- Es gilt das gesprochene Wort ! -
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,
„Wenn wir nichts, tun fehlen 2030 bis zu 450.000 Fachkräfte in Berlin und Brandenburg bei gleichzeitiger Arbeitslosigkeit!" - so analysiert die gemeinsame Fachkräftestudie Berlin-Brandenburg 2010 die Situation und stellt Handlungsempfehlungen vor. Ganz neu sind die Studien „Energiewirtschaft in Brandenburg" und „Forschung und Entwicklung in Brandenburg." Diese Studien bieten hoch differenzierte Informationen zu zwei besonders wichtigen Teilsegmenten des Arbeitsmarktes.
Dabei ist das Thema nicht neu: der drohende Fachkräftemangel wird seit Jahren in Brandenburg diskutiert, in verschiedenen Ingenieurberufen ist er für unsere Wirtschaft bereits spürbar.
Der vorliegende Antrag der CDU fordert nunmehr die Landesregierung auf, bis Ende des 2. Quartals 2011 ein Konzept vorzulegen, um die „Nutzung des vorhandenen Arbeitskräftepotentials Brandenburgs zur Deckung des Fachkräftebedarfs in Abstimmung mit der Bundesagentur für Arbeit und den Wirtschaftsverbänden (zu)erarbeiten." Besonderes Augenmerk liegt auf der Ausbildung der unter 25-jährigen und deren Integration in den ersten Arbeitsmarkt sowie auf den Langzeitarbeitslosen und der „Verstärkung des Förderns und des Forderns."
Angesichts der Arbeitsmarktpolitik der letzten Jahre, die immer nur einseitig den Aspekt des Forderns in den Fokus gerückt hat, sehen wir Bündnisgrünen dringenden Bedarf in einem Ausbau des Förderns. Der in der Formulierung des „Förderns und Forderns" mitschwingende Ansatz „Mehr Repression bringt mehr Integration in den ersten Arbeitsmarkt!" ist für uns in Anbetracht des Arbeitskräftemangels in Brandenburg nicht akzeptabel.
Dabei sehen auch wir die Notwendigkeit, jungen Menschen ohne Berufsabschluss Weiterqualifizierungen zu ermöglichen und Langzeitarbeitslosen Umschulungsangebote zu machen. Diese Angebote finden ihre Grenzen jedoch in der Vorbildung der Erwerbslosen. Auch mit den besten Angeboten wird aus einem Bauhilfsarbeiter ohne Schulabschluss so schnell kein Ingenieur werden.
Wir GRÜNE wollen die Fachkräftesituation verbessern, indem die Erkenntnisse der verschiedenen Studien zur Arbeitskräftesicherung von der Politik aufgenommen und ein ganzes Bündel von Maßnahmen ergriffen wird, um dem Fachkräftemangel kooperativ zwischen Schulen, Hochschulen, Wirtschaftsunternehmen und der Arbeitsagentur zu begegnen.
Wir wissen doch, die wichtigsten Player auf dem Markt der Arbeitskräftesicherung sind die Unternehmen und Betriebe, die Arbeitsagentur und die jeweiligen Kommunen. Sie koordinieren vor Ort die Aktivitäten zur Wirtschafts-, Sozial- und Infrastrukturentwicklung in Brandenburg. Sie werden Angebote zur Verbesserung der „harten Fakten" wie der sogenannten „weichen Standortfaktoren" machen müssen, wenn sie in der Konkurrenz um die Fachkräfte bei einer schrumpfenden Zahl der Erwerbstätigen Erfolg haben wollen.
Um Fachkräfte konkurrieren wir inzwischen nicht nur mit den besser bezahlenden Bundesländern, wir konkurrieren weltweit.
Von daher werden wir auch Strategien für die verstärkte Anwerbung von ArbeitnehmerInnen aus anderen Bundesländern entwickeln müssen; wir werden verstärkte Anstrengungen um ArbeitnehmerInnen aus unseren mittelosteuropäischen Nachbarländern unternehmen müssen. Der auf der morgigen Tagesordnung stehende Bericht zur Arbeitnehmerfreizügigkeit zeigt dabei in desillusionierender Deutlichkeit auf, wie vergleichsweise wenig attraktiv Brandenburg inzwischen für Fachkräfte aus unseren Nachbarländern ist. Ohne ein deutlich gesteigertes Lohnniveau, ohne einen bundesweit einheitlichen Mindestlohn werden wir hier wenig Chancen haben. Ohne ein adäquates Lohngefüge werden wir nicht nur keine ZuwandererInnen gewinnen, sondern wir werden auch weiterhin unsere qualifizierten jungen Menschen an andere Bundesländer, in die Schweiz und nach Österreich verlieren.
Wir können aber auf niemanden verzichten. Eine Vielzahl von qualifizierten ZuwandererInnen insbesondere aus Osteuropa, die sich gern hier integrieren wollen, warten seit langem vergeblich auf die Anerkennung ihrer Berufsabschlüsse. Eine Reihe gut qualifizierter Flüchtlinge sitzen in ihrer Unterkünften und können ihren erlernten Berufen nicht nachgehen, da ihre Abschlüsse nicht anerkannt werden.
Zu wenig berücksichtigen wir gut qualifizierte Frauen, die z.B. nach der Familienpause Weiterbildungsqualifizierungen benötigen! Viele in Teilzeit arbeitende Frauen würden auch gerne einen Vollzeitarbeitsplatz annehmen. Hier liegen wichtige Potentiale um dem Fachkräftemangel in Brandenburg zu begegnen.
Zum einen setzen wir darauf, dass die Landesregierung ihren Bericht gemäß Landtagsbeschluss vom Juli 2010 im zweiten Quartals 2011 vorlegen wird. Von daher ist der Antrag der CDU-Fraktion überflüssig und greift außerdem mit der Konzentration auf Erwerbslose und unter 25-Jährige deutlich zu kurz. Es ist an der Landesregierung aufzuzeigen, wie sie ihren Beitrag zur Aktivierung der von uns benannten Personengruppen leisten kann. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.