Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
In der kleinen Lausitz, dem angestammten Siedlungsgebiet der Wenden und Sorben kann man besichtigen welche „Spur der Verwüstung“, der Raubbau an der Braunkohle an Mensch und Natur hinterlassen hat. Manches ist mit bloßem Auge erkennbar wie die Tagebaurestlöcher und aktiven Tagebaue oder die ockergelb verfärbte Spree, manches ist nur noch in Fotografien oder in den Erzählungen der Einheimischen zu finden, wie die Erinnerung an frühere Wiesen und Wälder oder die über 130 zerstörte Dörfer. Manches ist auch nur durch wissenschaftliche Methoden nachweisbar, wie die Anreicherung der Böden mit Quecksilber, der Sulfatgehalt der Fließgewässer oder der Beitrag den Milliarden Tonnen verbrannter Braunkohle in den letzten Jahrzehnten für die Anreicherung der Erdatmosphäre mit dem Treibhausgas CO2 geleistet haben.
Aber allen Warnungen vor den Folgen der Braunkohleverstromung für den Klimawandel zum Trotz wird die Lausitz von Nochten über Welzow bis Jänschwalde malträtiert, als gäbe es keinen Klimawandel und keine Beschlüsse von Paris. Diese Beschlüsse sind so eindeutig wie die Unwetterkatastrophen in Bayern und Baden-Württemberg: Erfolge im Klimaschutz sind dringend notwendig, wenn wir den Klimawandel nicht vollkommen aus dem Ruder laufen lassen wollen. Die Vereinbarungen der Weltklimakonferenz umzusetzen erfordert mehr Anstrengungen beim Klimaschutz, auch wenn die Veränderungen schmerzhaft sein könnten.
Die Landesregierung hat dafür kein Konzept. In Ihrem Antrag kommt das Klima nur ein einziges Mal vor: Als Forderung neben dem Klima doch auch die Kosten und den Netzausbau im Blick zu behalten. Noch im Mai hatte sich Ministerpräsident Woidke auf einer Demonstration der Gewerkschaft IGBCE mit der Aussage angebiedert: „Unsere Energiestrategie 2030 beschreibt den Weg hin zu einer partnerschaftlichen und gewinnbringenden Koexistenz von Braunkohle und den Erneuerbaren Energien.“ Eine plumpe Verschleierung der Entscheidung der Landesregierung, sich ganz auf die Seite der Braunkohle zu schlagen und die Erneuerbaren Energien als vermeintliche Bedrohung einer sicheren Energieversorgung auszubremsen.
Wenn man die Anträge zum Ausbremsen des Windkraftausbaus in Brandenburg von gleich drei Fraktionen und Gruppen liest, könnte man meinen die Klimaerwärmung sei eine Fiktion. Die einzige Fraktion, die diese Meinung auch offen vertritt, die Energiewende für überflüssig und Kohlendioxid für ein Düngemittel hält und daher konsequent für Atom- und Kohlestrom eintritt ist die AfD. Die CDU und Freien Wähler torpedieren mit den von ihnen geforderten Ausbaubeschränkungen für Erneuerbare die Energiewende ohne von ihr verbal abzurücken. SPD und Linke lassen mit dem hier vorliegenden Antrag ebenfalls nicht erkennen, dass sie die Zeichen der Zeit erkannt haben. Allein die Vorstellung, dass der notwendige Dialog zur Zukunft der Braunkohle, ich zitiere: „auf keinen Fall auf den Rücken der Beschäftigten im Tagebau oder den Braunkohletagebauen ausgetragen werden darf“, ist soweit es die Tagebaue betrifft nicht nur sprachlich absurd. Natürlich soll die Energiewende nicht auf die Knochen der Beschäftigten gehen und die Landesregierung muss sich gemeinsam mit der Region um ein Lausitzkonzept, um Anschlussbeschäftigungen für die Arbeitnehmer kümmern.
Aber genauso wie der Atomausstieg das Geschäftsmodell der Atomindustrie zerstört, die Umstellung in der Landwirtschaft auf Ökolandbau auf Kosten der pestizidproduzierenden Chemieindustrie oder die Einführung der Elektromobilität auf Kosten der Erdölraffinerien geht, muss die Energiewende zwangsläufig auf Kosten der Braunkohletagebaue gehen, auf wessen Rücken denn sonst, um im hinkeligen Bild der Koalition zu bleiben.
Innovation und Fortschritt kennen nun einmal Sieger und Verlierer und die Landesregierung täuscht sich und die Kumpel vor Ort, wenn sie den Eindruck erweckt, als ob sie die Braunkohleunternehmen noch Jahrzehnte künstlich beatmen kann. Deswegen ist es auch so fatal, das die Landesregierung statt in Schweden auf einen geordneten Ausstieg aus der Braunkohle zu drängen, aktiv den Verkauf der Braunkohlesparte eingefordert hat und sich demnächst mit dem tschechisch-luxemburgisch-zypriotischen Schachtelunternehmen EPH über die Abdeckung der Braunkohlefolgekosten streiten darf.
Im Gegensatz zur Landesregierung hat die große Mehrheit der Bevölkerung erkannt, dass wir unseren CO2-Ausstoß schnell und drastisch reduzieren müssen, dabei aber zugleich auch von der Energiewende profitieren können, wenn wir mit Erneuerbaren Energien die Braunkohle ersetzen.
Anrede,
Sich gegen die mächtigen Atomkonzerne und ihre brandgefährlichen Kraftwerke aufzulehnen, erschien in den 70er Jahren, als die Anti-Atom-Bewegung geboren wurde, ein geradezu irrwitziges Vorhaben. Alle bundesdeutschen Parteien standen wie die ostdeutschen Blockparteien auch in Treue fest zur Atomkraft. Friedliche Proteste wurden kleingeredet, ziviler Ungehorsam als Gewalt diffamiert. Mit massiven Polizeieinsätzen wieder und wieder Grundrechte verletzt. Aber die Menschen in der Anti-Atom-Bewegung haben nicht aufgegeben. 2022, wenn das letzte Atomkraftwerk in Deutschland endgültig stillgelegt sein wird, geht die Anti-Atom-Bewegung in ihr 50. Jahr.
Das Pfingstwochenende in der Lausitz hat gezeigt, dass die Anti-Atom-Bewegung einen Nachfolger gefunden hat. Eine weltweite Klimaschutzbewegung baut sich auf und diese Bewegung ist zugleich eine Anti-Kohlebewegung. Die Klimaschützer eint die Überzeugung, dass alle bisherigen Beschlüsse völlig unzureichend geblieben sind, um die globale Erwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen. Die Klimaschutzbewegung hat es genauso wie ihre Vorläufer mit ähnlich mächtigen Gegnern zu tun. Ihre Aktivistinnen haben erkannt, dass deutlichere Zeichen gegen den Kohleabbau gesetzt werden müssen als das Schalten von Anzeigen oder das Verteilern von Flyern. Und sie kehren zurück zu den Aktionsformen der Anti-Akw-Bewegung, der Umweltbewegung (Startbahn-West und Franzheim, GVO-freie-Zonen) oder der westdeutschen Friedensbewegung gegen die amerikanischen Atomraketen. Die Aktionsformen reichen von Menschenketten über Blockaden bis hin zu Platzbesetzungen. Aber dabei sollte allen klar sein, dass es sich um symbolische Aktionen handelt. Die dauerhafte Abschaltung und Stilllegung von Kraftwerken, die Umsetzung der Energiewende erfolgt nicht durch eine einmalige Aktionswoche vor Ort, sondern durch Politik, durch Verbraucherverhalten und ja: mitunter auch durch die Entscheidung von Unternehmen sich von rufschädigenden Produkten zu verabschieden.
Dass nach dem Rheinland dieses Jahr die Lausitz ins Zentrum der Aktionen gerückt wurde verwundert nicht, da mit dem Verkauf der Braunkohlesparte von Vattenfall eine entscheidende Weichenstellung in der Frage Kohleausstieg ja oder nein gesehen wurde. Und die Aktionen in der Lausitz haben zumindest bewirkt, dass der Braunkohle-Verkauf in Schweden nicht so glatt über die Bühne gehen wird, wie sich das hier einige vorgestellt haben.
Angesichts der Vorerfahrungen aus den Aktionen im nordrhein-westfälischen Braunkohlerevier freuen wir uns, dass das Protestwochenende Pfingsten weitgehend friedlich abgelaufen ist. Dies ist dem auf strikte Gewaltfreiheit abzielenden Aktionskonsens der Teilnehmerinnen wie der Deeskalationsstrategie der Polizei, aber auch der weitgehenden Zurückhaltung des Vattenfall-Werkschutzes zu verdanken.
Dass es Pfingsten zu Grenzüberschreitungen kommen konnte, war von vorneherein einkalkuliert. Aber bitte: Wir leben nicht mehr im Adenauer-Deutschland oder der Honecker-DDR. Versammlungen müssen nicht mehr genehmigt sondern nur noch angezeigt werden, Blockaden werden seit 1995 nicht mehr generell als Nötigung eingestuft, Demonstranten dürfen seit 1986 nicht mehr eingekesselt werden, die Begehung nicht umfriedeter Besitztümer stellt weder Haus- noch Landfriedensbruch dar, Mitläufer und neutrale Beobachter machen sich seit der 3. Strafrechtsreform von 1970 auch nicht mehr des Landfriedensbruchs strafbar. Und niemand darf ohne Richterspruch länger als 12 Stunden zum Zwecke der Identitätsfeststellung festgehalten werden. Das ist wohl einigen hier im Hause, deren Weltbild noch im Jahr 1955 oder früher wurzelt noch nicht so richtig bekannt.
Die Polizei ist im übrigen auch nicht der Werkschutz eines Unternehmens sondern einem strikten Neutralitätsgebot unterworfen; dort, wo sie sich einseitig auf die Seite eine Unternehmens schlägt, wie es bei der Räumung einer Blockade von streikenden Arbeitern in Baruth diese Woche gewesen zu sein scheint, gibt es zu recht einen öffentlichen Aufschrei der Gewerkschaften. Dass die Polizei bei der Wahl ihrer Mittel die Verhältnismäßigkeit achten muss, egal ob es sich um Fans von Babelsberg 03 oder Demonstranten handelt, sollte ebenfalls allen klar sein.
Wir danken der Polizei für ihr besonnenes und kluges Vorgehen, das eine sinnlose Eskalation der Gewalt, anders als im Rheinland, geschickt verhindert hat. Dort wo Straftaten begangen wurden, ist die Polizei auch eingeschritten. Denn darin sind wir uns einig: Das Betreten oder gar die Besetzung von Kohlebunkern oder Leitwarten musste schon im eigenen Interesse der Aktivisten verhindert werden. Gewalt gegen Menschen und Zerstörungen lehnen wir genauso ab, wie es im Aktionskonsens verankert war. Dass einzelne sich nicht daran gehalten haben, entwertet nicht die Aktion und das Anliegen der Demonstranten. Und noch ein Wort am Rande, ziviler Ungehorsam ging immer damit einher sich mit der gesamten Person zu seinen Taten zu bekennen. Der Versuch seine Identität zu verschleiern, um unangenehmen juristischen Folgen aus dem Weg zu gehen, ist damit nicht in Einklang zu bringen.
Anrede
Wir bedauern aber auch, dass es zu Übergriffen von Rechtsextremisten auf TeilnehmerInnen des Camps gekommen ist. Die Tatsache, dass in 2 Polizeiaktionen gegen rund 100 bekannte Rechte (15.5. 57 Personen, 16.5. 42 Personen) Platzverweise ausgesprochen wurden, Messer und Quarzhandschuhe beschlagnahmt wurde, spricht für sich. Wir begrüßen es, dass die Koalition ihren Antrag um diesen Punkt ergänzt hat.
Es ist nachvollziehbar, dass diejenigen, die den Kraftwerkszaun durchbrochen haben mit einer Strafanzeige rechnen müssen. Hier von Öko-Terroristen zu sprechen, heißt nach den NSU-Morden, nach Paris und Brüssel allerdings den Begriff des Terrors zu banalisieren. Die entstandenen Sachschäden sind zu verurteilen, doch anders, als die Schäden an Natur und Lebensqualität durch die Tagebaue, waren diese schnell wieder zu reparieren.
Aufgabe der Politik muss es jetzt sein, dem Anliegen der Klimaschutzbewegung nach einem schnellen Ausstieg aus der Braunkohle mit konkretem Handeln zu entsprechen. Jetzt kann Brandenburg beim Klimaschutz aktiver werden oder sich wahlweise als Opfer der Politik der Bundesregierung darstellen und abwarten. Abwarten ist allerdings Wasser auf die Mühlen derjenigen, die den Menschen in Brandenburg suggerieren, der weitere Ausbau der Windenergie sei überflüssig, die Energiewende zu teuer und die Energieversorgung durch sie gefährdet.
Wir brauchen eine Gestaltung des Wandels mit neuen Unternehmen und neuen Arbeitsplätzen statt Kungeleien zwischen Herrn Freese und Herrn Gabriel. Allein in der Windbranche sind laut einer jüngst erschienenen Studie des DIW rund 4850 Arbeitsplätze entstanden. Davon wollen wir mehr!
Lassen sie Brandenburg zum Energiewendeland erblühen. Gestalten Sie gemeinsam mit den Brandenburgerinnen den Wandel und unterstützen Sie unseren Entschließungsantrag.
Vielen Dank!
Unser Entschließungsantragwurde abgelehnt.