- Es gilt das gesprochene Wort.
Anrede,
Ach was lebten wir früher in einfachen Zeiten! Wenn der Staat Geld brauchte, gab er mündelsichere Anleihen zu Festzinssätzen und fest vereinbarten Laufzeiten heraus. Das Prinzip lautete: 100 Euro, Laufzeit 5 Jahre, Zins 3,5 Prozent per anno. Heute dagegen kann beim Erwerb Brandenburger Staatspapiere von Mündelsicherheit kaum mehr die Rede sein. Statt Anleihen mit festem Zinssatz erhält der Anleger heute – ohne Not, Frau Geywitz – sogenannte „Zertifikate“ mit einer variablen Verzinsung, deren genaue Bestimmung einem Glücksspiel gleichkommt, zusätzlich häufig noch mit Derivaten hinterlegt, von denen überhaupt niemand mehr sagen kann, wie sie eigentlich zustande kommen und wie sie besichert werden.
So können Sie zum Beispiel seit 2006/2007 – die Jahre des Sündenfalls der damaligen rot-schwarzen Koalition – mit Brandenburger Zertifikaten in verschiedenen Versionen auf die Entwicklung des EuroStoxx 50-Index wetten. Ein schönes Beispiel ist hier das von Barclays und WestLB – man merke sich die Namen – geschaffene „Twin-Win-Garant-Zertifikat“ des Landes Brandenburg, bei dem Kursverluste des Euro Stoxx 50 bis zu 60 Prozent des anfänglichen Referenzwertes 1:1 in Gewinne für den Anleger umgewandelt werden sollen. Man staunt: Verluste werden in Gewinne umgewandelt.
Oder das von der Schweizer UBS – auch ein bekannter Name im Spekulationsgeschäft – herausgegebene „Land Brandenburg-Ölperformance“ Zertifikat. Hier wetteten die Erwerber auf einen vierteljährlich steigenden Ölpreis – scheinbar gegen das Land Brandenburg. In Wirklichkeit wettet aber eine dritte Bank mit einem Derivat dagegen, die über einen Swap-Vertrag mit dem Land Brandenburg verbunden ist und auf fallende oder stagnierende Ölpreise setzt. Dafür erhält diese Bank eine Vergütung, das Land selbst zahlt halbjährig Zinsen entsprechend dem Sechs-Monats-Euribor abzüglich eines Finanzierungsvorteils. Wir wissen, dass der Sechs-Monats-Euribor der Zins war, der durch Mitarbeiter der Deutschen Bank manipuliert wurde.
Das also sind die Hintergründe, und ich muss sagen: Das sind wirklich moralisch dubiose Wetten, die das Land hier anbietet und die letztendlich den Ausschluss eines solchen Produktes aus dem Portfolio des zukünftigen Altersfonds für Abgeordnete bewirken würden. Das passt nämlich nicht in die Anlagestrategie des Landes Nordrhein-Westfalen.
Das Interesse des Landes ist natürlich klar: Vermutete Zinsvorteile, vermutlich auch damals das Gefühl, supermodern und fortschrittlich zu sein; das Land Brandenburg war das erste Bundesland, das sich hier engagiert hat. Viel interessanter allerdings ist die Frage, welches Interesse die Banken USB, Barclays und WestLB daran hatten, Brandenburg besonders günstige Bedingungen zu verschaffen. Die Antwort findet sich im damaligen Handelsblatt. Unter der Überschrift „Ritterschlag aus Brandenburg“ heißt es zur ersten EuroStoxx50-Anleihe:
„Für die Zertifikate-Branche gleicht die Emission auch einem Ritterschlag, denn jetzt nehmen sich auch Bundesländer des Themas Zertifikate an und können sich so geschickt refinanzieren.“
Ich würde eher sagen, dass das Land Brandenburg die Rolle des nützlichen Idioten für die auf internationalem Parkett agierenden Investitionsbanken gespielt hat, mit dessen Hilfe der Zertifikate- und Derivatehandel erst richtig in Schwung gekommen ist, ihm ein seriöser Mantel umgelegt und dieser künstlich aufgepeppt wurde und Hunderttausende in seinen Bann gezogen hat. Die Ergebnisse sind bekannt.
Leider hat man in Brandenburg Gefallen an diesen Finanzierungsinstrumenten gefunden. Da Brandenburg seit 2006/2007 zunehmend immer mehr Anleihen zu variablen Zinsen ausgibt, ist der hiermit einhergehende Anteil von Derivaten seitdem kontinuierlich angestiegen, ohne dass diese Sachverhalte für die Abgeordneten aus dem Landeshaushalt oder der Haushaltsrechnung erkennbar wurden. Inzwischen liegen wir bei rund 15 Milliarden Euro in Derivaten bei 18 Milliarden Euro Gesamtverschuldung.
Ganz ehrlich: Wissen Sie, um was es sich da im Einzelnen handelt, welche Risiken wir als Land Brandenburg hier tragen? Wissen Sie, was sich an Risiken für Land und Anleger hinter Spread-Swaps verbirgt, die nach dem Gesetz der CDU jetzt verboten werden sollen? Können Sie erklären, wie die Zinsplus-Anleihe auf Euro-Swap-Spreads 10 Jahre/2Jahre funktioniert? Ich fürchte, nicht. Ich kann es auch nicht. Ehrlich gesagt fehlt mir als Abgeordnetem auch die Fähigkeit, das zu beurteilen. Aber wir alle haften dafür, genauso wie die Salzburger Landesregierung für die fehlerhaften Derivate ihrer Landesverwaltung gehaftet hat.
Wir wollen eine Rückkehr zu seriöser Finanzpolitik. Der CDU-Gesetzentwurf versucht nur, die schlimmsten Auswüchse zu verhindern – immerhin ein erster Schritt. Wir stimmen zu.
Vielen Dank.