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Axel Vogel spricht während der dritten Lesung zur Feststellung des Haushaltsplanes des Landes Brandenburg für 2013/2014

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Abschluss unserer Haushaltsberatungen findet zu einem Zeitpunkt statt, an dem die Verhandlungen zum Schutz des weltweiten Klimas in Doha als gescheitert gewertet werden müssen.

Industrienationen und die ihnen nacheifernden Schwellenländer waren zu keinerlei Zugeständnissen bereit, die ihre Art zu wirtschaften in irgendeiner Art gefährden könnten. Lieber nimmt man die Folgen eines sich beschleunigenden Klimawandels von Dürren bis Überschwemmungen in Kauf.

Solidarität ist die Sache der meisten Nationen nicht. Dieses Mal aber hat nicht einmal das eigene Interesse an einer Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 2 Grad Celsius gereicht, um über den eigenen Schatten zu springen.

Das Bestehen unseres Nachbarlandes Polen auf vermeintlichen Verschmutzungsrechten findet dabei sein Vorbild in dem seit Jahren andauernden rücksichtslosen Einsatz unserer Landesregierung für eine möglichst schnelle Verstromung der Lausitzer Braunkohlevorräte. Doch das Motto „Nach uns die Sintflut!“, das Ausblenden langfristiger Folgen gegenwärtigen Handelns, Selbsttäuschung als Prinzip findet man nicht nur in der Energie- und Klimapolitik, und damit sind wir mittendrin im heutigen Thema, in der Diskussion des Doppelhaushalts 2013/2014.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer Geld verteilen will, der sollte erst einmal über Einnahmen verfügen. Diese einfache Wahrheit ist in den meisten Staatshaushalten außer Kraft gesetzt, und 21 Jahre nach seiner Gründung unterscheidet sich Brandenburg da wenig von den anderen Bundesländern. Inzwischen beträgt die Verschuldung unseres Landes am Kapitalmarkt rund 18 Milliarden Euro. Hinzu kommen rund 20 Milliarden Euro Pensionsverpflichtungen und rund 8,7 Milliarden Euro Verschuldung der Kommunen.

Den Druck, von diesen Schulden wieder herunterzukommen, verspürt hier niemand angesichts einer historisch einmalig niedrigen Umlaufrendite von 1,1 %. Außerhalb der Vorstellung, dass Schulden auch einmal zurückgezahlt werden müssen, liegen aber offenkundig auch die Folgen eines massiven Anstiegs der Zinssätze, der jederzeit möglich ist. Da allein in Brandenburg jährlich zwischen 3 und 4 Milliarden Euro Altschulden in neue Schuldtitel umgetauscht werden müssen, kann eine Zinserhöhung sehr schnell gravierende Folgen für den Landeshaushalt haben. Wir Grüne denken, dass nachhaltige Haushaltspolitik bereits an dieser Stelle einsetzen muss. Wer generationengerechte Politik betreibt, wer sich und seine Nachkommen nicht den Finanzmärkten ausliefern will, muss dafür sorgen, dass die vom Staat innerhalb eines bestimmten Zeitraums zur Verfügung gestellten Leistungen auch innerhalb dieses Zeitraums durch Einnahmen finanziert werden.

(Beifall GRÜNE/B90)

Deshalb treten wir Bündnisgrünen auch für einen ausgeglichenen Haushalt ein. Es ist nicht hinzunehmen, dass der Finanzminister sich in den letzten Jahren aus eingesparten Kreditzinsen ein Polster von 372 Millionen Euro aufgebaut hat und 2013 dennoch 330 Millionen Euro neue Schulden aufnehmen will.

(Frau Wehlan [DIE LINKE]: Fürs Land!)

Auch wir Grünen müssen zur Kenntnis nehmen, dass der Flughafen ein großes Loch in den Haushalt reißt, dass hierfür Mittel aus der Rücklage in Anspruch genommen werden müssen. Dennoch wäre es möglich gewesen, die Nettokreditaufnahme auf 60 Millionen Euro zu begrenzen.

(Görke [DIE LINKE]: Das müssen Sie auch kreditieren!)

Allerdings wurden all unsere Anträge bereits gestern abgelehnt. Wir denken, das ist ein großer Fehler, denn wer sich nur die bereinigten Einnahmen und Ausgaben ansieht, täuscht sich leicht über die wirkliche Finanzsituation des Landes hinweg. Der Finanzminister erreicht seinen ausgeglichenen Haushalt im Jahr 2014 nur durch die Solidarpaktmittel des Bundes und den Länderfinanzausgleich. Völlig zu Recht weist der Landesrechnungshof darauf hin, dass wir unverändert ein strukturelles Defizit von 1 Milliarde Euro haben, das bis spätestens 2019, den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Schuldenbremse, abgebaut sein muss. Und allein ein ausgeglichener Haushalt im Jahr 2014 reicht eben nicht zur Erfüllung der Bedingungen der Schuldenbremse.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wer die jetzt in den Haushalt eingearbeiteten Zahlen der Herbststeuerschätzung betrachtet, der sieht, dass die Einnahmen und damit die Steuerkraft der Geberländer des Länderfinanzausgleichs weitaus schneller wachsen als hier in Brandenburg, und das bedeutet: Wir werden immer weiter abhängig von anderen Bundesländern. Die aktuellen Zahlen aus der Novembersteuerschätzung weisen zudem allen Beschwörungen von Herrn Holzschuher zum Trotz darauf hin, dass es mit dem Aufschwung in Brandenburg trotz verbesserter Platzierung in irgendwelchen Dynamik-Rankings nicht weit her ist.

Auch wenn die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Brandenburg 2011 um 1,5 % gewachsen ist, so liegen wir damit hinter dem ostdeutschen Zuwachs von 1,8 %, und unverändert haben wir weniger sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze als noch im Jahr 2006. Die Abnahme der Arbeitslosenquote verdankt sich damit in erster Linie dem demografischen Wandel, dem zunehmenden Ausscheiden geburtenstarker Jahrgänge aus dem Erwerbsleben, während gleichzeitig die durch den Wendeknick dezimierten Jahrgänge junger Menschen
ins Erwerbsleben nachrücken.

Dieser Effekt wird noch verstärkt von der Abwanderung junger Menschen nach dem Schulabschluss. Unser Glück ist nur, dass wir unverändert Zuzug aus Berlin haben, zumeist von Menschen mit einem guten Einkommen, die ihren Arbeitsplatz mitbringen, die nach Berlin einpendeln. Nur dadurch ist es zu erklären, dass das Durchschnittseinkommen der Brandenburger bei rund 70 % des Einkommens der Westdeutschen und damit leicht über dem ostdeutschen Durchschnittseinkommen liegt.

Auf das gesamte Land bezogen verheißt das allerdings nichts Gutes. Während wir hier über Mindestlöhne von 8 Euro oder 8,50 Euro in der Stunde diskutieren, werden weithin Löhne von über 15 Euro, die zu einer späteren Rente über dem Grundsicherungsniveau führen könnten, nicht mehr erreicht. Mit anderen Worten: Flächendeckend ist bei uns Altersarmut vorprogrammiert, und damit verbunden werden wir nach 2020 auch gravierende Einnahmeausfälle des Staates zu verzeichnen haben.

Hier rächt es sich, dass über Jahre hinweg so ziemlich jede Ansiedlung gefördert wurde, ohne dass soziale Kriterien wie Tariftreue oder Mindestlöhne zugrunde gelegt wurden. Im Ergebnis blicken wir auf eine Vielzahl von Sumpfblüten im Niedriglohnbereich - seien es Call-Center, Zeitarbeitsfirmen oder Arbeitsplätze im Reinigungs- oder Sicherheitsgewerbe, Firmen, die sich sofort aus dem Staub machen, wenn anderswo die Voraussetzungen für Lohndrückerei bei gleichzeitiger Ausreichung von Fördermitteln für eine Erhöhung der Gewinnmarge besser sind.

Hier müssen wir nicht nur, hier können wir auch umsteuern, denn aufgrund der immer noch hervorragenden Ausstattung des Landes mit Milliardenbeträgen aus EU-Strukturfonds leiden wir nicht an Geldmangel. Und auch der mit über 10 Milliarden Euro ausgestattete Doppelhaushalt 2013/2014 verfügt über ausreichende Mittel, um die seit Jahren beklagten Notlagen im Bildungs- und Hochschulbereich zumindest abzumildern.

Aufgrund der historisch bedingten spezifischen Ausstattung der einzelnen Ressorts mit Personal- und Sachmitteln
gelingt es einem allein moderierenden Ministerpräsidenten aber nicht, die Mittel dorthin zu lenken, wo sie am dringendsten benötigt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das grundlegende Manko dieser rot-roten Landesregierung ist, dass sie nach einigen überschaubaren Prestigeprojekten, wie der Einführung des Schüler-BAföG, angesichts der gescheiterten Etablierung eines zweiten Arbeitsmarktes und dem bis heute nur unzureichend umgesetzten Vergabegesetz keine Visionen für das Land entwickelt hat. Da hat Herr Dombrowski völlig Recht.

(Beifall GRÜNE/B90 und vereinzelt CDU)

In der Brandenburger Landespolitik herrscht, wie die gerade von Rot-Rot hochgelobten Gutachter für die Enquetekommission Lorenz, Anter und Reutter es wissenschaftlich feinsinnig formulieren, eine Politik des Inkrementalismus, des vorsichtigen Reformierens - oder weniger fein ausgedrückt: eine Politik des Muddling through, des Durchwurstelns, von Versuch und Irrtum.

(Frau Melior [SPD]: Das Ergebnis haben die Gutachter auch gelobt!)

Gefordert wäre aber eine konzeptorientierte Politik, eine Politik, die ambitionierte Ziele setzt und diese auch umsetzt auf allen Ebenen, in allen Politikbereichen, mit allen Instrumenten.

(Zurufe von der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Eine solche Politik birgt in sich natürlich genauso wie die Status-quo-Verteidigung das Risiko des Scheiterns, aber sie wäre in der Lage, Zukunftsperspektiven nicht nur zu benennen, sondern auch die Bevölkerung zu begeistern, so wie es die Gründung des Landes Brandenburg in den ersten Legislaturperioden war. Aber diese Gründungsperiode ist lange abgeschlossen, und wir müssen uns neue Ziele setzen. Das gilt nicht allein für die Empfehlung der Gutachter, Brandenburg und Berlin zum aktiven Vorreiter zukünftiger Länderfusionen zu machen.

Selbstbewusstsein können wir dabei ruhig an den Tag legen, denn Berlin ist ohne sein Umland nur die Hälfte wert. Und nebenbei: Berlin ist unverändert die größte Stadt in der Mitte von Brandenburg. Berlin-Brandenburg - eine aufstrebende Metropole mit einem faszinierenden Umland und nicht zwei Loser, die sich aneinander klammern. Das wäre in der Tat eine neue Entwicklungsperspektive.

(Beifall GRÜNE/B90 - Frau Melior [SPD]: Für wen?)

Berlin-Brandenburg, das wäre eine Boomregion in Europa, das wäre das Bild eines Landes der Kultur und Natur, ein Land, das gleichermaßen stolz auf seine Wölfe wie auf seine Theaterszene ist.

(Beifall GRÜNE/B90 - Lachen bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Ein Land, das mehr verbindet als eine verfärbte Spree und ein defizitärer Flughafen. Ein solch großes Ziel könnte auch die Entwicklung Brandenburgs zum Vorreiterland der ökologischsozialen Wende in Deutschland werden. Die Voraussetzungen sind günstig, weil erste Erfolge, insbesondere in der Energiepolitik, schon auf allen Ebenen zu finden sind,

(Ness [SPD]: Er ist stolz auf sein Braunkohlekraftwerk!)

von Landkreisen bis zu energieautarken Dörfern. Und ja, wir haben auch zum dritten Mal in Folge den Leitstern für den Ausbau erneuerbarer Energien,

(Frau Melior [SPD]: Na wenigstens haben Sie das mitbekommen!)

einen Leitstern, der allerdings nur die Hälfte der Energiewende, nämlich die Fortschritte beim Ausbau der erneuerbaren Energien, widerspiegelt,

(Unmut bei der SPD - Bischoff [SPD]: Freut euch doch!)

die andere Seite der Medaille, den schrittweisen Ausstieg aus der Braunkohle, jedoch ausblendet.

(Beifall GRÜNE/B90)

Ökologisch-soziale Wende in einem Flächenland, das bedeutet aber mehr als Energiewende und ressourcenschonende Produktionsverfahren - weg vom zentralistischen Förderansatz der regionalen Wachstumskerne, Einstieg in die Ermutigung von Raumpionieren, neue Konzepte der Daseinsvorsorge im ländlichen Raum und neue Gemeindestrukturen mit mehr Bürgerbeteiligung, ein Land, das Provinz nicht als Rückzugsraum für Provinzialität versteht, sondern als spannendes Zukunftslabor mit Ausstrahlung.

Ein genauso großes Ziel könnte die Entwicklung eines Bildungslandes Brandenburg sein, eines Landes, das sich - von ganz hinten kommend - nicht mehr mit anderen Ländern beim Halten der roten Laterne abwechselt, sondern sich an die Spitze vorarbeitet,

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

eines Landes, das weder bei der Qualität der Kitas noch bei der Inklusion Nachholbedarf hat, sondern zur Pilgerstätte für Bildungspolitiker aus aller Welt wird. Wir fahren nicht mehr nach Finnland, sondern die Finnen kommen zu uns. Das wäre doch mal etwas ganz anderes.

(Frau Melior [SPD]: Machen wir schon!)

Mit solchen Zielsetzungen könnten wir Begeisterung auslösen und Menschen aus aller Welt als Neubürgerinnen und -bürger gewinnen, Menschen, die wir dringend brauchen, um die sich rapide entleerenden Räume wieder zu bevölkern.

(Bischoff [SPD]: Super Idee!)

Aber wo steht die Landesregierung, was ist ihr Leitbild? Nähere Ausführungen zur Länderfusion kann ich mir wohl sparen.

(Zurufe von der SPD und der Fraktion DIE LINKE: Ja!)

Wenn Matthias Platzeck heutzutage vor einer Schulklasse zum Thema Berlin-Brandenburg referiert, können Sie sicher sein, dass hinterher fast alle Schüler gegen die Fusion stimmen.

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU - Zurufe von der SPD)

So geschehen in einer Angermünder Schulklasse hier im Landtag.

(Görke [DIE LINKE]: Wir beschließen es einfach - wie Sie?)

Betrachten wir stattdessen exemplarisch die Reaktion der Koalition auf das erfolgreiche Volksbegehren für ein Nachtflugverbot am Flughafen! Etwas Respekt für das demokratische Engagement der Initiatoren, gefolgt von der klaren Ansage - wir haben es heute wieder gehört -, dass ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr aus Wettbewerbsgesichtspunkten nicht in Betracht kommt, schließlich könnte uns Rostock ja Konkurrenz machen.

Kurzum: Ein Nachtflugbetrieb am künftigen Flughafen BER sei aus wirtschaftlichen Gründen unabdingbar; Herr Görke hat es heute wieder gesagt.

(Görke [DIE LINKE]: Das habe ich nie gesagt!)

Wenn Nachtflugverbot, dann deutschlandweit! - Das war Frau Wehlan. Oder europaweit - das war Herr Ludwig. Vielleicht einigen Sie sich da einmal.

(Görke [DIE LINKE]: Wer denn nun, Herr Ludwig oder Herr Görke?)

Die bei der Diskussion um das Nachtflugverbot bei SPD und Linken erneut durchscheinende Grundüberzeugung ist, dass die Menschen der wirtschaftlichen Entwicklung nicht im Wege stehen dürfen.

(Beifall GRÜNE/B90 und des Abgeordneten Goetz [FDP])

Allen anderslautenden Festreden und Bekundungen auf Nachhaltigkeitskonferenzen zum Trotz kann sich unser Ministerpräsident, kann sich auch Herr Holzschuher nicht von der Vorstellung eines Gegensatzes von Ökologie und Ökonomie lösen und spielt im Zweifelsfall Profitinteressen einzelner Unternehmen gegen die Menschen aus.

Während die Landesregierung einerseits im Bundesrat für eine erhöhte Besteuerung von Vermögen und Einkommen - zu Recht - streitet, kämpft sie aber auf der anderen Seite gegen alle Abgaben, die Ressourcenverbrauch und Umweltbelastungen verteuern. So forderte sie erst vor drei Wochen im Bundesrat die Abschaffung der Flugticketsteuer oder kämpft seit Jahren für die Entlastung von Industrieunternehmen von der EEG-Umlage oder von Netzkosten, wohl einkalkulierend, dass die Privatverbraucher und kleineren Gewerbebetriebe die Kosten der Energiewende damit allein schultern müssen.

Da passt es dann auch ins Bild, wenn Matthias Platzeck auf dem Brandenburg-Tag des DGB vor drei Monaten verkündet, dass man sich ab der Bekanntgabe der neuen Vergütungssätze für das EEG keine Sorgen mehr um die Braunkohle machen müsse, weil spätestens ab diesem Zeitpunkt der Klimaschutzgesichtspunkt gegenüber Kosten- und Versorgungsargumenten in den Hintergrund treten werde. Und genauso, wie Matthias Platzeck die Berlin-Fusion seit Jahren in Grund und Boden redet, torpediert er mit immer neuen Rettungsversuchen für die Braunkohle die Energiewende.

(Beifall GRÜNE/B90 - Bischoff [SPD]: Dafür werden wir noch ausgezeichnet - das ist ja unglaublich!)

Bis heute nicht verwunden ist, dass ausgerechnet die damals schwarz-gelb regierten Bundesländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein dem sozialistischen Fortschrittsglauben an CO2-Abscheidung und -Verpressung in Deutschland ein vorläufiges Ende bereitet haben. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Jetzt sollen CO2-Pipelines in die Nordsee und vielleicht auch in unser Nachbarland Polen die weitere Braunkohleverstromung inBrandenburg vorantreiben helfen.

Und wenn sich Vattenfall bei der Barbara-Feier dieses Jahr dabei überbietet, dass zum Jahresende 62 Millionen Tonnen CO2 produziert sein werden, bejubelt die Landesregierung - statt dies zum Anlass zu nehmen, Vattenfall aufzufordern, mit den Brandenburger Bodenschätzen sparsamer umzugehen -

(Ness [SPD]: Trauen Sie sich da mal hin! Gehen Sie da mal hin!)

dies als erneuten Beweis der Bedeutung und Notwendigkeit der sogenannten Brückentechnologie Braunkohle. Dass die forcierte Braunkohleverstromung und der damit verbundene Aufschluss neuer Tagebaue mit der Vertreibung von mehr als 2 000 Menschen verbunden sein wird, wird ausgeblendet.

(Beifall GRÜNE/B90)

Gutachten des DIW, die aufzeigen, dass allein schon aus wirtschaftlichen Gründen neue Tagebaue nicht sinnvoll sind, werden als belanglos zur Seite gewischt. Wir spüren die Schrecksekunden, die entstehen, wenn der Vattenfall-Eigner Schweden einmal wieder auf erneuerbare Energien umsteigen will, und das spürbare Aufatmen, wenn das Wirken von Frau Gregor-Ness im Vattenfall-Aufsichtsrat doch etwas geholfen hat.

Wie pervers es ist, dass die Lausitzer Braunkohle den Ausbau der Windenergie in Skandinavien finanzieren soll, um so der Stockholmer Regierung ein grünes Mäntelchen umzuhängen, fällt dieser Landesregierung gar nicht mehr auf.

(Beifall GRÜNE/B90)

Aber es geht bei nachhaltiger Wirtschaftsentwicklung nicht nur um Braunkohle und Flugverkehr. Ich nenne auch das Eintreten unserer Landesregierung für Massentierhaltung in einer industriell geprägten Landwirtschaft. Obwohl die Wertschöpfung unserer konventionellen Landwirtschaft minimal ist, wird die Umstellungsprämie auf den beschäftigungsintensiven Ökolandbau gestrichen und auch in diesen Haushalt nicht wieder aufgenommen.

Wer sich gegen diese Art verfehlter Strukturpolitik wehrt, läuft Gefahr, lächerlich gemacht zu werden. Ist man für das Nachtflugverbot, so soll man in Zukunft gleich gar nicht mehr fliegen. Ist man gegen die Ausweitung und Fortführung der Braunkohleverstromung über das Jahr 2030 hinaus, soll man im Winter auf die Heizung verzichten. Ist man gegen Massentierhaltung, so soll man zukünftig auf seinen Weihnachtsbraten verzichten. Mit diesem Ausspielen von Ökonomie gegen Ökologie, von Einwohnerinteressen gegen Profit, ist unser Ministerpräsident, sind SPD und Linke aus der Zeit gefallen.

(Frau Muhß [SPD]: Oh, mein Gott, ist das billig!)

Zu unserem Ministerpräsidenten: Er hat sich meilenweit von einem angeblichen Vorbild - nein, ich meine jetzt nicht
Prof. Succow oder Kurt und Erna Kretschmann -, sondern vom verstorbenen Bundespräsidenten Johannes Rau - entfernt, der - etwas geläutert - im Jahre 2001 erklärte:

„Wenn das nicht mehr gilt, dass die Wirtschaft für den Menschen da ist, sondern der Mensch nur noch für die Wirtschaft da ist, dann ist diese Welt nicht mehr menschlich, aber sie soll menschlich sein.“

(Beifall GRÜNE/B90, CDU und vereinzelt bei der Fraktion DIE LINKE)

Und wissen Sie, Herr Holzschuher, was mir bei Ihren Worten heute durch den Kopf ging? - Ein altes Tucholsky-Zitat, bezogen auf die SPD in der Weimarer Republik: „Wir sind die kommende Vergangenheit. Mit uns zieht
eine ungeheure Müdigkeit.“

(Beifall GRÜNE/B90 und FDP)

Mit Ihrer anachronistischen Arbeitsplätze-um-jeden-Preis-Politik treiben Sie die Menschen zunehmend auf die Barrikaden. Die Menschen haben gemerkt, dass mit dieser Politik die Standortqualität Brandenburgs als Lebensort für Menschen nach und nach vernichtet zu werden droht.

(Holzschuher [SPD]: Wovon sollen die Menschen in Ihrem Lande denn leben?)

Unsere Verfassung bietet als Ventil Volksinitiativen und Volksbegehren, allerdings mit einer solch hohen Hürde bei einem möglichen Volksentscheid, dass mit einem Erfolg nicht zu rechnen ist. Aber solange Volksinitiativen nur salbungsvoll dafür gelobt werden, dass so viele Bürger zur Wahrnehmung ihrerdemokratischen Rechte motiviert wurden, sich jedoch nichts Substanzielles ändert, ist die Volksgesetzgebung nur ein Instrument minderer Güte.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wie wir spätestens seit dem Gutachten von Ragnitz zur vergleichenden Analyse der wirtschaftspolitischen Entwicklung Brandenburgs seit 1990 wissen, haben sich alle ostdeutschen Bundesländer synchron entwickelt, völlig unabhängig, welche Couleur die Regierungen hatten. Der Vorsprung Sachsens ist genauso ein Mythos wie die Schwäche Mecklenburg-Vorpommerns. Und auch die Brandenburger Evaluation des Effekts der Regionalen Wachstumskerne zeigt, dass signifikante Unterschiede zu den politisch auserkorenen Förderschwerpunkten in anderen Regionen kaum bestehen. Vor diesem Hintergrund sollten wir die wirtschafts- und strukturpolitische Diskussion etwas gelassener angehen und, wie es im modernen Politsprech heißt, „uns auf unsere endogenen Potenziale besinnen“. Wir müssen nicht nach jedem Strohhalm greifen und die Ansiedlung von Rüstungsbetrieben bejubeln.

(Beifall GRÜNE/B90)

Wir sollten also bei der Fördermittelvergabe neben sozialen Kriterien und dem Aspekt der Energieeinsparung und Ressourcenschonung einen Wettbewerb um die bestmögliche nachhaltige Ausnutzung der regionalen Potenziale unterstützen und nicht versuchen, mit Gewalt von oben ein planwirtschaftliches Korsett über das Land zu werfen.
Natürlich sehen die historisch gewachsenen Potenziale in Eisenhüttenstadt oder Schwedt anders aus als in Neustadt (Dosse). Zu diesen endogenen Potenzialen für die wirtschaftliche Entwicklung gehört dabei auch die Wohn- und Lebensqualität nicht nur im Berliner Umland. Aber wer Neubürger durch Zuzug aus Berlin, wer Neubürger auch in anderen Teilen des Landes gewinnen will, muss etwas bieten. Wer kennt nicht den Wunsch vieler junger Familien, ihre Kinder in einem ländlichen Milieu großzuziehen?

Aber das Bildungssystem Brandenburgs schreckt ab, und das hat nicht nur etwas mit dem Abonnement auf die hinteren Plätze bei allen möglichen Bildungsvergleichen zu tun. Die Unterrichtsqualität lässt nach wie vor zu wünschen übrig, und wer will, dass seine Kinder vernünftig Englisch lernen, schickt sie besser nicht ins staatliche Brandenburger Schulsystem.

(Oh! bei der SPD)

Der Lehrkörper ist überaltert, Lehrkräfte werden fachfremd eingesetzt, immer noch gilt der Glaube, dass jeder Lehrer alles kann. Die Ministerin betrügt nicht nur die Eltern der Schüler, sondern auch sich selbst, wenn sie den Unterrichtsstundenausfall auf angeblich 1,7 % kleinrechnet.

Überhaupt nicht gut sieht es auch mit den Brandenburger Kindertagesstätten aus. Trotz leichter Verbesserungen des Betreuungsschlüssels hat uns Rot-Rot im Ländervergleich von Platz 16 auf Platz 16 „hochkatapultiert“. Ganz zu schweigen davon, dass Berlin kostenlose Kitajahre bietet, ist in Brandenburg auch die Qualifikation vieler Erzieherinnen unzureichend. Individuelle Förderung erfordert Erkennen des Förderbedarfs, und das erfordert eine umfassende diagnostische Ausbildung.

(Unruhe bei SPD und DIE LINKE)

Aber immer noch ist nicht gewährleistet, dass in jedem Brandenburger Kindergarten eine Erzieherin mit mindestens Fachhochschulabschlusszu finden ist. Aber statt dem erklärten Schwerpunkt Bildung auch die angemessene finanzielle Ausstattung zuzuerkennen, wird das Personalbudget vom MBJS um rund 10 Millionen Euro gekürzt. Auch wenn diese Mittel durch das Ausscheiden von Lehrkräften in Altersteilzeit frei werden, ist zu konstatieren, dass die demografische Rendite nicht im Bildungssystem verbleibt.

(Beifall GRÜNE/B90)

Auch nicht gut sieht es im Etat für Wissenschaften und Hochschulen aus; der Einzelplan 06 steigt - es wird mehr Geld in die Wissenschaft investiert. Der Zuwachs wird aber durch den vertraglich festgelegten jährlichen Aufwuchs von 5 % durch den Pakt für Forschung und Innovation II erreicht und überdeckt damit nur die Kürzungen bei den Hochschulen. Brandenburg ist, gemessen an fast allen Benchmarks, weiterhin auf dem letzten Platz bei den Ausgaben für Hochschulen. Wer soll denn all die Wissenschaftler gut ausbilden, die anschließend in den zahlreichen außeruniversitären Forschungsinstituten arbeiten sollen?

Wir Grünen haben vorgeschlagen, die gravierendsten Defizite im Bildungs- und Hochschulbereich durch Umverteilung innerhalb des Personalbudgets in einem Umfang von 38 Millionen Euro abzudecken. Das sind weniger als 1,3 % von 2,9 Milliarden Euro Personalausgaben. Aber dieser Antrag wurde wie alle anderen Haushaltsanträge abgelehnt.

Doch das sind alles Kleinbeträge, gemessen an dem Aufwand für den Flughafen Willy Brandt. Bis heute wissen wir nicht, wie viel der Flughafen uns am Ende genau kosten wird. Auch die auf Bund und Land zurollenden 1,2 Milliarden Euro werden nicht das Ende der Fahnenstange sein, und bis heute ist nicht klar, wie viele der auf Brandenburg entfallenden 444 Millionen Euro zur Eigenkapitalaufstockung und wie viele als Gesellschafterkapital/
Gesellschafterdarlehen gewährt werden sollen.

Klar ist, dass die Flughafengesellschaft die ursprünglich eingeplanten 600 Millionen Euro für den Lärmschutz auf rund 307 Millionen Euro gekürzt hat und damit die nun überraschend aufgetauchten Mehrausgaben aus der Phase vor der gescheiterten Eröffnung am 3. Juni 2012 abgedeckt werden sollen.

Minister Vogelsängers Aussage, dass der gesetzlich vorgesehene Lärmschutz auch verwirklicht werde, ist so wahr wie trivial. Die entscheidende Frage bleibt am Ende, wer sich durchsetzt: das Oberverwaltungsgericht mit seiner Feststellung, dass null Mal gleichbedeutend mit keiner Überschreitung ist, oder das Vogelsängerministerium mit seiner gewagten krummen Null. - Der Unterschied ist den Publikationen der Flughafengesellschaft und § 2 des Haushaltsgesetzes eindeutig entnehmbar: Er macht 293 Millionen Euro aus - 293 Millionen Euro, die im Zweifel von den Flughafeneignern zusätzlich aufgebracht werden müssen, und damit wird noch lange nicht Schluss sein.

Nach dem nichtöffentlichen Businessplan der FBB wird der Flughafen noch mindestens 15 Jahre rote Zahlen schreiben, jahrelang am Tropf des Landes hängen. Aber Ministerpräsident und Finanzminister fabulieren bei jeder Gelegenheit - und Herr Holzschuher heute auch -, dass der Flughafen eine Erfolgsgeschichte sei und demnächst zum Goldesel, zur „Cashcow“ für den Landeshaushalt werde. Nicht nur wir Grünen befürchten, dass die einzige Melkkuh am Ende die Steuerzahlenden sein werden.

(Beifall GRÜNE/B90 und vereinzelt CDU)

Wir wissen nicht, ob der Flughafen am 27.10.2013 eröffnet wird. Wir wissen aber, dass es die Nibelungentreue von Wowereit und Platzeck zu Schwarz ist, die den Termin gefährdet und die Steuerzahler Geld kostet. Wären Schwarz und Körtgen gleich nach der ersten Verschiebung aus dem Verkehr gezogen worden, hätten neue Geschäftsführer einen realistischen Zeitplan aufstellen können und wären nicht zig Millionen für unsinnige Endspurtmaßnahmen ausgegeben worden.

Vorgestern habe ich dem Ministerpräsidenten vorgeschlagen - Herr Dombrowski hat es dankenswerterweise angesprochen -,

(Dombrowski [CDU]: Aber ich höre es gern noch einmal!)

seinen Namen mit einem möglichen Erfolg des Flughafens zu verbinden und eine politische Garantieerklärung abzugeben, dass der Flughafen am 27.10.2013 eröffnet

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

und der Kostenrahmen von 1,2 Milliarden Euro nicht überschritten wird. Ich habe gesagt: Wie wäre es denn, wenn unser Ministerpräsident tatsächlich einmal seine Bereitschaft zur Übernahme der politischen Verantwortung bekundet und hier erklärt, dass er bei einer erneuten Verschiebung des Flughafeneröffnungstermins oder einer erneuten Überschreitung des jetzt gesetzten Kostenrahmens sein Aufsichtsratsamt wegen erkennbaren
Versagens zur Verfügung stellt?

(Beifall GRÜNE/B90)

Ich räume ein: Nach den aktuellen Meldungen aus dem Abgeordnetenhaus in Berlin wäre das politischer Selbstmord, denn wie in vielen anderen Fällen rechnete sich die Regierung im Falle des Flughafens die Wirklichkeit schön. Wäre diese Täuschung nur unternommen worden, um eine günstige öffentliche Meinung der Bevölkerung über die rot-rote Regierung zu schaffen, so wäre das allein schon nicht besonders gut geglückt.

Das Problem scheint aber zu sein, dass die Regierung geschönte Darstellungen so häufig wiederholt, dass sie am
Ende der Selbstsuggestion unterliegt, mit unabsehbaren Folgen für das Land. Ich komme zum Schluss. Mit diesem Haushalt wird der Versuch unternommen, die Folgekosten für das Versagen von Aufsichtsrat und Geschäftsführung der Flughafengesellschaft dem Steuerzahler möglichst geräuschlos überzuhelfen.

(Beifall GRÜNE/B90 sowie des Abgeordneten Burkardt [CDU])

Dieser Haushalt ist aber auch - da teile ich die Auffassung von Herrn Dombrowski - erneut ein Dokument der Mutlosigkeit von Rot-Rot, eine weitestgehende Fortschreibung des Status quo, ein Haushalt ohne neue Ideen, ein Haushalt ohne die Bereitschaft, neue Akzente in der Finanzierung von Bildung und Hochschule zu setzen. Während alle anderen ostdeutschen Bundesländer bereits 2013 einen Haushalt ohne Neuverschuldung vorlegen oder sogar in die Tilgung einsteigen, will die Landesregierung im Windschatten der Flughafenfinanzierung ihre Verschuldungspolitik um ein weiteres Jahr verlängern.

Mit diesem Doppelhaushalt - insbesondere aber mit einer mit dem Weichzeichner gemalten mittelfristigen Finanzplanung - täuscht die Landesregierung die Bevölkerung genauso wie sich selbst über die Herausforderungen und Risiken der nächsten Jahre hinweg und überlässt deren Bewältigung allein ihren Nachfolgern.

(Beifall GRÜNE/B90 sowie des Abgeordneten Burkardt [CDU])

Sie werden verstehen, dass wir einem solchen Haushalt nicht zustimmen können. - Recht herzlichen Dank.

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