Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
„Müller wird BER-Aufsicht nicht zugetraut - Aufsichtsräte-Lobby fordert Experten.“ So titelte „Die Welt“ am 8. Juni 2015, nachdem bekannt wurde, dass der Regierende Bürgermeister von Berlin den Aufsichtsratsvorsitz der FBB übernehmen wollte, derselbe Regierende Bürgermeister, der sich kurz vorher noch für unzureichend qualifiziert für eine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat gehalten hatte und den Aufsichtsrat eigentlich verlassen wollte. Nun ist er nicht nur weiterhin Aufsichtsratsmitglied, sondern übernimmt mit Brandenburger Zustimmung auch noch den Vorsitz. Das ist in der Tat ein Drama. Die Warnungen der Vereinigung der Aufsichtsräte in Deutschland waren überdeutlich: Das Amt anzunehmen würde – ich zitiere – „dem Berufsstand und dem Ansehen der Aufsichtsräte in Deutschland“ großen „Schaden zufügen: Müller rechtfertigte seine Kandidatur damit, dass es wichtig sei, dass die Politik Verantwortung für ein so großes öffentlich finanziertes Infrastrukturprojekt übernehme.
Hier setzen nun die FREIEN WAHLER an. Aus der Tatsache, dass Dr. Müller damit scheinbar politische Verantwortung übernimmt, leiten sie ab, dass auch unser Ministerpräsident in den Aufsichtsrat einziehen soll.
Wir Grünen hatten schon früher ausgeführt, dass eine solche politische Verantwortung für den Flughafen anders und besser übernommen werden könne, und die Entsendung von Experten in den Aufsichtsrat gefordert. Dem ist die Landesregierung zumindest teilweise nachgekommen. Davon rücken wir im Gegensatz zu den FREIEN WÄHLERN nicht ab. Die Kompetenz von Ministerpräsident Woidke für die Übernahme einer Aufsichtsratsfunktion ist ja nicht dadurch gestiegen, dass nun Müller im Aufsichtsrat sitzt und gar noch den Vorsitz übernimmt. Wir sind uns wohl alle einig, dass ein Ministerpräsident neben seiner Aufgabe nicht noch vollumfänglich die Vorsitzfunktion in einem Aufsichtsrat übernehmen kann.
Unverändert halten wir es für richtig, die Gesellschafterversammlung der FBB zum entscheidenden Organ der FBB zu machen, sie aufzuwerten und nicht als Abnickgremium der Aufsichtsratsbeschlüsse fortzuführen, wie es in der Vergangenheit leider der Fall war. Herr Dr. Woidke, ich hatte es schon einmal angesprochen: Allein auf die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat zu verzichten ist noch kein Ausweis von Verantwortungsübernahme. Der Flughafen mus in de Tat Chefsache bleiben, und die Delegation an Herrn Bretschneider bzw. die Rede heutigen Tag an Frau Ministerin Schneider reicht unseres Erachtens nicht aus.
Es sind nämlich einige Fragen offen, die eigentlich nur Sie als Ministerpräsident beantworten können, zum Beispiel: Wie beabsichtigen Sie die Gesellschafterversammlung aufzuwerten, nachdem Herr Müller in den Aufsichtsrat entrückt ist, oder sind Sie von Ihrem Anliegen schon abgerückt? Ist die umfassende Information des Ministerpräsidenten vor Entscheidungen des Aufsichtsrates sichergestellt, oder erfahren Sie erst aus der Zeitung, was im Aufsichtsrat besprochen und beschlossen wurde? Zumindest die Mitteilung über die 2,5 Milliarden Euro im Pränotifizierungsantragsverfahren scheint ja so gelaufen zu sein. Konkret: Erhalten Sie die schriftlichen Unterlagen des Aufsichtsrates vor der Sitzung zur Einsicht und haben Sie die Möglichkeit, mit den Brandenburger Aufsichtsratsmitgliedern eine spezifische Brandenburger Position zu diskutieren und festzulegen? Dürfen Sie ganz konkret in alle Unterlagen der FBB Einsicht nehmen? Erteilen Sie Weisungen an Staatssekretär Bretschneider, oder trifft dieser seine Entscheidungen Iosgelöst vom politischen Willen der Landesregierung?
(Christoffers [DIE LINKE]: Völlig losgelöst von allem!)
Aber jenseits der Tätigkeit im Aufsichtsrat interessiert uns natürlich auch Ihre Haltung innerhalb der Landesregierung. Welchen Einfluss nehmen Sie auf die Lärmschutzmaßnahmen am Flughafen? Wie beurteilen Sie, dass erst 4 % der baulichen Lärmschutzmaßnahmen im Bereich der Südbahn vor deren temporären Inbetriebnahme umgesetzt wurden, und wie beurteilen Sie diesbezüglich das Abrücken der Infrastrukturministerin von der Forderung, dass vor der temporären Inbetriebnahme der Südbahn alle Anspruchsermittlungen durchgeführt sein wollten, aber am Ende entgegen dieser Verlautbarungen 70 % als ausreichend angesehen wurden? Lassen Sie so etwas laufen oder greifen Sie für die Zukunft ein und stellen sicher, dass vor Inbetriebnahme des BER im Jahr 2017 die Lärmschutzmaßnahmen zu 100 % durchgeführt sein werden? Das sind Fragen, die Sie beantworten sollten. Sie können sich nicht dadurch entlasten, dass Herr Bretschneider die Funktion des Flughafenkoordinators übernimmt. Ich denke, als Ministerpräsident stehen Sie unmittelbar und persönlich in der Verantwortung. – Recht herzlichen Dank.
(Beifall B90/GRÜNE)