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Axel Vogel spricht zum Antrag der AfD-Fraktion „Für eine angemessene Verzinsung von Steuernachzahlungen“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren,

es ist eine Premiere für mich heute für SPD, Linke und uns Bündnisgrüne eine gemeinsam entwickelte Position zu einem nicht ganz unkomplizierten Thema vortragen zu dürfen.

Die AfD begehrt mit dem vorliegenden Antrag den in § 238 AO bestimmten Zinssatz für Steuerschulden wie auch den Zinssatz für Erstattungen des Finanzamtes an Steuerpflichtige in Zukunft an den Basiszinssatz des § 247 BGB verbunden mit einem „sachgerechten“ Aufschlag zu koppeln. Eine Aussage über die Höhe des Aufschlages trifft die AfD im Gegensatz zur CDU nicht. Die CDU fordert hier in einem an den AfD-Antrag angehängten Entschließungsantrag einen festen Zinssatz von 3 Prozent.

Als Begründung führen die Antragsteller aus, dass der aktuelle geltende starre Zinssatz von 0,5 % pro Monat bzw. 6 % pro Jahr nicht realitätsnah sei. Die AfD verweist auf die aktuelle Niedrigzinsphase, die bewirkt hat, dass der Basiszinssatz inzwischen bei negativen 0,88 Prozent liegt. Eine Premiere, dass die AfD in einem Antrag sich positiv zu den Instrumentarien der Europäischen Zentralbank und der Zinsbestimmung in der Eurozone stellt.

Nun kann die Frage, ob es für die Berechnung von Verzugszinsen besser ist, einen vom Gesetzgeber bestimmten starren Zinssatz oder einen über die Jahre veränderlichen, an einen Index gebundenen Zinssatz zu verwenden sicherlich akademisch sauber diskutiert werden, notwendig ist dies aber nicht. Für den aktuell starren Zinssatz sprechen die Einfachheit des Berechnungsverfahrens und die Tatsache, dass dieses Verfahren durch Bundesverfassungsgericht und Bundesfinanzhof ausdrücklich bestätigt wurden. Jeder der dem Finanzamt Geld schuldet, weiß ohne umfassendes Expertenwissen welche Verzugszinsen (nämlich 0,5 Prozent pro Monat) auf ihn zukommen. Wer kennt dagegen den jeweils aktuellen Basiszinssatz und dessen Berechnungsverfahren?

Wer weiß denn schon, dass der dem Basiszinssatz zugrundeliegende Prozentsatz um 0,88 Prozentpunkte unter dem Zinssatz des jeweils letzten Hauptrefinanzierungsgeschäft der Europäischen Zentralbank vor dem 1. Januar oder 1. Juli eines Jahres liegt. Bei den Hauptrefinanzierungsgeschäften handelt es sich ein wöchentliches Offenmarktgeschäft der EZB mit einwöchiger Laufzeit, d. h. das Eurosystem stellt den Banken gegen Hinterlegung von Sicherheiten befristet Zentralbankgeld zur Verfügung. Da nicht davon auszugehen ist, dass dieser von der EZB angebotene Zinssatz unter die gegenwärtigen null Prozent geraten kann, ist mit den aktuellen -0,88 Prozent Basiszins auch der aktuelle Tiefpunkt erreicht, der nur noch nach oben gehen kann.

Viel interessanter für unsere Diskussion ist allerdings die Frage, ob der aktuelle Zinssatz von 6 Prozent heute noch sachgerecht ist. Im Jahre 2013 hatte der Bundesfinanzhof mit dem Urteil Aktenzeichen IX R 31/13 diese Frage für die Jahre 2004 bis 2011 eindeutig bejaht. Dabei lag der Basiszinssatz bereits seit 2009 um die Null Prozent. Nach der Urteilsbegründung des BFH wie auch des Bundesverfassungsgerichts von 2009 wird mit der Verzinsung kompensiert, dass der Steuerschuldner einen Vorteil aus der Summe zieht, die eigentlich dem Staat zusteht.

Die CDU argumentiert definitiv falsch, wenn sie in ihrem EA behauptet, dass diese Zinsen auf Steuernachzahlungen nur den Zinsvorteil des Steuerpflichtigen abschöpfen sollen, den diese durch die vorübergehende Anlage des geschuldeten Steuerbetrags erzielen können. Dieser Vorteil liegt aber insbesondere darin, dass der veranlagte Steuerpflichtige für den Zeitraum keinen Bankkredit aufnehmen muss um seine Steuerschuld zu begleichen.

Für die Beurteilung der Angemessenheit des Zinssatzes ist laut Bundesfinanzhof entscheidend die Frage, wie hoch die Effektivzinssätze für Konsumentenkredite und Dispos sind. Diese lagen für Konsumentenkredite zwischen 2004 und 2011 zwischen 5,32 Prozent und 7,14 Prozent, heute (April 2017) liegen sie nach der Statistik der Deutschen Bundesbank zum Vergleich in Durchschnitt bei 5,65 Prozent und bei neu verhandelten Krediten bei 6,9 Prozent, also praktisch in unveränderter Höhe. Von Dispokrediten, die beispielsweise aktuell bei der Mittelbrandenburgischen Sparkasse bei 10,92 Prozent und der Sparda-Bank Berlin bei 11,72 Prozent liegen ganz zu schweigen. An anderer Stelle kann sicher sehr intensiv darüber diskutiert werden, wie es kommt, dass die Banken, trotz historisch einmalig günstiger Refinanzierungsmöglichkeiten dennoch Zinsen für ausgereichte Kredite in dieser Höhe verlangen. Hingewiesen sei darauf, dass die Verzinsung einer Steuerschuld erst 15 Monate nach Ende des Kalenderjahres in dem die Steuer entstanden ist beginnt: Die Effektivverzinsung einer Steuerschuld liegt damit immer unter 6 Prozent. Hieraus wird erkennbar, dass es immer noch billiger ist Schulden beim Finanzamt als bei der Hausbank zu haben.

Zum Vergleich können auch die an den Basiszinssatz anknüpfenden gesetzlichen Verzugszinsen herangezogen werden. Diese liegen gemäß § 288 Abs. 1 BGB für Privatpersonen um 5 Prozentpunkte und für Unternehmer um 9 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, aktuell also bei 4,12 bzw. 8,12 Prozent. Sinn und Zweck von Verzugszinsen ist es ja, Zahlungsverzug immer teurer zu machen, als die korrekte Begleichung von Forderungen an Kosten verursachen würde. In diesem Sinne sollten wir auch alle ein Interesse daran haben, dass Steuern rechtzeitig bezahlt werden.

Die CDU liegt auch falsch, wenn sie eine Senkung des Zinssatzes als besonders arbeitnehmerfreundlich darstellt. Das Gegenteil ist der Fall: Ich zitiere aus dem Urteil des BVerfG vom 3.9.2009.

„Die Vollverzinsung soll damit auch der Gleichmäßigkeit der Besteuerung dienen. Insbesondere gleicht sie Unterschiede in der Steuererhebung aus, die zwischen Lohnsteuerzahlern und veranlagten (selbständigen) Einkommensteuerpflichtigen bestehen. Der Lohnsteuerpflichtige wird durch den Lohnsteuerabzug zeitnah, das heißt bereits im Zeitpunkt der Abführung der Lohnsteuer steuerlich belastet. Regelmäßig entstehende Überzahlungen werden erst im Veranlagungsverfahren ausgeglichen.Veranlagte Steuerpflichtige haben es hingegen in der Hand, Steuernachzahlungen hinauszuschieben, indem sie ihre Steuererklärung unter Ausnutzung von Fristverlängerungen spät abgeben und so eine entsprechend späte Festsetzung der Steuernachzahlung erreichen (vgl. Bericht über die Vollverzinsung BTDrucks 8/1410, S. 4).“

Kommen wir zu einem weiteren Punkt, nämlich dem gleich hohen Zinssatz von 6 Prozent, mit dem das Finanzamt zu Unrecht erhobene Steuerzahlungen zurückerstatten muss. Bislang wurde die Anwendung gleich hoher Zinssätze in der Rechtsetzung und Rechtsprechung als gerechter Ausgleich zwischen den Zinsvorteilen des Steuerpflichtigen und dem Zinsverlust des Steuergläubigers angesehen. Nun argumentiert die AfD wenig bürgerfreundlich, dass diese vom Staat gezahlten Zinsen zu hoch seien.

Aber in der Realität ist die Bezugnahme auf die niedrigen Kapitalmarktzinsen häufig irreführend. Im Regelfall handelt es sich bei zinspflichtigen Rückerstattungen an Steuerzahler nicht um LohnsteuerzahlerInnen, sondern um Rückerstattungen von veranlagter Einkommenssteuer, Umsatzsteuer und Gewinnsteuern, die zumeist von Unternehmen und Selbständigen entrichtet werden. Hier wäre dann korrekterweise auch nicht der entgangene Zinsverlust bei zwischenzeitlicher Anlage auf dem Sparbuch, sondern die entgangene Rendite bei ihrer Unternehmertätigkeit dem Vergleich zugrunde zu legen.

So liegt die Durchschnittswerte der Eigenkapitalrentabilität im Einzelhandel > 18%, Großhandel, > 35%, Handwerk, > 30% und Industrie > 25% laut Steuerberater-Webseite. Aber auch wenn wir nicht die Eigenkapital sondern die Investitionsrendite zugrunde legen, so liegt auch diese im Regelfall über 6 Prozent.

Nehmen wir den gerade heiß diskutierten Fall der Brennelementesteuer als Beispiel. Hier haben die Atomkonzerne Anspruch auf Rückerstattung von rund 6 Milliarden Euro zuzüglich 6 Prozent Zinsen. Alternativ hätten diese Konzerne beispielsweise in Erneuerbare Energien oder in den Netzausbau investieren können, hierfür wurde ihnen beispielsweise durch die Bundesnetzagentur für Investitionen in Neuanlagen bislang eine Rendite von 9,05 Prozent und ab 2019 von 6,91 Prozent garantiert.

Die CDU sollte sich daher intensiv überlegen, ob ihr Vorschlag einer Absenkung des Zinssatzes auf 3 Prozent tatsächlich sachgerecht ist. Mittelstandsfreundlich oder gar arbeitnehmerfreundlich wie von der CDU behauptet ist er gerade nicht. Am besten ziehen sie Ihren Antrag zurück. Ansonsten muss ich empfehlen sowohl den Antrag der AfD wie auch den Entschließungsantrag der CDU abzulehnen.