Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als wir hier zuletzt am 29. April vergangenen Jahres auf Antrag der AfD über das Thema Griechenland redeten, endete Herrn Wieses Rede im Jahre 1862 mit der Absetzung Ottos I. von Griechenland. Allen war klar: Es muss eine Fortsetzung geben.
(Heiterkeit B90/GRÜNE, SPD, DIE LINKE und CDU)
Ich hatte schon damals darauf hingewiesen, dass Griechenland in der Tat mehr Zeit und möglicherweise auch neue Hilfspakete braucht, und auch da war klar, dass es eine Fortsetzung geben muss.
(Königer [AfD]: Eher eine Absetzung!)
Dieser Antrag - er wurde schon zitiert, man kann ihn ja komplett vorlesen, da er erstaunlich kurz ist -, „die als ‚Griechenland-Rettung‘ getarnten Hilfspakete für Banken“ zu stoppen, bedeutet allerdings in Wirklichkeit, den Bankrott Griechenlands und dessen Austritt aus der Eurozone zu fordern. Und wenn ich Herrn Wiese richtig verstanden habe, möchte er sogar den Austritt Griechenlands aus der EU herbeiführen.
(Frau Hackenschmidt [SPD]: Aus ganz Europa!)
Damit allerdings würden keine Probleme gelöst, sondern jede Menge neuer Probleme geschaffen; denn Griechenland bräuchte dann von den europäischen Partnern weiterhin reichlich Hilfe, um nicht weiter zu verelenden. Den Zustand der Verelendung hat Herr Wilke schon an einigen Beispielen verdeutlicht. So aber geht man mit Nachbarn im europäischen Haus nicht um.
(Jungclaus [B90/GRÜNE]: Es sei denn, man hat etwas gegen Nachbarn!)
Ein Verbleib Griechenlands in der Eurozone war und ist - aber auch darauf wurde hingewiesen - für den europäischen Zusammenhalt von großer Bedeutung. Ich gestehe zu, dass das grundsätzliche Problem in den Verhandlungen mit Griechenland bisher nicht gelöst wurde. Auch darauf hat Herr Wilke hingewiesen: Die Schuldenlast Griechenlands ist viel zu hoch. Mit dieser Schuldenlast wird das Land die ökonomischen und sozialen Probleme nicht lösen können.
Deswegen brauchen wir einen Schuldenschnitt, und selbstverständlich wird das auch von Deutschland mitzufinanzieren sein. Aber es wird eben nicht von Deutschland allein zu finanzieren sein; das ist wohl wahr.
Aber alles Geld, was wir hier investieren, ist in der Tat gut angelegt, denn an einem stabilen Griechenland haben wir alle - oder sollten wir alle, Sie von der AfD vielleicht nicht - großes Interesse haben. Alles andere gefährdet die politische und wirtschaftliche Stabilität Griechenlands und bremst damit auch die Aussichten auf die wirtschaftliche Erholung in ganz Europa. Und - so einfach ist es wirklich - das Wohlergehen und die Prosperität Griechenlands hängen auch mit unserem Wohlergehen zusammen und sind auch Garant unseres Wohlstands.
Mit nationalstaatlichen und egoistischen Denkmustern aus dem letzten Jahrhundert, mit Anti-EU-Ressentiments erreicht man das Gegenteil: Unsicherheit der Märkte, weniger Investitionen und damit auch mehr Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung in Europa insgesamt. Mit Kooperation und nicht mit Konfrontation kommt man weiter. Das sind die Lehren, die wir aus der Geschichte unseres Kontinents und der westlichen Welt gezogen haben.
Ihre Rezepte führten Ende der Zwanzigerjahre des letzten Jahrhunderts in die Weltwirtschaftskrise. Mit Egoismus, Kleinstaaterei und Engstirnigkeit verlieren am Ende alle.
Es steht hier aber noch mehr auf dem Spiel. Denn wenn die Europäische Union eine solche Krise im eigenen Haus nicht zu bewältigen vermag, wie sollte sie dann gegenüber den zahlreichen Krisenherden in ihrer direkten Nachbarschaft - von der Ukraine über Syrien bis hin zu Libyen - noch glaubwürdig und wirkungsvoll auftreten können? Wie sollte Einigkeit im Verhältnis zu Russland aufrechterhalten bleiben, wenn Griechenland fallengelassen würde? Aber vielleicht ist diese Schwächung der EU und damit Europas genau das unausgesprochene Interesse der AfD. Wir jedenfalls werden Ihren Antrag ablehnen. - Recht herzlichen Dank.
(Beifall B90/GRÜNE, SPD, DIE LINKE und CDU)