- Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede!
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Inzwischen dürfte es Allgemeingut geworden sein: Die Verankerung der Schuldenbremse auf Verfassungsebene war überfällig und sie ist ein Gewinn für uns alle.
Sie wertet die Bedeutung des Parlaments in der Haushaltspolitik des Landes auf, da nur mit der Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung eine Möglichkeit zur Überprüfung von Regierungs- und Parlamentsentscheidungen für die Abgeordneten vor dem Landesverfassungsgericht geschaffen werden konnte.
Sie verschafft Regierung und Landtag überhaupt erst den nötigen Freiraum, um in besonderen Notlagen und bei Konjunktureinbrüchen notwendig werdende Kredite aufzunehmen. Die verfassungsrechtliche Schuldenbremse ist im Gegensatz zur häufigen öffentlichen Wahrnehmung kein Neuverschuldungsverbot, das Kreditaufnahmen ausschließt: im Gegenteil, sie räumt in Verbindung mit ihrer morgen zur Beschlussfassung anstehenden Ausgestaltung in der Landeshaushaltsordnung dem Land Brandenburg Spielräume ein, Schulden aufzunehmen, die ohne diese Änderungen wegen der ansonsten verbindlichen strikten grundgesetzlichen Verschuldungsverbotes ab 2020 nicht mehr bestünden.
Spielräume erfordern aber auch klare Spielregeln. Die Landesregierung bekommt für Kreditaufnahmen sozusagen klare Spielregeln vorgegeben. Damit eine Landesregierung diese Spielregeln nicht mit ihrer parlamentarischen Mehrheit jederzeit ändern kann, wollen wir die Grundsätze in der Landesverfassung verankern.
Schulden können damit auch in Zukunft bei einer „von der Normallage abweichenden negativen konjunkturellen Entwicklung" und bei Naturkatastrophen oder anderen Krisen gemacht werden. Die früher verfassungsrechtlich vorgegebene Ausrichtung neuer Kredite an der Höhe der Investitionen entfällt. Soweit die Kreditaufnahme bei Katastrophen und Notlagen erfolgt, sind in jedem Einzelfall auch verbindliche Tilgungspläne vor zu legen.
Während das in der Landeshaushaltsordnung neu vorgeschriebene Verfahren zur Feststellung einer negativen konjunkturellen Entwicklung und einer möglichen Neuverschuldung auf bundeseinheitlich bestimmten Vorgaben basiert, muss die Entscheidung über den Eintritt einer Notlage in Brandenburg selbst getroffen werden. Die hierfür vorgeschlagene Abstimmung im Landtag mit nur einer einfachen Mehrheit entspricht dem üblichen Abstimmungsverfahren und stellt sicher, dass Regierung und Landtag flexibel und vor allem schnell handeln können.
Die Gefahr, dass trotz Beschlussfassung im Parlament auch Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer solchen Kreditaufnahme entstehen können, ist natürlich nie auszuschließen. Für einen solchen Fall eröffnet der neu gefasste Verfassungsartikel den Weg vor das Landesverfassungsgericht.
Auch die Ausnahme des Landeswohnungsbauvermögens und des Sondervermögens Finanzierungsfonds Flughafen BER von der Schuldenbremse in der Landesverfassung halten wir für einen akzeptablen Kompromiss. Die Verschuldungsregeln für solche Sondervermögen werden weiterhin einfachgesetzlich in der Landeshaushaltsordnung oder in Spezialgesetzen geregelt. Die Landesverfassung kann so kurz und prägnant gehalten werden.
Auch wenn in der heutigen Diskussion wieder die Haushaltspolitiker der Fraktionen sprechen und primär die Ausgestaltung der Schuldenbremse angesprochen wird, sollte nicht übersehen werden, dass in den Ausschussberatungen auch für andere Verfassungsartikel Änderungsanträge eingebracht wurden und hier zur Beschlussfassung vorliegen.
Neben Verbesserungen in der Volksgesetzgebung und schon länger vorbereitete Präzisierungen beim Recht der Untersuchungsausschüsse, ist dies insbesondere eine Neubestimmung der Aufgaben des Landtages.
Hieß es bisher kurz und bündig in Artikel 55:
(1) Der Landtag ist die gewählte Vertretung des Volkes.
Soll es in Zukunft lauten:
„(1) Der Landtag ist die gewählte Vertretung des Volkes und Stätte der politischen Willensbildung. Er beschließt Gesetze und den Landeshaushalt, kontrolliert die voll-ziehende Gewalt, behandelt öffentliche Angelegenheiten, wirkt in bundes- und europapolitischen Fragen an der Willensbildung des Landes mit und erfüllt andere, ihm nach dieser Verfassung zustehenden Aufgaben.“
Aus der Begründung:
Mit den vorgeschlagenen Änderungen wird der Landtag erstmals als „Stätte der politischen Willensbildung im Land Brandenburg" in der Landesverfassung verankert, Diese Standortbestimmung ist insbesondere auch vor dem Hintergrund sinnvoll und notwendig, dass im Land zahlreiche Organe, Parteien, politische Vereinigungen und auch Gruppen von Bürgerinnen und Bürgern an der politischen Willensbildung beteiligt sind. Unter ihnen sind auch die Fraktionen des Landtages, die als selbstständige und unabhängige Gliederungen an der Arbeit des Landesparlaments mitwirken.
Artikel 55 Absatz 1 soll zudem künftig — in Untersetzung der eben genannten Bestimmung als Stätte der politischen Willensbildung im Land Brandenburg — auch die wichtigsten Aufgaben des Landtages benennen: Gesetzgebung, Beschlussfassung zum Haushalt und Kontrolle der vollziehenden Gewalt. Darüber hinaus wird darauf verwiesen, dass der Landtag in (anderen) öffentlichen Angelegenheiten berät und entscheidet sowie an der Willensbildung in bundes- und europapolitischen Fragen mitwirkt. Als Abrundung erfolgt der Hinweis: Die Verfassung ordnet dem Landtag in anderen Bestimmungen weitere Kompetenzen zu.
Die umfassende Beschreibung der Aufgaben des Landtages in Artikel ist auch wichtig, weil sich davon nicht nur die die Aufgaben seiner Gremien ableiten. Auch die Breite der Aufgaben von Fraktionen, die — nach der Verfassung (Artikel 67) „mit eigenen Rechten und Pflichten als selbständige und unabhängige Gliederungen an der Arbeit des Landtages [...], (mitwirken) und [...] die parlamentarische Willensbildung" unterstützen, ergibt sich unmittelbar aus den Aufgaben des Landtages.
Wer glaubt, dass hier nur Selbstverständlichkeiten zusammengefasst und wiederholt werden, täuscht sich. Gerade die Mitwirkung an der Willensbildung des Landes in „bundes- und europapolitischen Fragen“, stellt zwar die gängige Praxis in Brandenburg dar, ist aber in vielen Ländern ein umkämpftes Thema.
So gab und gibt es womöglich auch heute noch Bundesländer, in denen Anträge der Opposition zu Bundesratsinitiativen überhaupt nicht erst auf die Tagesordnung gesetzt wurden, da der Bundesrat formal korrekt eine Vertretung der Landesregierungen und nicht der Länderparlamente ist.
Diese Argumentation ist natürlich absurd, wenn man berücksichtigt, dass die Landesgesetzgebung heutzutage vielfach die Umsetzung von Bundesgesetzen und EU-Richtlinien beinhaltet, denen zuvor eine Beschlussfassung im Bundesrat vorhergegangen ist.
So diskutieren wir heute ganz selbstverständlich z.B. über die Grundsteuerreform, die zwar formal ein vom Bundestag zu verabschiedendes Bundesgesetz darstellt, aber gravierende Auswirkungen auf die Länder und ihre Kommunen hat. Solche Selbstverständlichkeiten in der Verfassung dauerhaft zu verankern und die Rechte der Opposition gegenüber einer möglichen restriktiveren Auffassung späterer Parlamentsmehrheiten zu schützen, auch dazu dient die hier zur Beschlussfassung vorgelegte Verfassungsänderung.
Ich bitte um breite Zustimmung.