- Es gilt das gesprochene Wort! -
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!
“Seid realistisch, fordert das Unmögliche,” an diesen Sponti-Spruch fühlt man sich erinnert, wenn man den ambitionierten Titel des heutigen Antrages von Bündnis 90/Die Grünen und der CDU hört. Aber das scheinbar Unmögliche ist die Voraussetzung dafür, wenn wir die überbordenden Kosten für den vom Flughafen zunehmend zum Fluchhafen werdenden BER begrenzen wollen.
“Wissen ist Macht” ist ein alter Spruch der Sozialdemokratie und Macht benötigt Gegenmacht, benötigt ein System von Checks and Balances um im Zaum gehalten zu werden.
Herrschaftswissen ohne geeignete Kontrollmechanismen und vor allem die gezielte Zurückhaltung von Herrschaftswissen schafft dagegen Ohnmacht. Ohnmacht die im Fall der aktuellen Informationspolitik von Flughafengesellschaft und Landesregierung zwar zu allererst uns Abgeordnete trifft, in der weiteren Konsequenz aber zu Lasten des gesamten Landes geht.
Als Abgeordnete sind wir - wie auch der Aufsichtsrat - angewiesen auf voll umfängliche und verständliche Informationen.
Gerade weil wir zumeist keine Baufachleute sind, weil touristische Führungen über den BER uns nicht wirklich helfen, müssen wir vollen Einblick in Gutachten und deren Bewertungen durch die FBB erhalten. Gerade weil die Probleme mit dem Brandschutz so detailliert sind, dass, um die Worte von Herrn Holzschuher aufzugreifen, “nicht einmal der Technikchef es im Einzelnen nachvollziehen könne”, dürfen wir nicht mit sybillinischen Äußerungen abgespeist werden.
Und Herrn Amann sei ins Stammbuch geschrieben: Sie haben einen ganz großen Vertrauensvorschuss auch von uns erhalten. Setzen Sie ihn nicht damit aufs Spiel, dass sie nahtlos an die Vernebelungspolitik ihres Vorgängers anknüpfen.
Wir müssen als Abgeordnete den Anspruch auf frühzeitige Information erheben, wenn wir unseren Kontrollpflichten nachkommen wollen.
Wir müssen nicht wissen, wenn der sprichwörtliche Sack Reis umfällt, aber nach den Erfahrungen der letzten zwei Jahre müssen wir es aus erster Hand erfahren, wenn erste Anzeichen für weitere Kostensteigerungen oder eine erneute Terminverschiebung bestehen. Wir müssen darüber informiert werden, wie FBB und Landesregierung mit derartigen Hinweisen umgehen und wie ernst diese zu nehmen sind. Gerade vor der Erfahrung der letzten beiden Jahre, in denen die Regierungschefs von Berlin und Brandenburg durch den Geschäftsführer Prof. Schwarz mit kurzfristigen Ankündigungen von Terminverschiebungen zweimal wie dumme Jungen bloßgestellt wurden, muss es doch auch im Interesse beider Landesregierungen liegen ein solches Ereignis nie mehr vorkommen zu lassen.
Wer meint, mit der Ablösung des Bauvorstandes Körtgen sei von den Aufsichtsratsvorsitzenden Wowereit und Platzeck genügend politische Verantwortung gezeigt worden und die Sache mehr oder weniger erledigt, irrt. Das wäre auch schon ein seltsames Verständnis von politischer Verantwortungsübernahme: das schwächste Glied in der Kette abzutrennen, aber mit der unzureichenden Informationspolitik fortfahren zu können.
So ist über die Kostensteigerungen des BER hier schon des öfteren breit diskutiert worden. Wir haben aber bis heute keine Antwort darauf erhalten, wie sich Management und Aufsichtsrat eigentlich vorgestellt haben, Jahr für Jahr rund 100 Mio € zusätzliche Ausgaben für das Terminal beschließen zu können bis am Ende Mehrausgaben von 600 Mio € allein für das Terminal aufgelaufen waren, ohne sich erkennbar Gedanken zu machen, wo das dafür notwendige Geld eigentlich herkommen soll.
Die Rechnung ist jetzt präsentiert und der Landtag soll 444 Mio € rausrücken, wenn er nicht das Fälligwerden von 888 Millionen Bürgschaftsgarantien riskieren will.
Immer wieder tauchen neue Schreiben und Gutachten in den Medien auf, die belegen, dass zumindest der Geschäftsführer Prof. Schwarz frühzeitig Kenntnis von einer Gefährdung der Inbetriebnahme zum 3.Juni 2012 hatte. Aber egal ob das PWC-Schreiben vom 6. März 2012 mit dem gleichnamigen Titel “Gefährdung der Inbetriebnahme”, das Schreiben der ORAT-Projektleitung vom 14.3.2012, das auf die Nichterfüllung der Probebetriebsanforderungen und eine sehr risikoreiche Inbetriebnahme am 3.6. verwies, oder der McKinsey-Bericht vom 16.3. mit der Aussage “Der Erfolg der Inbetriebnahme am 3.6. ist auch in der neuen Struktur nicht sicherzustellen”, nichts gibt die Landesregierung von sich aus an uns Abgeordnete weiter, teilweise sicher auch, weil ihr die Informationen und Schriftstücke von der FBB-Geschäftsführung vorenthalten werden. Und wenn im Einzelfall großzügig Einsichtnahme gewährt wird, dann soll jede öffentliche Diskussion mit dem Hinweis auf Geschäftsgeheimnisse unterbunden werden. Brisante Informationen sind alleine den Medien zu entnehmen, während FBB und Aufsichtsrat im Nachhinein wortreich zu erklären versuchen, warum diese Fakten nicht schon früher auf den Tisch kamen.
Wenn der Flughafen zum Fluchhafen geworden ist, dann auch deshalb weil die privatrechtliche Struktur der FBB wie ein Bannfluch über den Informationsbegehren von uns Abgeordneten liegt.
Und über allem thront als Lordsiegelbewahrer des Schweigegelübdes der Geschäftsführer Prof. Schwarz, der nicht nur genau weiß, was Minister und Abgeordnete nicht zu Gesicht bekommen dürfen, viel wortreicher aber noch erklären kann, warum er etwas nicht wissen konnte oder nicht weitergeben musste. Wenn man ihn, sekundiert von unserem Ministerpräsidenten hört, dann versteht man gar nicht, warum der Mann 317.500 € p.a. Grundgehalt und damit rund 65.000 € mehr als der frühere Bauchef Körtgen erhält, wenn die Verantwortung immer nur die anderen tragen.
Besonders übel wird der Besitz von Herrschaftswissen allerdings dann, wenn man das Gefühl bekommen muss, in den Medien verspottet zu werden, so wie es Prof. Schwarz in einem Interview in der FAZ vom 25.10.2012 mit dem bezeichnenden Titel “Ich bin nicht der Typ, der wegläuft”gegenüber dem Eigentümer Bund zum besten gibt.
Da zieht er über ein angebliches Unwissen der Soko BER des Bundesverkehrsministers her, da diese ein McKinsey Schreiben von Mitte April 2012 nicht kannte und dieses erst am 22.10. bei ihm eingesehen hätte. Zitiert wird aus den Schreiben nur, und das ist souveräner Umgang mit Herrschaftswissen (man könnte es auch Missbrauch nennen), was ihm in den Kram passt. Einblick in die vollen Schreiben gewährt er jedoch nicht.
Was Schwarz verschweigt ist seine Weigerung, der Soko BER die Schreiben herauszugeben, was er verschweigt ist, dass er diese auf Akteneinsichtnahme verwies, dass er dann aber nicht bereit war den Vertreter des Bundesverkehrsministers Kopien anfertigen zu lassen. Kein Wunder also, dass der Bund die Ablösung von Schwarz fordert, kein Wunder, dass der Haushaltsausschuss des Bundestages die Mittel für den Flughafen solange sperrt, bis Prof. Schwarz seinen Platz räumt und der Aufsichtsrat neu besetzt wird.
Wer das Faz-Interview aufmerksam liest, wird den Eindruck nicht los, dass sich hier einer wichtiger und mächtiger fühlt als sein Gesellschafter Bundesrepublik Deutschland. Dass ihm nach diesem Interview von seinen Aufsichtsratsvorsitzenden nicht öffentlich in die Parade gefahren wurde, macht erneut deutlich, dass das System von Checks und Balances bei der Flughafengesellschaft und ihren Gesellschaften nicht greift, dass der Aufsichtsrat als Kontroll- und Machtbegrenzungsgremium gegenüber der Geschäftsführung ein Vollausfall ist. Ob Herrschaftswissen für diese Nibelungentreue des Aufsichtsrates gegenüber seinem Geschäftsführer verantwortlich ist, darüber wagen wir hier nicht zu spekulieren, wir wollen es nicht hoffen.
Aber das Beispiel zeigt, das mit dem Aufsichtsrat in dieser Besetzung kein Staat zu machen ist.
Um den Aufsichtsrat in ein Gremium zu verwandeln, das seinen Aufsichts- und Kontrollpflichten auch genügt, muss der Aufsichtsrat neu besetzt werden.
Vor dem geschilderten Hintergrund ist alles, was nach dem 07. November 2012 an neuen Erkenntnissen zu Brandschutz bekannt geworden ist, nur noch ein zusätzlicher Mosaikstein im Bild versagender Kontrollmechanismen.
Inwieweit Verstöße gegen die Bauordnung das Terminal als Schwarzbau klassifizieren, ob Rückbauten nötig sind, ob mit den Verstößen gegen die Brandschutzvorschriften mögliche Brandkatastrophen implizit in Kauf genommen wurden, ob der 27.10. 2013 als Eröffnungstermin nicht ausgeschlossen wird oder in wenigen Wochen die Flughafeneröffnung ein weiteres Mal verschoben werden muss, das provoziert bei den meisten Menschen im Lande doch nur noch ein Achselzucken. Rund zwei Drittel der Brandenburger glauben, dass der Eröffnungstermin 27.10.2013 nicht zu halten ist und trotzdem sind 67 % der Brandenburger mit dem MP zufrieden. Nach Adam Riese schenkt daher mindestens ein Drittel der Brandenburger den Worten des MP zum Flughafen keinen Glauben, findet ihn aber trotzdem gut. Wer auf seiner solchen Welle der Zustimmung schwebt, sieht natürlich wenig Anlass in seiner Flughafenpolitik irgendetwas zu ändern.
Das mag die Regierung fatalerweise beruhigen und der Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen mit dem dieser Aufsichtsrat uneingeschränkt Unterstützung signalisiert wird setzt diesen Irrweg fort. Als Volksvertreter können wir diese Vorgänge aber nicht achselzuckend auf sich beruhen lassen. Denn wenn wir das täten, dann wären tatsächlich alle Sicherungen in diesem Lande durchgebrannt.