>> Entschließungsantrag zum Antrag (Drucksache 5/1481) „Vorbereitung auf die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit ab dem 1. Mai 2011 – wirksame Schritte hin zu einem gemeinsamen deutsch-polnischen Arbeitsmarkt an Oder und Neiße"
Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede
„Kleinmut, Dein Name ist SPD“, war der Zwischenruf meiner Kollegin Ursula Nonnemacher in der heutigen Debatte um die Länderfusion mit Berlin. Kleinmut und Verzagtheit sprechen auch aus diesem Antrag, aber es ist noch viel schlimmer! Eigentlich müssten die Abgeordneten von SPD und Linke während dieses Tagesordnungspunktes die Sitzplätze ganz rechts außen in diesem Plenarsaal einnehmen.
Euroskeptizismus als Markenzeichen der seit 1990 überhaupt nicht mehr internationalistischen Linken ist man ja gewöhnt. Schlimm, ist, dass SPD und Linke - nunmehr im Verbund- versuchen die zu Beginn des Jahrzehnts auch auf Brandenburger Initiative eingeführte Beschränkung der europäischen ArbeitnehmerInnenfreizügigkeit in Deutschland zu rechtfertigen. Wenn die SPD die bisherige Sperrung des Arbeitsmarktes für polnische Arbeitskräfte damit rechtfertigt, dass die Bundesrepublik bislang versäumt hat, hinreichend nationale Regelungen gegen Lohndumping und ruinösen Lohnwettbewerb einzuführen, dann blendet sie ihre eigene Verantwortung in 11 Jahren Bundesregierung und 11 Jahre Verantwortung für das Arbeitsministerium aus. Sie blendet aus, dass sie in diesen 11 Jahren auch an der Ausarbeitung der „Charta der Grundrechte der Europäischen Union“ beteiligt war, deren wesentlicher Bestandteil die ArbeitnehmerInnenfreizügigkeit ist.
Dabei sollte es inzwischen für jede/n offenkundig sein: Die Beschränkung der europäischen ArbeitnehmerInnenfreizügigkeit ist kein Schutz, sondern ein Ausgrenzungsinstrument. Ausgrenzungsinstrument nicht nur gegen die BürgerInnen unserer mittelosteuropäischen Nachbarländer, sondern auch ein Ausgrenzungsinstrument, das dafür sorgt, dass sich Deutschland selbst aus dem Rennen um die besten Köpfe und Hände nimmt.
Freizügigkeit der Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union gehört zu ihren wichtigsten Elementen, zur europäischen Integration. Und Sie, meine Damen und Herren von SPD und Linke, statt sich hier auch im Interesse unseres Bundeslandes zu glühenden BerfürworterInnen offener Grenzen für ArbeitnehmerInnen aufzuschwingen, verharren Sie in Abwehrpositionen und berufen sich auf die unbestritten vorhandenen Ängste vieler Menschen in unserem Land vor unserem Nachbarland Polen und machen diese zur Grundlage Ihres Regierungshandelns.
Anrede
Wir pflegen gute Kontakte, guten wirtschaftlichen und kulturellen Austausch mit den angrenzenden Woiwodschaften – beim Lesen Ihres Antrages könnte man jedoch den Eindruck gewinnen, unsere Nachbarinnen und Nachbarn hätten nichts Besseres zu tun, als der brandenburgischen Wirtschaft zu schaden.
Dies ist mitnichten der Fall: Nicht der Fachkräftemangel zieht unbesehen an Brandenburg vorbei sondern die polnischen Arbeitnehmer. Selbst der DGB hat inzwischen erkannt: „Die Migrationspfade führten durch Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ins westliche Europa in prosperierende Regionen“, und so täte es unserem Land gut, in der Arbeitsmarktregion Brandenburg-Westpolen die arbeitsmarktpolitische Integration zu fördern statt ängstlich zurück zu zucken.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer hat sich von Anfang an für die Freizügigkeit in vollem Umfang ausgesprochen. Denn im Gegensatz zu unseren Regierungsfraktionen sieht die Wirtschaft deutlich die Vorteile eines europäischen Arbeitsmarktes – vor allem im Hinblick auf den erwähnten Fachkräftemangel. Die IHKen haben außerdem mehr Vertrauen in die Stabilität und Integrationskraft unseres Marktes – die Angst vor einem Schaden für die Konjunktur und den Arbeitsmarkt können sie nicht teilen. Ein Blick auf die Zahlen macht auch klar warum nicht: Trotz einer aktuellen (sinkenden) Arbeitslosenquote von 15 % liegt der Anteil der unbesetzten Fachkräftestellen mittlerweile bei 18% - Tendenz ansteigend.
Wenn die Zuwanderung von ArbeitnehmerInnen negative Auswirkungen auf Brandenburg hätte, wäre dies schon längst zu spüren gewesen. Wanderungsbewegungen gibt es nämlich trotz der Restriktionen – der bedeutende Unterschied ist aber, dass eben diese verdeckte Wanderung Lohndumping und unsichere Arbeitsverhältnisse zur Folge hat, während hingegen legale Wanderung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gestaltet und kontrolliert werden kann. Dass ein Land von der ArbeitnehmerInnenfreizügigkeit profitieren kann, haben Großbritannien, Portugal und Irland bewiesen.
Mit Stichworten wie Schwarzarbeit und Nachteilen für den Brandenburger Wirtschaftsraum bauen Sie in Ihrem Antrag eine Drohkulisse auf, die es so nicht gibt: In diesem Jahr wurde wiederholt berichtet, dass Brandenburg von der gegenwärtigen Wirtschaftskrise weitestgehend verschont geblieben ist, d.h. ohne gravierend ansteigende Arbeitslosigkeit und ohne gavierenden Wachstumseinbruch.
Statt arbeitsaufwendiger Bestandsanalysen und Handlungsempfehlungen, die reichlich kurzfristig kommen, brauchen wir also deutlich mehr europäischen Geist.
Statt Angstmacherei müssen wir den Menschen in unserem Land die Vorteile der europäischen Integration aufzeigen. Deshalb fordern wir in unserem Entschließungsantrag:
· eine öffentlichkeitswirksame Kampagne
· die Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen und
· die Verbesserung der Rahmenbedingungen für hoch qualifizierte polnische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
lassen Sie sich an diesem warmen Sommertag vom europäischen Geist beseelen und schließen sich unserem Antrag an.