Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Landtag ist ja bekanntlich gerade dabei, vollständig auf papierlose Dokumentenbearbeitung umzustellen. Insofern wirkt die Haushaltsrechnung des Haushaltsjahres 2014, für die wir heute die Entlastung erteilen sollen, wie ein Fossil aus uralten Zeiten.
Inwieweit diese dicken blauen Bücher in Zukunft mit zunehmendem lT-Einsatz aus unseren Regalen verschwinden werden, weiß ich nicht. Aber ich gehe einmal davon aus - und ich glaube, da verrate ich nicht zu viel -‚ dass die meisten Abgeordneten weder in der Vergangenheit diese Bücher akribisch durchstudiert haben noch - ob nun analog oder digital - in Zukunft akribisch studieren werden. Denn die allermeisten von uns werden sich darauf verlassen - ich denke, sie können sich auch darauf verlassen -‚ dass der Landesrechnungshof die Rechnungslegung der Landesregierung genauestens überprüft und der Haushaltskontrollausschuss des Landtags seinen Kontrollpflichten ordnungsgemäß nachkommt. Die allgemeinen Danksagungen, denen ich mich anschließe, sind alle schon gefallen.
Nun wissen wir ja alle - viele Ostdeutsche wissen es ja ganz besonders -‚ dass in blauen Büchern nicht unbedingt immer die absolute Wahrheit verzeichnet sein muss. In der Tat, wichtiger als ein individuelles Studium der blauen Werke ist der Blick in den Jahresbericht des Landesrechnungshofs. Denn der Landesrechnungshof blickt hinter die Zahlen. Er erkennt mit seinen erweiterten Prüfungsmöglichkeiten, die uns als Abgeordneten überhaupt nicht zur Verfügung stehen, Entwicklungstendenzen und sich anbahnende Probleme, auf die wir auch bei einem noch so intensiven Blick in die blauen Folianten nie kommen würden. Er erarbeitet Empfehlungen an den Landtag und die Landesregierung, mit denen wir uns intensiv auseinandersetzen sollten. Für den Landtag hat diese Aufgabe der Haushaltskontrollausschuss übertragen bekommen. Deswegen beschließen wir heute auch - neben den alljährlichen Entlastungen - über die Beschlussempfehlungen dieses Haushaltskontrollausschusses.
Bemerkenswert an dem Jahresbericht 2016 ist, dass die modernen Kapitalanlage-und Verschuldungsstrategien inzwischen sogar die hohe Fachkompetenz des Landesrechnungshofs überfordern und sich der Landesrechnungshof zusätzliches Expertenwissen für die Analyse der Derivate, der Finanztermingeschäfte des Finanzministeriums hinzugekauft hatte. Denn waren Derivate als Instrumente in den Zeiten vor Finanzminister Speer noch weitestgehend unbekannt für die Kapitalbeschaffung für den öffentlichen Bereich, entdeckte das Finanzministerium ab 2005 den Swap- und auch den Optionenmarkt zunehmend als finanzpolitische Spielwiese.
So standen Ende 2014 einer Verschuldung des Landes am Kapitalmarkt von rund 16 Milliarden Euro 179 Derivatverträge über 13,5 Milliarden Euro mit vertraglich vereinbarten Laufzeiten bis 2060 gegenüber. Unter diesen waren 42 sogenannte Swaptions mit einem Volumen von 5 Milliarden Euro. Der Landesrechnungshof hat mit seinem Gutachter den überwiegenden Teil dieser Swaptions als Spekulationsgeschäfte klassifiziert. Noch schlimmer ist, dass bei 40 Swaptions auch keine Absicherungen gegen steigende Zinssätze gemacht werden können. Es ist deswegen auch logisch, dass der Haushaltskontrollausschuss - wie zuvor schon der Landesrechnungshof - der Landesregierung dringend empfiehlt, solche Geschäfte nicht mehr abzuschließen. Die Landesregierung bzw. der Finanzminister hat das ja auch schon zugesagt.
Allerdings mit einem Blick in die blauen Bände wäre das flicht zu erkennen gewesen, da hier nämlich Einnahmen und Ausgaben saldie wurden sodass diese im Jahresabschluss überhaupt nicht erkennbar waren. Auch mit dieser Praxis wird aufgrund der Prüfung des Landesrechnungshofs jetzt Schluss gemacht werden. Aber wir sollten uns nicht täuschen: Auch wenn die schlimmsten Auswüchse des staatlichen Spe-kulationsgeschäftes damit beendet werden, die in der Vergangenheit eingegangen Risiken bleiben bestehen und können dem Haushalt auch noch langfristig einen bösen Schlag versetzen.
Aus der Haushaltsrechnung des Landes ist übrigens auch - das wurde angesprochen - der Werteverzehr des Landesvermögens nicht zu erkennen - ein grundlegendes Problem der Kameralistik. So können wir den Erhaltungsrückstau - egal, ob bei Hochwasserschutzanlagen, Landesimmobilien, Landesstraßen oder jetzt neuerdings bei Radwegen – nicht erkennen.
(Beifall B90/GRÜNE)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ewiger Wiedergänger ist auch die Forderung nach Verankerung der Schuldenbremse im Landesrecht. Aus dem Bericht ist erkennbar - das ist neu -‚ dass nur mit einer Verankerung in der Landesverfassung auch die Möglichkeit zu einer Normenkontrollklage durch die Mitglieder des Landtags gegeben ist. Es gab die Zusage - insbesondere seitens Herrn Schmidt -‚ dass es noch in dieser Legislaturperiode zu einer Regelung kommen soll. Wir appellieren deshalb an die Koalition, diese Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung zügig anzugehen. An der Diskussion für eine erforderliche Verfassungsänderung werden wir uns selbstverständlich gern und rege beteiligen. Ich empfehle daher Zustimmung zu den vorliegenden Empfehlungen von Landesrechnungshof und Haushaltskontrollausschuss.
Recht herzlichen Dank.
(Beifall B9OIGRÜNE, CDU und vereinzelt SPD)