- Es gilt das gesprochene Wort! -
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste,
die FDP verabschiedet sich mit einer Fülle von Anträgen in die Sommerpause, von einem Feuerwerk an neuen Ideen würde ich aber angesichts des hier vorliegenden Antrages zum Abbau der Kalten Progression nicht reden wollen.
Die Diskussion um die Kalte Progression ist so alt wie der progressive Einkommenssteuertarif, der mit seinen progressiv steigenden Steuersätzen bewirkt, dass höhere Einkommen auch in höherem Maße zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen.
„Kalte Progression“ ist die Bezeichnung für eine Steuermehrbelastung, die dann eintritt, wenn Lohnsteigerungen lediglich einen Inflationsausgleich bewirken und die Einkommenssteuersätze nicht der Inflationsrate angepasst werden. Dies ist soweit auch unbestritten.
Ohne Gegenmaßnahmen, wie z.B. der Anhebung des Grundfreibetrages (wie 2013) oder die Anpassung der Steuersätze (wie zuletzt 2010), führt die Kalte Progression in der Tat zu einer relativen Mehrbelastung der niedrigen und mittleren Einkommen.
Das Durchschnittsbruttoeinkommen liegt laut Bundesfinanzministerium in diesem Jahr ziemlich genau bei 30.000 Euro. Für den Einzelnen betrug die Mehrbelastung durch die kalte Progression in den Jahren 2011 bis 2014 sowohl für den Bundesnormalverdiener wie für einen Einkommensempfänger von 20.000 € rund 450 €. Der kleine aber feine Unterschied ist aber, dass dies für den Geringverdiener rund 5 %, für den Durchschnittsverbraucher aber nur 2,5 % seiner gesamten Steuerzahlungen in diesem Zeitraum ausmachte. In der Spitze über 100.000 € Jahreseinkommen sinkt diese Belastung unter 1 Prozent. Das sind in der Tat merkwürdige Effekte.
Die Prozentsätze täuschen aber darüber hinweg, dass die Entlastung beim Abbau der Kalten Progression für alleinstehende ArbeitnehmerInnen mit einem Jahresbruttolohn von 30.000 Euro bei ca. 150 Euro liegen, bei GutverdienerInnen mit einem Lohn von 60.000 Euro allerdings bei ca. 365 Euro.
Das ist der Effekt auf der Steuerzahlerseite, aber betrachten wir die hieraus resultierenden Einnahmeverluste, wenn der Abbau der kalten Progression ohne Kompensation an anderer Stelle, wie z.B. durch Anhebung des Spitzensteuersatzes erfolgen sollte.
Der Abbau der Kalten Progression würde allein bis zum Ende unserer Legislaturperiode 2017 nach Zahlen des Bundesfinanzministeriums bundesweit über 17 Mrd. Euro Mindereinnahmen für den Staat bedeuten. Herunter gerechnet auf Brandenburg würde gemäß Steuerschätzung ein Betrag in dreistelliger Millionenhöhe fehlen.
Die resultierenden Mindereinnahmen der Länder würden also zu einem großen Teil zur Entlastung der Besserverdienenden führen und weitaus weniger den kleinen und mittleren Einkommen, wie es die FDP gerne vorgibt. Ginge es der FDP tatsächlich um einen Inflationsausgleich, dann müsste sie mit gleicher Vehemenz beispielsweise die Anpassung Hartz 4-Regelsatzes fordern. Davon würden Menschen profitieren, die das Geld besonders nötig haben.
Dennoch, das spricht nicht gegen Maßnahmen zur Dämpfung der kalten Progression. Allerdings muss gelten: Wenn Ungerechtigkeiten in der Einkommenssteuer beseitigt werden sollen, braucht der Staat an anderer Stelle einen Ausgleich.
Aber was bedeutet der Vorschlag der FDP eigentlich konkret? Wie hoch müsste der Spitzensteuersatz dann sein? Das Finanzministerium Schleswig-Holstein, wo die FDP übrigens im Januar die selbe Debatte initiiert hatte, hat ausgerechnet, dass der Spitzensteuersatz für einen regelmäßigen Abbau der Kalten Progression 2014 auf 47% und 2015 bereits auf 53% ansteigen müsste!
Ist das die Steuerpolitik der FDP? Ein Spitzensteuersatz von 53%? Aber nein! Von einem Ausgleich innerhalb des Steuersystems ist in dem Antrag nicht die Rede. Zahlen sollen es am Ende diejenigen, die mangels eigenem Einkommen auch keine Einkommenssteuer bezahlen und für die der Staat dann auch weniger Transferleistungen zur Verfügung hat. Leiden tun im Endeffekt die Menschen, die am meisten von einem starken Staat profitieren, und Länder und Kommunen, die beim Schuldenabbau vor neue Hürden gestellt werden. Der Vorschlag der FDP stellt mitnichten nachhaltige Finanzpolitik dar.
Aus unserer Sicht gehören die Verteilungswirkungen des Steuersystems insgesamt auf den Prüfstand. Für echte Verteilungseffekte und eine Konjunktur ankurbelnde Steuerpolitik muss vor allem beim Niedriglohnsektor nachgebessert werden. Der Abbau der Kalten Progression kann für uns dazu gehören, jedoch nicht isoliert und ohne Gegenfinanzierung.
Ich komme zum Ende:
Der Antrag der FDP fällt bei zwei zentralen Kriterien durch: der ungerechten Verteilungswirkung und der durchschlagenden negativen Effekte für die öffentlichen Haushalte.
Aus diesem Grunde müssen wir Ihren Antrag ablehnen.