- Es gilt das gesprochene Wort!
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste,
„es ist eine undemokratische Zumutung, amtlich das ganze Volk zu einer unverbindlichen Meinungsäußerung aufzufordern. Wenn sich der Souverän äußert, dann entscheidet er auch … Die Volksbefragung ist kein Rechtsinstitut für eine demokratische Verfassung; sie passt nur in die Diktatur. Es wäre mit dem demokratischen Prinzip unvereinbar, wenn der Wille des Volkes nur unverbindliche Richtschnur wäre … In der Demokratie ist das Volk der Souverän … nicht Orakel und nicht Hampelmann.” (Rainer Barzel am 24. 4. 1958 im Deutschen Bundestag)
Anrede
Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt, so heißt es in Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland
Im Artikel 2 (4) der Brandenburger Verfassung heißt es: Die Gesetzgebung wird durch Volksentscheid und durch den Landtag ausgeübt.
Die Brandenburger Verfassung sieht Volksbefragungen nicht vor. Von konsultativen Volksbefragungen ist hier nicht die Rede. Ich denke unsere Verfassung tut dies aus gutem Grunde.
Wenn das Volk an die Urnen gerufen wird, dann soll es auch entscheiden und nicht nur seine Meinung kundtun. Wer die Meinung des Volkes abfragen will, der kann gerne zu den Mitteln der Demoskopie greifen und ein Meinungsinstitut beauftragen. Inwieweit er dessen Ergebnis zur Grundlage seines politischen Handelns macht, bleibt dann ihm überlassen.
Denn auch die FDP will ja eigentlich das Volk nicht entscheiden lassen, sondern die Landesregierung soll nur aufgefordert werden ich zitiere: „den Ausgang der Volksbefragung zur Grundlage ihres politischen Handelns zu machen“.
Das ist zu kurz gesprungen und mit Verlaub nicht gerade eine qualitative Ausweitung der direkten Demokratie.
Klassische Volksbefragungen sind zunächst einmal ein Instrument einer Politik von oben oder neudeutsch eines Top-down Ansatzes. Über Abstimmungsgegenstand und Abstimmungsfrage entscheidet nicht das Volk, sondern die Regierungsmehrheit.
Und diesem in der Natur der Sache liegenden Problem entkommt auch die FDP nicht: Die Abstimmungsfrage soll die Landesregierung in Zusammenarbeit mit dem federführenden Innenausschuss des Landtages formulieren. Nun ist ja nicht unbekannt wer hierzulande die Regierung und die Mehrheit im Landtag und den Ausschüssen stellt und welche Zielsetzung die Landesregierung unter Führung der SPD verfolgt. Diese Zielsetzung beißt sich an dieser Stelle nicht mit den Vorstellungen der FDP, die mit den dann vorgelegten Fragen auch keine Probleme hätte.
Dabei gäbe es neben dem in der Brandenburger Verfassung abgesicherten drei-stufigen Weg der Volksgesetzgebung über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid bestimmt auch weitergehende Möglichkeiten der Einführung direktdemokratischer Entscheidungsmöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger.
Im Mutterland der Direkten Demokratie der Schweiz, gibt es klassische Volksbefragungen nicht, stattdessen gibt es Fakultative Referenden, mit denen die Bevölkerung unmittelbar Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen kann. Sobald das Parlament ein Gesetz verabschiede, beginnt eine 100-Tage-Frist in der eine Volksinitiative Unterschriften gegen das Gesetz sammeln kann; kommen 50.000 Unterschriften zusammen, dann folgt ein Volksentscheid dessen Ergebnis bindend ist. Seit 2009 gibt es solche Fakultativen Referenden auch in Hamburg. Hier benötigt man rund 32.000 Unterschriften innerhalb von 3 Monaten um einen Volksentscheid herbeizuführen.
Zugegeben erforderte ein solcher Schritt zu einer bedingten Selbstentmachtung des Landtages Mut, aber wenn wir über eine Ausweitung direktdemokratischer Möglichkeiten nicht nur diskutieren wollen, kommt wir um Abgabe von politischer Macht nicht herum.
Ich denke, das ist ein Weg über den man diskutieren kann, aber das gibt weder der Antrag der FDP noch das konkrete Beispiel her.
Denn der Braunkohleplan wird nicht vom Landtag sondern von der Landesregierung aufgestellt und verabschiedet. Wollte man die Entscheidung wirkungsvoll in die Hände des Wahlvolkes legen, dann müsste als allererster Schritt der Landtag für den Braunkohleplan selbst zuständig werden. Interessanterweise hat sich der Landtag aber in dieser Frage in früheren Jahren selbst entmündigt und die Verantwortung vollständig an die Regierung übertragen. Bevor also das Volk rechtsverbindlich über die Ablehnung neuer Tagebaue entscheiden kann, muss erst einmal das Aufstellungsverfahren für einen Braunkohleplan in ein Gesetzgebungsverfahren umgewandelt werden. Darüber steht im famosen FDP- Antrag allerdings nichts.
Anrede
2009 haben wir Grünen gemeinsam mit der Linken und Umweltverbänden eine Volksinitiative und ein Volksbegehren gegen neue Tagebaue gestartet. Wir sind damals an der inzwischen aufgeweichten Amtseintragungspflicht gescheitert. Naheliegender als die Einführung einer unverbindlichen Volksbefragung wäre es daher zunächst einmal in Brandenburg die angezogene Handbremse im bereits bestehenden Volksabstimmungsverfahren zu lockern. Wer die Direkte Demokratie ausbauen will, sollte sich mit uns gemeinsam für die freie Unterschriftensammlung auf der Stufe des Volksbegehrens und für die Abschaffung des Quorums im Volksentscheid einsetzen.
Ich fasse zusammen:
Wenn wir Grünen heute die Initiative der FDP ablehnen, geschieht dies aus Gründen, die weit über den Anlass hinaus reichen. Wir finden es bedauerlich, dass hier aus tagespolitischer Effektheischerei das ernste Anliegen einer Verhinderung weiterer Tagebaue mit der Einführung eines ungeeignetes Instrumentes verbunden werden soll. Eines Instrumentes, das im Titel direktdemokratisch klingt, aber eher dem Bereich der „gelenkten Demokratie“ zugeordnet werden muss. Da können wir nicht mitgehen.
Wer das Volk Ernst nimmt, muss ihm im Rahmen der Volksgesetzgebung auch die Möglichkeit zur Entscheidung einräumen, und nicht nur das Recht seine Meinung kund zu tun.