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- Es gilt das gesprochene Wort! -
Herr Präsident,
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Es ist verständlich dass eine Landesregierung sich kurz vor Wahlen für ihre Erfolge feiern lassen will. Das sei auch rot-rot gegönnt. Es wäre aber gut, wenn wenigstens ein Quäntchen eigener Leistung hinter den angepriesenen Erfolgen stecken würde. Ein solcher Nachweis ist speziell in der Wirtschaftspolitik kaum zu führen, weil die Unternehmen sich bekanntermaßen selten an Vorgaben aus dem Wirtschaftsministerium halten. Entscheidender sind die konjunkturelle Rahmenbedingungen, die Entwicklung der Finanzmärkte und die bundesrechtliche Ausgestaltung von Steuern und Abschreibungen oder bundesweite Fördermechanismen wie das EEG.
Für Ostdeutschland ist vom IWH zudem inzwischen empirisch belegt, dass unterschiedliche Regierungen mit unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Maximen und Förderpolitiken keinerlei signifikante Unterschiede in der wirtschaftlichen Entwicklung hervorgebracht haben. Egal ob rot-rot, schwarz-gelb oder schwarz-rot regiert, alle ostdeutschen Bundesländer bewegen sich weitestgehend im Gleichklang.
Aber nicht nur deswegen ist die vorgebrachte Lobpreisung etwas verwegen. Rot-Rot hebt darauf ab, dass das Wirtschaftswachstum in Brandenburg 2013 über dem Bundesdurchschnitt lag, genauer gesagt mit 0,7 % um 0,3 Prozentpunkte über dem Schnitt aller Länder. Bravo?
Aber was sagt uns das, nachdem Brandenburg 2011 mit 0,4 % BIP-Wachstum um 2,9 Prozentpunkte hinter dem Bundesdurchschnitt von 3,3% lag? Sollten wir diesen Kurs fortsetzen würden wir in 9 Jahre den 2011 entstanden Rückstand ausbügeln können.
Aber es geht noch weiter:
Das Pro-Kopf-Einkommen in Brandenburg liegt auch 2013 noch immer bei nur rund 71 Prozent des gesamtdeutschen Wertes und ist damit seit 2009 unverändert. Die Arbeitsproduktivität erreichte im letzten Jahr immerhin rund 78 Prozent des gesamtdeutschen Wertes nach 77% im Jahr 2009.
Mit einer vollständigen „Angleichung der Lebensverhältnisse“ wäre bei Fortsetzung des bisherigen Anpassungskurses wohl frühestens in 100 Jahren zu rechnen. Da erinnern die Lobeshymnen auf die eigene Wirtschaftspolitik doch ein wenig an das intellektuell stark fordernde Konzept eines "Überholen ohne Einzuholen".
Wir meinen: Selbstbeweihräucherung hilft nicht weiter sondern ist allenfalls geeignet den Blick auf die Strukturen und eigentlichen Probleme zu verstellen.
Brandenburg ist kein Industrieland im klassischen Sinne. Im Kopf der Zuhörer bei diesem Begriff Aufkommende Bilder von Raffinerien, Stahlwerken und Chemiewerken täuschen über die reale Wirtschaftsstruktur Brandenburgs hinweg.
Brandenburgs Wirtschaft ist zum überwiegenden Teil klein- und mittelständisch geprägt. Dazu gehören 99% der Betriebe welche zumeist auch mit ortsansässigen Investoren, Geschäftsführern etc. ausgestattet sind, die in der Region fest verwurzelt sind. Mit einem Anteil von 78% stellen kleine und mittlere Unternehmen den weitaus größten Teil der betrieblichen Arbeitsplätze im Land. Diese Unternehmen bilden also unsere Basis im produzierenden Gewerbe.
Eine moderne, international wettbewerbsfähige (kleine) Industrie ist in der Lage hier in Brandenburg gute Arbeitsplätze und Wohlstand zu sichern. Aber trotz ununterbrochener SPD-Regierung ist die industrielle Basis in Brandenburg immer noch äußerst dünn und fragil.
Große Industriebetriebe sind hierzulande immer Töchter oder Filialbetriebe multinationaler Konzerne, kein DAX oder MDAX Konzern hat seinen Sitz in Brandenburg. Trotz der Zuwachsraten beim Außenhandel in den letzten Jahren ist der Exportanteil am Brandenburger BIP 2012 nur gut halb so hoch, wie der westdeutsche Wert. Auch der Abstand zur Arbeitslosenquote in Westdeutschland betrug 2013, also knapp 25 Jahre nach der Wiedervereinigung, immer noch fast 4 Prozentpunkte (9,9 versus 6,0). Ja, die Zahl der Erwerbstätigen ist auch im letzten Jahr wieder gestiegen, um ganze 0,4 Prozent. Auch dieser Anstieg ist aber seit Jahren geringer als derjenige der alten Bundesländer.
An diesen Kennzahlen sieht man sehr deutlich, dass sich in dieser Legislaturperiode in Brandenburg wirtschaftspolitisch so gut wie nichts bewegt hat. Eine Angleichung an westdeutsche Verhältnisse liegt in weiter Ferne und ist auf diesem Weg nicht zu erreichen. Es reicht nicht, sich damit zu trösten, dass die Lage etwas besser geworden ist.
Die Wirtschaftspolitik im Land Brandenburg hat bislang also so gut wie keine Wirkung gezeigt. Das Land folgt in seiner wirtschaftspolitischen Entwicklung lediglich dem Bundestrend. Dort wo besondere Akzente gesetzt werden sollten, wie das Stärken-stärken-Konzept ist man entweder gescheitert oder stockt die Entwicklung.
Die 2005 als große Innovation der regionalen Wirtschaftsförderung eingeführten Regionalen Wachstumskerne erweisen sich als weitgehend wirkungslos. Eine aktuelle Untersuchung des Progress-Instituts für Wirtschaftsforschung kommt zu dem Ergebnis, dass die Beschäftigungsentwicklung der 15 RWK´s im Zeitraum 2005-2013 schlechter gewesen ist als der Landesdurchschnitt. Ähnlich der Tabellenanhang des neuesten RWK-Berichts der Landesregierung, der konzedieren muss, dass die Entwicklung im berlinnahen Raum alle Kennziffern überlagert, und ich füge hinzu: damit verfälscht.
Oder die von uns Grünen mit unterstützte Clusterstrategie: Die Etablierung der fünf länderübergreifenden Cluster sowie der vier brandenburgspezifischen Cluster mit ihren jeweiligen Clustermanagementstrukturen sei im Wesentlichen abgeschlossen, heißt es im neuen Mittelstandsbericht.
Die weitere Entwicklung der Cluster solle auf der Grundlage von Masterplänen erfolgen. Von den 9 Clustern haben aber erst 3 einen solchen Plan. Die Clusterstrategie wurde schon 2010 initiiert! Hier gibt es viel guten Willen aber nur eine halbherzige Umsetzung.
Die Landesregierung bietet für den Mittelstand einen breiten Strauß an Unterstützungen an. Mittelstandspolitik versteht sie dabei als Katalysator, Impulsgeber, Ansprechpartner und nicht zuletzt als Dienstleister für kleine und mittlere Unternehmen. So steht es jedenfalls im Mittelstandsbericht der Landesregierung. Schöne Worte aber warum hat sich an den Realitäten im Land dann seit Jahren nichts verändert?
Ein schönes Beispiel, welches das Dilemma der Brandenburger Wirtschaftspolitik verdeutlicht, ist der Frühphasenfonds. Er sollte eigentlich die Finanzierungsmöglichkeiten kleiner, innovativer Unternehmen im Land verbessern. Insgesamt verfügt dieser Fonds über 20 Mio. EUR. Ein halbwegs ernst zu nehmendes Technologie- oder Internet-start-up braucht für die allererste Finanzierungsrunde mindestens 5 Mio. EUR. Der hier aufgelegte Fonds ist also eine nette Geste, mehr nicht.
Anrede
Die Exportquote der Brandenburger Wirtschaft ist ja bekanntlich eine der niedrigsten in Deutschland. Internationale Wettbewerbsfähigkeit wird im Zuge zunehmender Globalisierung aber immer wichtiger. Das betrifft nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Gesellschaft als Ganzes. Wir konkurrieren ja inzwischen nicht nur um die zur Neige gehenden Rohstoffe, sondern auch um junge Talente und um Kapital, welches - ob man das mag oder nicht - zunehmend schneller rund um den Globus vagabundiert und dort, wo es geeignete Rahmenbedingungen findet, Arbeitsplätze und Wohlstand schafft. Beim Wettbewerb um junge Talente könnte Brandenburg eigentlich hervorragend da stehen.
Eine einzigartige Natur, stabile politische Verhältnisse sowie eine hervorragend mit kulturellen und sozialen Einrichtungen ausgestattete Infrastruktur, bietet die Hauptstadtregion beste Voraussetzungen um die klügsten Köpfe der ganzen Welt anzulocken. Bisher profitiert Brandenburg davon jedoch noch viel zu wenig. Einer Online-Umfrage aus dem letzten Jahr zufolge, planen knapp 80 Prozent aller Studenten in Brandenburg ihren Berufseinstieg außerhalb des Landes. Im Bundesvergleich ist die Mark damit traurige Spitze.
Probleme ihre Absolventen zu halten haben zwar auch andere Bundesländer, doch in keinem anderen sei der sogenannte Brain Drain, also die Abwanderung von Intelligenz, so hoch wie in Brandenburg.
Auch beim Thema Kapital rangiert unsere Region bundesweit auf einem der letzten Plätze. Baden-Württemberg ist für ausländische Investoren 2012 der beliebteste Standort in Deutschland. Das geht aus einer Studie der Beratungsgesellschaft Ernst&Young aus dem Jahre 2013 hervor. Auch wenn Brandenburg derzeit deutlich aufholt, liegt es in dieser Studie immer noch deutlich hinter Sachsen und Sachen-Anhalt. Investitionsentscheidungen internationaler Konzerne werden aufgrund firmeninterner Vergleichszahlen getroffen, da kann der Brandenburger Ableger auch mal ganz schnell hinten runter fallen (siehe Campina, Grohe oder Wiesenhof).
Bei Großkonzernen wie Mittal in Eisenhüttenstadt, Daimler in Ludwigsfelde, BASF oder Bosch kann dies ganz schnell und ohne landespolitische Möglichkeiten zur Gegenwehr zu massiven Arbeitsplatzverlusten führen. Ziel der Brandenburger Wirtschaftspolitik muss es daher sein, eine breit aufgestellte nach Produktion und Größe diversifizierte Unternehmenslandschaft zu sichern.
Anrede
Kurzum, die Wirtschaft in Brandenburg steht nach wie vor vor großen Herausforderungen, die Landesregierung hat in dieser Legislaturperiode gekämpft wie ein Löwe aber kaum etwas erreicht. Wirklich Schlagzeilen haben wieder nur die Negativbeispiele wie HBS oder Odersun gemacht. Die verheerenden Auswirkungen der Dauerbaustelle BER auf die Wirtschaft und den Ruf der ganzen Region brauche ich hier ja wohl nicht noch extra zu betonen.
Der Einsatz der Landesregierung für Großkonzerne wie Vattenfall und die Braunkohle sind ebenso rückwärtsgewandt wie das Festhalten an einer eher zurückhaltenden Einwanderungspolitik. Die wirtschaftspolitische Bilanz der Rot-roten Landesregierung kann also allenfalls als „nicht wirklich hinderlich“ beschrieben werden. Neue Ideen, innovative Projekte oder zukunftsweisende Entwicklungen waren jedenfalls nicht dabei.
Es geht hier nicht darum, ob Brandenburg ein modernes Industrieland bleibt, sondern darum, dass es jetzt die Chancen nutzt, als europäische Metropolenregion attraktive Rahmenbedingungen für Innovationen, junge Talente und Investitionskapital zu schaffen um den globalen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte gewachsen zu sein. Hierbei hat die Landesregierung jedoch leider versagt.
Neue Ideen, innovative Projekte oder zukunftsweisende Entwicklungen waren jedenfalls nicht dabei. Es geht hier nicht darum, ob Brandenburg ein modernes Industrieland bleibt, sondern darum, dass es jetzt die Chancen nutz, als europäische Metropolenregion attraktive Rahmenbedingungen für Innovationen, junge Talente und Investitionskapital zu schaffen um den globalen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte gewachsen zu sein. Hierbei hat die Landesregierung jedoch leider versagt.