskreis von ganz Brandenburg und die Notwendigkeit, einen Tag Urlaub zu nehmen - nicht leicht, wenn man auf den ÖPNV im ländlichen Raum angewiesen ist, ein kleines Kind hat und wegen der Frist die Zeit drängt. Auch die Auslastung von Beratungsstellen ist ein schwieriges Kriterium. Natürlich ist eine Beratungsstelle in Potsdam oder Cottbus stärker frequentiert als eine in der Uckermark oder der Prignitz.

Diese Kriterien, die sich aus Bundesregelungen ableiten, müssen so bald wie möglich auf den Prüfstand. Denn das Strafgesetzbuch ermöglicht eine legale Abtreibung nur in einem kurzen Zeitfenster, und eine Schwangerschaft wird nicht immer sofort festgestellt.

Ich bin froh, dass das Thema auf Bundesebene nun angepackt wird und wir hoffentlich bald bessere gesetzliche Rahmenbedingungen vorfinden, um auch in Brandenburg die Versorgung der betroffenen Frauen zu erleichtern.

Weiterführende Informationen

Rede zu: Gesetzentwurf "Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Gesetzes zur Ausführung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes" (TOP 7 der 59. Plenarsitzung)