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Axel Vogel spricht zum „Tätigkeitsbericht des Sonderausschusses BER“

- Es gilt das gesprochene Wort! -


Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste,

das Versagen bei der Verwirklichung des „größten Infrastrukturvorhabens Ostdeutschlands“ ist kein Wirken anonymer Mächte, es hat Namen und diese müssen auch benannt werden. Und da nenne ich jetzt nicht an erster Stelle den Technischen Zeichner di Mauro. Das Flughafenprojekt BER wurde unter Federführung der Herren Wowereit, Platzeck und Prof. Schwarz mit vollem Karacho gegen die Wand gefahren und uns Parlamentariern fällt es zu, die Aufräumarbeiten zu begleiten.

Die Einsetzung des Sonderausschusses BER im Januar 2013 hatte das Ziel, die Diskussion über das Flughafenprojekt zu bündeln und zugleich den Landtag und damit verbunden auch die Öffentlichkeit transparenter und besser über die Problemlagen am BER zu informieren. Vor Einsetzung des SBER erfolgte diese Information durch den Ministerpräsidenten Matthias Platzeck im Hauptausschuss des Landtages.

Wer sich noch erinnert, der weiß, dass der Ministerpräsident sowohl im Hauptausschuss als auch in den ersten Sitzungen des neuen SBER fast immer persönlich anwesend war und sich auch für ihn häufig unvorteilhaften Diskussionen stellen musste. Sein Vorteil war, dass er so mit uns gemeinsam die jeweils neuesten, teils skurrilen Ideen des von ihm eingesetzten Flughafen-Retters Hartmut Mehdorn aus erster Hand erfahren und sich sofort in interpretatorische Rettungsversuche stürzen konnte, statt erst Anfragen irritierter Medienvertreter abwarten zu müssen.

Allerdings konnte der Sonderausschuss nicht alle in ihn gesetzte Erwartungen erfüllen. Meine damals geäußerte Befürchtung, dass der Ausschuss das Thema BER ganz schnell aus der Zuständigkeit des MP auf die Staatssekretärs-Ebene in Gestalt von Herrn Bretschneider herunterzoomen würde, hat sich leider bewahrheitet, der neue MP Woidke nimmt nur daran teil, wenn er ausdrücklich herbei gerufen wird.

Für eine bessere Information des Landtags wäre eine ehrliche und transparente Informationspraxis der Mitglieder der Landesregierung und des Aufsichtsrates der Flughafengesellschaft notwendig gewesen. In den Sitzungen wurde aber immer wieder deutlich, dass wichtige Informationen nur übermittelt wurden, wenn dies durch Recherchen der Presse und nachhakende Fragen der Ausschussmitglieder nicht mehr zu umgehen war.

Wesentliche Informationen wurden uns bis heute vorenthalten, so haben wir beispielsweise im Ausschuss nicht erfahren, dass Transparency International bereits am 19.Juni 2013 Hartmut Mehdorn wegen festgestellter Verstöße in Vergabeverfahren anschrieb und ihn aufforderte die Parlamentsausschüsse zu informieren.

Die Beratungen des Ausschusses wurden darüber hinaus erschwert, weil die Sitzungen immer wieder von der FBB als Podium genutzt wurden, um die Öffentlichkeit mit halbgaren Vorschlägen zu unterhalten.

Dennoch möchte ich heute diesen Ausschuss nicht mehr missen: Der SBER hat in der Tat den Blickwinkel auf das Projekt BER erweiterte, viele Informationen haben hier erstmals das Licht der Öffentlichkeit erblickt und wenn es auch nur die Demonstration völliger Unkenntnis war. Auch dies ist eine relevante Information.

Anrede

Die Geschäftsführung der FBB will erklärtermaßen in diesen Tagen dem Aufsichtsrat ein Finanzkonzept vorlegen. Der Ausruf „Zeit wird es“ bleibt einem da im Halse stecken, denn allerhöchste Eisenbahn für einen nachvollziehbaren Kassensturz wäre es schon die ganzen letzten Jahre gewesen.

Dass er bis heute ausgeblieben ist, dass die im Oktober ins Amt gerufene Finanzverantwortliche Frau Fölster mehr als 7 Monate braucht, um überhaupt einmal an erste Zahlen zu kommen, spricht Bände.

Das größte Infrastrukturprojekt im Osten Deutschlands ist im Laufe dieser Legislaturperiode zum größten politischen Desaster in der Geschichte des Landes geworden. Wenn der FBB-Geschäftsführer Mehrdorn auf der letzten SBER-Sitzung feststellt, dass von einem funktionierenden Controlling bis dato nicht die Rede sein kann, dann wirft dies auch ein schlechtes Licht auf unsere Landesregierung. Denn nicht nur, dass das Controlling-System der FBB direkt versagte, auch das eigentlich von der Gesellschaft unabhängige Bürgencontrolling einer renommierten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bekommt damit ein Armutszeugnis ausgestellt.

Dabei hätte die Landesregierung schon lange vorgewarnt sein müssen. Bereits der Jahresbericht des Landesrechnungshofes von 2011 ließ keinen Zweifel an der Qualität des Bürgencontrollings der Gesellschafter am BER aufkommen.

Bis heute können wir nicht verzeichnen, dass eine fachlich versierte Beurteilung der Geschäfte der FBB stattfindet, dies schon allein deswegen, weil der Landesregierung, genauso wenig wie uns, nachprüfbare Zahlen vorliegen.

Die Landesregierung hat es laufen gelassen und darf jetzt eins ums andere Mal das Scheckbuch öffnen. Die Deckung erfolgt durch den Steuerzahler.

Dabei wird es demnächst gar nicht mehr um die Baukosten des Flughafens gehen, sondern um die Frage, ob der Flughafen sich aus dem operativen Geschäft selbst finanzieren kann oder durch sich anhäufende Verluste in den nächsten Jahren das bereitgestellte Eigenkapital aufzehrt und zur Insolvenzvermeidung ständig neue Zuführungen braucht.

2012 betrug der Verlust bereits eine dreistellige Millionensumme und nichts spricht dafür, dass diese Summe in Zukunft sinken wird.

Anrede

Der BER war von Anfang an der falschen Stelle geplant. Der Standort des Flughafens wurde politisch bestimmt, das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens ignoriert und auf den Standort Schönefeld festgelegt. Damit ausgerechnet auf den Ort, der wegen der großen Zahl von betroffenen Anwohnern als ungeeignet eingestuft worden war. Die Beschränkungen dort waren bekannt. Ebenso die Herausforderung was den Lärmschutz anbelangt.

Natürlich braucht die Region Berlin-Brandenburg einen leistungsfähigen Flughafen, den wird sie auch irgendwann bekommen. Der Betrieb dieses Flughafens muss sich allerdings an der Lage im urbanen Raum ausrichten und das heißt: Mehr als ein mittelgroßer Verkehrsflughafen ist nicht drin. Träume von einem internationalen Luftdrehkreuz, Pläne sich in eine Reihe mit München und Frankfurt zu beamen sollten schnellstmöglich begraben werden. Stattdessen: Konsequentes Nachtflugverbot, großzügige Lärmschutzmaßnahmen, die ihren Namen auch verdienen, keine Abspeisung der vom Lärm Hauptbetroffenen mit niedrigsten Entschädigungszahlungen, Auflage eines Härtefallfonds, um Menschen, die lieber umziehen wollen, als an ihrem verlärmten Wohnort zu bleiben, eine neue Zukunft zu geben.

Nicht nur das Umweltbundesamt, sondern auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen, also der Beraterstab der Bundesregierung, haben sich inzwischen eindeutig positioniert: Fluglärm ist keine Belästigung, sondern eindeutig ein Gesundheitsrisiko. Die Planung von Flughäfen und Flugrouten ist vor diesem Hintergrund also völlig neu zu bewerten. Erst recht, wenn es wie hier in Schönefeld um einen Flughafen in verdichtet besiedeltem Gebiet geht. Ein Schallschutz auf hohem Niveau ist die Voraussetzung an einem solchen Standort überhaupt einen Flughafen betreiben zu können. Die Landesregierung hatte also von Anfang an die Pflicht, sich für die Gesundheit ihrer Bürgerinnen und Bürger einzusetzen.

Aber was passierte wirklich? 11 Jahre lang wurden zehntausenden von Anwohnern Flugrouten vorgelegt, von denen man von Anfang an wusste, dass sie so nie kommen würden. Der Flughafen hat in Kauf genommen, dass Kommunen und Privatleute tausende falsche Investitions- und Standortentscheidungen getroffen haben, und das MIL hat dabei zugesehen. Das vorgeschriebene Schallschutzniveau wurde von Anfang an systematisch unterlaufen, weil die Flughafengesellschaft keine Lust dazu hatte, den Preis für die Standortnachteile im berlinnahen Raum zu zahlen. Nicht etwa das MIL sondern Klagen aus den Reihen der Bürgerinitiativen haben dem schäbigen Spiel ein vorläufiges Ende bereitet.

Anrede

Damit komme ich nun zum Bericht der Landesregierung zur Annahme des Volksbegehrens vom 27. Februar 2013 und zum Beschluss vom 5. Juni 2013 „Akzeptanz für den Flughafen Willy Brandt durch Nachtruhekompromisse erhöhen“

Zur Ausweitung des Nachtflugverbotes stellt der Bericht fest, dass die beiden anderen Gesellschafter wegen „grundsätzlichen Erwägungen“ dem Ansinnen Brandenburgs zur Änderung der Betriebsgenehmigung nicht entsprechen konnten.

Woraufhin Brandenburg dann vorschlug doch wenigstens zu prüfen, ob man denn nicht in der Zeit von 5.00 bis 6.00 Uhr freiwillig auf einen Flugbetrieb verzichten könne. Das wurde selbstredend auch abgelehnt. So setzt sich also unsere Landesregierung für die Interessen Brandenburgs ein. Man fragt nach, bekommt eine Abfuhr, schlägt einen Kompromiss vor, der auch abgelehnt wird, und kommt dann zurück und bedauert, nicht mehr erreicht zu haben! Ist Ihnen das eigentlich nicht selber peinlich, Herr Ministerpräsident Woidke?

Erwarten Sie ernsthaft mit diesem von praktisch jedermann außerhalb der Landesregierung als scheinheilig empfundenen Versuch, sich an die Spitze der Bewegung stellen zu wollen, im Lande noch ernst genommen werden?

Ähnlich „ambitioniert“ ist ihr Versuch gewesen, den zweiten Teil des Volksbegehrens?? umzusetzen. Man trifft sich mit dem Regierenden und seinen Ministern in netter Runde, auch PLAKO genannt.

Ein von der Landesregierung mitbeauftragter Rechtsanwalt stellt dort fest, dass es unzulässig sei, in § 19 Abs. 11 des Landesentwicklungsplanes ein erweitertes Nachtflugverbot zu verankern. Das hat dann auch die Landesregierung wohl gleich eingesehen, denn der anschließende Beschluss, in welchem die PLAKO sich die Position des Rechtsanwaltes zu Eigen macht, fiel einstimmig aus. Das reichte, man konnte Vollzug melden und dann wieder zum Tagesgeschäft übergehen.

Die eigentlich geforderte Abstimmung in der Sache, nämlich darüber ob man das Volksbegehren nun gemeinsam umsetzen will oder nicht, hat gar nicht stattgefunden.

In Bezug auf das Volksbegehren haben Sie, die Landesregierung, einen destruktiven Weg eingeschlagen, indem Sie durch ihre Hausjuristen alle Möglichkeiten zerlegen ließen, die andere aufgezeigt haben. Ein glaubwürdiger und konstruktiver Weg wäre es gewesen, selbst nach gangbaren Wegen zu suchen oder zumindest alle sich auftuenden Möglichkeiten nach Kräften zu nutzen. Um wenigstens einen Teil der Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen bietet sich jetzt die Möglichkeit, ein Nachtflugverbot für den BER in die anstehende Neufassung des Landesentwicklungsplans hineinzunehmen.

Angesichts des erfolgreichen Volksbegehrens hat unsere Landesregierung übrigens auch versprochen, sich im Bundesrat vehement für mehr Nachtruhe einzusetzen. Der Gesetzesantrag, den Brandenburg aber am 21.02.2013 einbrachte (Bundesrat Drucksache 138/13) ist wieder einmal besten Falls halbherzig. Wäre es unserer Landeregierung und ihren Abgesandten mit dem Nachtflugverbot wirklich ernst gewesen, hätte sie einfach die bereits vorliegende Gesetzesinitiative von Rheinland-Pfalz annehmen können (Bundesrat Drucksache 90/13), in der eine klare Formulierung getroffen wurde.

Im Gesetzesantrag Brandenburgs aber wird die einschlägige Passage verwässert, sie kann sich auf die Machbarkeit eines Nachtflugverbots am BER sogar nachteilig auswirken. Dies meine Damen und Herren, drückt die tatsächliche Haltung unserer Landesregierung zu einem Nachtflugverbot korrekter aus, als alle Krokodilstränen über gescheiterte Verhandlungen mit Berlin und dem Bund.

Anrede

Die EU will aus wettbewerbsrechtlichen Gründen die Subventionierung von Flughäfen verbieten. Für uns Grüne müssen die Subventionen von Flughäfen und Airlines darüberhinausgehend angesichts der gesundheitlichen und ökologischen Schäden ein Ende finden. Flugtickets müssen einen Preis bekommen, der die gesellschaftlichen Folgekosten mit abbildet. Nicht der Steuerzahler muss für den Lärmschutz der Anrainer bezahlen, sondern Airlines und Flugpassagiere. Nicht so unsere Landesregierung, die immer neue Anläufe zur Abschaffung der Flugticketsteuer unternommen hat und jetzt wieder bei der EU für eine Aufstockung der Zuschüsse für den BER streiten will.

Einem Land wie Brandenburg stünde es gut zu Gesicht, seine Steuergelder in Bildung und soziale Aufgaben zu investieren und nicht in einem überkandidelten Flughafenprojekten zu versenken. Wir fordern daher die Landesregierung auf, endlich für geordnete Verhältnisse am BER zu sorgen, die Bevölkerung wirklich vor nächtlichen Fluglärm zu schützen, die Ausgaben der öffentlichen Hand für die FBB zu minimieren und sich endlich im Bundesrat und in Europa für die Reduzierung der Subventionen und anderen Begünstigungen des Flugverkehrs einzusetzen.

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