Landeshaushalt: Die richtigen Weichen stellen
Haushaltsüberschüsse, mehr als 1 Milliarde Rücklagen angehäuft und zusätzliche 800 Millionen auf der Hohen Kante, Schuldentilgungen, Rekordeinnahmen und zugleich Rekordausgaben. 11,5 Milliarden Euro – so viel wird Brandenburg in den kommenden beiden Jahren jeweils ausgeben. Noch nie hat eine Landesregierung so günstige wirtschaftliche und finanzpolitische Rahmenbedingungen erlebt wie Rot-Rot in dieser Legislaturperiode.
Diese Tatsachen sind in den Beratungen zum Doppelhaushalt mehrfach zur Sprache gekommen, werden aber unterschiedlich bewertet.
Während der Landesrechnungshof in Hinblick auf die ab 2020 greifende Schuldenbremse Einsparungen und zusätzliche Schuldentilgung fordert, leitete die CDU aus den Haushaltszahlen ab, dass man hunderte neue Stellen schaffen und zugleich über 100 Millionen Euro Schuldentilgung pro Jahr im Haushalt verankern könnte.
Auch wir Grünen hatten Wünsche, aber soweit wie die CDU sind wir mit Rücksicht auf die reale Haushaltssituation nicht gegangen. Bewältigung des Strukturwandels in der Lausitz, Investitionen in Elektromobiliät und den Öffentlichen Nahverkehr; in den Kitas muss der Betreuungsschlüssel dringend weiter verbessert werden, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Alle unsere Anträge zeichneten sich durch Augenmaß und Orientierung am machbaren aus. Rücklagenentnahme wollten wir nur für Zukunftsinvestitionen, ansonsten lieferten wir Deckungsvorschläge, auf die dann auch die Regierung gekommen ist; aber unser ganzer Realismus nutzte am Ende nur begrenzt. Die Ehre einem Oppositionsantrag zuzustimmen wollte rot-rot uns nicht gönnen. Aber immerhin: Entweder tauchten einige Anträge leicht verändert als gemeinsame rot-rot-grüne Anträge wieder auf oder erlebten leicht umgeschrieben als rot-rote Anträge ihre Wiedergeburt, z.B. bei der Personalausstattung der Tierschutzbeauftragten.
Eine Energiewende, Agrarwende oder Verkehrswende wird damit zwar nicht erreicht, aber immerhin konnten wir damit einige Akzente in diesem Haushalt setzen.
Anrede
Die Regierung zieht aus dem Haushaltszahlen die Schlussfolgerung in den letzten Jahren eine hervorragende Politik gemacht zu haben. Wir Grünen plädieren dagegen für eine differenzierte Betrachtung.
Wachsende Steuereinnahmen machen Brandenburg Jahr für Jahr unabhängiger von Finanztransfers der EU und des Bundes. Die rot-rote Koalition profitiert im Verbund aller deutschen Bundesländer von einer soliden gesamtwirtschaftlichen Lage, die ihr Jahr für Jahr Steuermehreinnahmen beschert. Und dieser Trend wird sich auch in den nächsten Jahren fortsetzen. Aber dennoch erreicht Brandenburg ein Vierteljahrhundert nach der Währungsunion erst 70 % der Einnahmekraft des Länderdurchschnitts. Dass die Steuereinnahmen anderer Länder noch schneller ansteigen, zeigen die parallel wachsenden Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich.
„Den Aufbruch vollenden“, wie es der Koalitionsvertrag formuliert, das wird in dieser Legislaturperiode allerdings nicht klappen. Wir sind weit davon entfernt wirtschaftlich zum Westen aufzuschließen, die Wirtschaftsleistung pro Kopf verharrt wie die Steuerkraft seit Jahren bei knapp über 70 % des Bundesdurchschnitts. Im 10-Jahrestrend 2005-2015 liegen wir beim Wachstum des Bruttoinlandsproduktes exakt im Bundesdurchschnitt; im 5 Jahrestrend knapp darunter. Sollte sich das 0,6% Punkte über dem Bundesschnitt liegende BIP-Wachstum im 1. Halbjahr 2016 dauerhaft fortsetzen, bräuchten wir "nur noch" rund 50 Jahre, also mehr als ein komplettes Arbeitsleben, um den Bundesdurchschnitt zu erreichen. Sehr wahrscheinlich ist eine solche kontinuierliche Entwicklung allerdings nicht.
Das kann diejenigen frustrieren, die alle ihre Hoffnung auf klassisches Wirtschaftswachstum richten. Mut machen uns Entwicklungen an anderer Stelle. Die Erwerbslosigkeit ist stark rückläufig, beim Produktivitätszuwachs (BIP je Arbeitsstunde) und Einkommenszuwachs liegt Brandenburg bundesweit an der Spitze. Wie sicher alle wissen, sind die ostdeutschen Renten 2016 um 5,95 % gestiegen. Grundlage für diesen Sprung nach oben waren die Einkommenssteigerungen 2015. Laut Statistischen Landesamt haben die Einkommen in Brandenburg 2015 um 4,4 % zugenommen, (Vergleich Reallöhne EU: 1,4 %, Deutschland 2,6 %) Inzwischen haben wir bei den Arbeitnehmereinkommen 84 Prozent des Bundesdurchschnitts erreicht und liegen beim Einkommenszuwachs an zweiter Stelle in Deutschland.
Zurückzuführen ist dies auf die Aufholjagd der Ostlöhne Richtung Westtarife.
Besonders gestiegen sind erfreulicherweise die Löhne der Arbeitnehmer in den niedrigen Lohngruppen. Dies ist auch besonders wichtig, da ein Drittel der Brandenburger Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor arbeitet und weniger als 10€/Stunde (MOZ) verdient.
Entscheidend für den Einkommenszuwachs 2015 war insbesondere aber die Einführung des Gesetzlichen Mindestlohns. So hatte bis 2015 jeder fünfte Brandenburger Beschäftigte (22%) weniger als den Mindestlohns von 8,50€/Stunde verdient.
Auch wenn sich jetzt alle rühmen an der Wiege dieses ordnungspolitischen Eingriffs in die Tarifautonomie gestanden zu haben, weiß eigentlich jeder, welch schwere Geburt dahinter steckte. Erst fürchteten sich die Gewerkschaften vor dem Verlust an Verhandlungsmacht, dann prophezeiten Arbeitgeber und wirtschaftsliberale Parteien Arbeitsplatzverluste ohne Ende. Heute sind alle stolz auf das Baby und wollen die Elternschaft für sich beanspruchen.
Aus der Zunahme der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse, durch Lohnsteigerungen aber auch durch den Zuzug aus Berlin stammen unsere Mehreinnahmen aus Lohn- und Einkommenssteuer.
Weitere Einnahmesteigerungen verzeichnen wir durch den überhitzten Immobilienmarkt, der in Verbindung mit den gestiegenen Steuersätzen die Einnahmen aus der Grunderwerbssteuer von 109 Millionen Euro 2009 auf voraussichtlich 340 Millionen € 2018 hat regelrecht explodieren lassen. Wobei insbesondere im Landwirtschaftssektor die Umgehung der Steuerpflicht durch den Verkauf von Anteilen an Vermögensgesellschaften (sogenannte Share Deals) massiv zuzunehmen scheint (siehe den KTG-Immobilienverkauf an die Münchner Rück). Hier ist eine Bundesratsinitiative um dieser Umgehung des Steuerrechts einen Riegel vorzuschieben mehrmals überfällig.
Anrede
Seit der 1. Lesung des Haushaltes am 28.September sind wir um einiges klüger geworden. Wir kennen heute die neue Steuerschätzung vom 4. November. Wir wissen, dass wir 2016 Steuermehreinnahmen von rund 250 Millionen Euro verzeichnen werden. Die Rücklagen brauchen also 2016 absehbar nicht in dem Umfang angetastet werden, wie geplant. Der Finanzminister wird absehbar weit mehr als nur die bislang versprochenen 120 Millionen Euro tilgen können.
Wir kennen heute auch den Landesrechnungshofsbericht 2016 und die Berechnung des LRH, dass die Koalition, wenn sie sich an ihre eigenen Regeln gehalten hätte, 2015 bereits über 20 Millionen Euro hätte tilgen müssen.
Und wir kennen heute die Bund-Länder-Vereinbarungen zur Fortschreibung des Länderfinanzausgleichs, die dem Land ab 2020 mindestens 300 Millionen Euro mehr pro Jahr beschert. Allerdings ist gerade dieser Betrag, der in Höhe der letzten Solidarpaktrate des Jahres 2019 liegt, kein Grund zur besonderen Freude.
Wir alle wissen, dass der Solidarzuschlag auf die Lohn- und Einkommenssteuer, kurz Soli, weiter erhoben wird. Dieser spült dem Bundesfinanzminister zukünftig rund 19 Milliarden Euro pro Jahr in die Kassen, von denen er jetzt die Hälfte zur Ablösung des horizontalen Länderfinanzausgleichs an die Länder ausschütten wird. Die fünf ostdeutschen Flächenländer werden von diesen 9,5 Milliarden Euro in Zukunft 2,35 Milliarden Euro erhalten, und damit genauso viel wie BaWü und Bayern zusammen. Berlin eingerechnet fließen lediglich 15 % des Soli-Aufkommens in den Osten. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wieso der Soli noch Soli heißt. Gerade weil die überwiegende Mehrzahl der Steuerzahler denkt mit dem Soli einen Solidaritätsbeitrag für die ostdeutschen Bundesländer zu leisten, hätte zwingend eine neue Zweckbestimmung und Namensgebung erfolgen müssen, zum Beispiel als Bildungssoli oder Investitionssoli. Bei der bloßen Weiterführung handelt es sich aber um einen Etikettenschwindel.
Wenn man dann noch weiß, dass nur ein Teil der Bundesmittel dynamisiert ist, also mit den Steuereinnahmen des Staates wächst, wird offenkundig, dass die relativ einnahmeschwachen ostdeutschen Bundesländer wie zuvor schon bei der Neuverteilung der Regionalisierungsmittel für den öffentlichen Schienenpersonennahverkehr den Kürzeren gezogen haben. Laut Professor Lenk wird diese Deckelung dazu führen, dass die Einnahmeunterschiede zwischen den starken und schwachen Bundesländern weiter anwachsen werden, die bisherigen Geberländer also dauerhaft verstärkt profitieren. Als großen Verhandlungserfolg würde ich das jetzige Ergebnis denn auch nicht bezeichnen wollen.
Anrede
Zu den Rücklagen: In der 1. Lesung hatte ich die Vermutung geäußert, dass der Aufbau der Rücklagen auch mit der Unterlassung dringend notwendiger Investitionen und Erhaltungsaufwendungen z.B. im Hochwasserschutz oder Straßenbau erkauft wurden. Dies wurde zwischenzeitlich durch den Landesrechnungshof für die fehlende Unterhaltung des Radwegenetz bestätigt.
Dass der Aufbau der Rücklagen in solch exorbitante Höhen möglich wurde, hat aber auch mit dem Ausbluten des öffentlichen Dienstes zu tun. So hatte Brandenburg nach der Untersuchung der Hans-Böckler-Siftung 2016 die wenigsten Vollzeitstellen pro 1.000 Einwohner im Landesdienst. Zugleich hatten wir nach Berlin und Hessen die niedrigste Beamtenbesoldung insbesondere in den unteren Besoldungsgruppen. Als Brandenburger Spezialität kommt dann noch die niedrige Eingruppierung unserer Beamten hinzu. Das gilt für Justizwachtmeister, die als einzige Beamtengruppe in Brandenburg noch im Einfachen Dienst beheimatet sind, genauso wie für Lehrkräfte die trotz Hochschulabschluss nur im gehobenen Dienst bezahlt werden.
Wenig Personal mal niedrige Einkommen, das ergibt auch im Bundesmaßstab geringe Personalausgaben. Sparen bis es quietscht, das war in den letzten Jahren die Devise; 'Sparen mit Augenmaß' sollte die Devise der nächsten Jahre werden.
Ausgaben:
Neu war, dass bei diesen Haushaltsberatungen erstmals die Koalitionsfraktionen in größerer Anzahl Änderungsanträge stellten. Die Deckungsquellen waren neben den von uns auch eruierten Zinseinsparungen und Entnahmen aus der Allgemeinen Rücklage insbesondere Minderausgaben bei den Ausgaben für Flüchtlinge (Höhe: 44,5 Mio in 2017 und 52,5 Mio in 2018). Hierzu mehr: Sinnvoller Geld für Flüchtlinge statt für Leerstand auszugeben, Koalition hat 11,6 Mio für Leerstand in den Kommunen eingeplant (Hatte sich noch nicht bis Gernot Schmitz rumgesprochen); Hinzu kommen mehrere Millionen für den Leerstand in der Erstaufnahme (abgeschlossene Verträge mit dem DRK in zweistelliger Millionenhöhe). Hinweis auf gemeinsamen Antrag mit der CDU zur Aufnahme irakischer Kontingentflüchtlinge (pdf-Datei).
Der bemerkenswerteste Antrag im Einzelplan der Staatskanzlei (über den wir gerade reden) bezog sich auf die Schaffung einer zusätzlichen Referatsleiterstelle für Regierungsplanung in der Staatskanzlei. Bislang waren wir immer davon ausgegangen, dass die Staatskanzlei in ihrer Gesamtheit für die Regierungsplanung zuständig ist. Dies scheint bis zur ersten Lesung des Haushaltes auch die Auffassung des Kabinetts gewesen zu sein.
Während der Ministerpräsident jedoch der Einführung eines Landesmarketings (bereits vorhanden: Tourismusmarketing, Agrarmarketing, Wirtschaftsmarketing) besondere Bedeutung zumaß und den früheren Regierungssprecher hierfür mit 1,5 Millionen Euro Etat ausstattete, scheint sich bei den Regierungsfraktionen dagegen die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass eine vernünftige Regierungsarbeit schon einmal eine gute Grundlage für die positive Präsentation des Landes nach außen sein könnte. Ob ein Referatsleiter allerdings das richten kann, für das eigentlich die ganze Staatskanzlei zuständig ist, darf bezweifelt werden.
Es ist ja nicht so, dass es bislang keine Koordination in der Staatskanzlei gegeben hätte. Ich erinnere an das fast vollständige Scheitern des Ausbaus der Breitbandversorgung, die über Jahre hinweg in der Staatskanzlei angesiedelt war. Hinzu kommt der Flughafenkoordinator in Staatssekretärsrang, dessen Stelle inklusive personengebundenen Fahrdienst mit einem nachgeschobenen Antrag nunmehr bis 2019 verlängert werden soll, obwohl der Berliner Bürgermeister und Herr Mühlenfeld unisono verkünden, dass noch eine klitzekleine Chance bestünde den BER 2017 zu eröffnen. Jetzt kommt also das Jahr 2019 in Reichweite. Sollte es bislang allein die Aufgabe des Flughafenkoordinators gewesen sein, dem BER-abstinenten Ministerpräsidenten Ärger vom Hals zu halten, so kann dies als gelungen bezeichnet werden. Sollte es allerdings die Aufgabe des Koordinators sein für die kostengünstige Fertigstellung des Flughafens zu sorgen, so ist auch hier ein Scheitern zu konstatieren.
Dort, wo wir Grünen dagegen ein Scheitern des MP nicht vermisst hätten, scheint es dagegen mit der Koordination ganz gut zu klappen. Die Herbstoffensive unseres Ministerpräsidenten gegen die Klimaschutz- und Kohleausstiegspläne der Bundesumweltministerin Hendricks und die Desavouierung der zuvor weltweit als vorbildlich eingeschätzten Klimapolitik der Bundesregierung in Marakkesch hat jedenfalls schon einmal geklappt. Nach dem erfolgreichen Druck auf die schwedische Regierung Vattenfalls Braunkohlesparte an EPH zu veräußern, der Verhinderung der Klimaschutzabgabe auf Kohlekraftwerke und der Einführung von Abschaltprämien auf Kosten der Verbraucher waren das schon mindestens drei Niederlagen, die die Landesregierung der Energiewende beigebracht hat. Vor diesem Hintergrund werden Sie verstehen, dass wir unseren Antrag auf Einstellung eines Klimaschutzkoordinators zurückgezogen haben.
Weniger erfolgreich agiert die Landesregierung bisher auf anderen Politikfeldern, bei denen es nicht um Antichambrieren und Hinterzimmerabsprachen, sondern um Überzeugung der Bevölkerungsmehrheit geht.
Nehmen wir das größte Reformprojekt der Landesregierung in dieser Legislaturperiode. Die Verwaltungsstrukturreform, die durch ungeschicktes Agieren innerhalb der Landesregierung landläufig nur noch als Kreisgebietsreform und Folterinstrument für widerspenstige BürgermeisterInnen bislang kreisfreier Städte angesehen wird. Es kommt ja nicht von ungefähr zu dem Ansturm auf die Unterschriftenliste der Volksinitiative. Lausitzbanane und Flämingmonster sind ja alles andere als geeignet Sympathie für die neuen Kreiszuschnitte zu erlangen.
Und nach dem gestern ins Netz eingestellten Video-Interview mit dem MP auf den Seiten der Lausitzer Rundschau weiß ich auch nicht mehr woran wir bei den Kreiszuschnitten eigentlich sind. Vermutlich hat sich der Ministerpräsident deswegen heute auf die Redeliste setzen lassen, um uns allen reinen Wein einzuschenken.
Die Finanzierung der Kreisgebietsreform ist heute, zur 2. Lesung des Haushaltes nach wie vor ungeklärt. Aber dessen ungeachtet ist die geplante Personalüberleitung an die Kreise bereits mit konkreten Zahlen in der heute vorliegenden Personalplanung niedergelegt, obwohl die Landtagsmehrheit hierzu im Leitbild Differenzierungen eingefordert hatte. Hierzu liegt ein Entschließungsantrag von uns vor.
Nehmen wir auch die sogenannte Altanschließerproblematik, in die inzwischen Bewegung geraten ist. Die Koalition stellt nunmehr 75 Millionen EUR Zuschüsse für die Jahre 2017/18 zur Verfügung. Sehr clever, dass die Kredite in Höhe von 200 Millionen Euro über die ILB ausgereicht werden und das Land nur einmalig 9 Millionen Zinsen für die komplette Laufzeit zahlen muss. Allerdings sind die Rahmenbedingungen so gestrickt, dass kaum eine Gemeinde auf dieses Kreditangebot zurückgreifen wird.
So hat beispielsweise das völlig überschuldete Cottbus unglaubliche 75 Millionen Euro mobilisiert, um rückwirkend bis 1990 jetzt kurzerhand alle Anschlussbeiträge zurückzuerstatten, ohne erst auf das Angebot des Landes zu warten.
Und die Frage drängt sich natürlich auf: Wenn die Abwasserzweckverbände wirklich so notleidend sind, wie es im Kleingedruckten zur Altanschließerfinanzierung zu lesen ist, wieso soll die Umsteuerung jetzt nur bei den Verbänden erfolgen, die die vom Land angebotenen Fördermittel für Altanschließer in Anspruch nehmen wollen? Regierungsplanung wäre also wirklich nicht schlecht.
Ein drittes Problem, um dass sich die Staatskanzlei verstärkt kümmern sollte, wäre der Ländliche Raum, der sich im so benannten Ministerium in offenkundig schlechten Händen befindet. Minister Vogelsänger predigt ungerührt die Unantastbarkeit der 1. Säule der EU-Förderung. Unverändert fließen fast 300 Millionen Euro ohne nennenswerte Auflagen am Landeshaushalt vorbei als Flächenprämie in die Kassen der Landwirtschaftsbetriebe. Wie das Beispiel KTG zeigt, fließen sie von dort aus zunehmend weiter in die Taschen außerlandwirtschaftlicher Investoren. Am Ende landet dort dann auch das Eigentum an den Landwirtschaftsflächen. Der heutige Landadel in dessen Händen sich das Eigentum konzentriert sitzt allerdings nicht mehr auf den heimischen Gütern sondern in den Metropolen. Die Wertschöpfung verbleibt nicht im Land, sondern fließt ab. Wie bei der Braunkohle dient Brandenburg zunehmend auch in der Landwirtschaft wie ein klassisches Entwicklungsland als Rohstofflieferant und darf die sozialen und ökologischen Folgekosten tragen.
Unser Antrag, den Ministerpräsidenten in die Verantwortung zu nehmen und in der Staatskanzlei eine Stabsstelle für je Entwicklung des ländlichen Raums zu schaffen, wurde von der Koalition abgelehnt. Schade!
Herr Ministerpräsident,
Wir wissen, dass Sie unsere Auffassung zum Klimaschutz und zum Ausstieg aus der Braunkohle nicht teilen; wir kennen Ihr Faible für die industrielle Tierhaltung und die großen Landwirtschaftsbetriebe, wir teilen den unveränderte Wachstumskurs im Flugverkehr auf Kosten der Lärmbetroffenen Flughafenanrainer nicht.
Wir verstehen, dass Sie Ihren Namen nicht mit dem BER in Verbindung gebracht sehen möchten und sich weitestgehend aus dem Flughafen-Geschehen heraushalten wollen.
Das kann aber kein Grund sein, überall die Dinge laufen zu lassen. Minister sind keine Solotänzer sondern Mitglieder eines Kabinetts. Der Ministerpräsident bestimmt die Richtlinien der Politik und auch wenn Sie den Innenminister immer wieder den Eintänzer machen lassen, können Sie sich aus Ihrer Führungsfunktion nicht verabschieden. Sie sind verantwortlich für den Erfolg der Verwaltungsstrukturreform und nicht Herr Schröter. Ihre Staatskanzlei ist verantwortlich dafür, dass in diesem Land Politik aus einem Guss gemacht wird, und auch wenn Ihr Finanzminister für den Haushaltsentwurf verantwortlich zeichnet, für die Umsetzung der in diesem Zahlenwerk niedergelegten politischen Ziele ist die gesamte Landesregierung in der Verantwortung.
Anrede
Bei der Einbringung des Haushaltes hatte ich beklagt, dass er aufgrund vieler fehlender Positionen nur ein Torso sei. Inzwischen hat die Koalition hier einiges nachgearbeitet. Mit der Verabschiedung des Haushaltes kommt die Zeit die vom Landtag bewilligten Mittel auch sinnvoll einzusetzen. Spätestens jetzt ist es an der Zeit, dass Sie und ihre Staatskanzlei Ihrer Führungsfunktion auch gerecht werden. Ansonsten müssen wir demnächst die ganze Regierungspolitik als Torso, einem Körper ohne Haupt und Glieder bezeichnen. Und soweit sollten Sie es nicht kommen lassen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!