- Es gilt das gesprochene Wort ! -
Sehr geehrter Herr Präsident, Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Bevor ich zu der vorliegenden Strategie der Landesregierung Stellung nehme, möchte ich doch noch einmal den Preis „Brandenburg: Europäische Unternehmerregion 2011" würdigen. Brandenburg, Murcia in Spanien (landwirtschaftlich geprägt) und Kerry (Landwirtschaft dominiert) in Irland setzten sich u.a. gegen Baden-Württemberg, Madrid und Mailand durch. Die vor Kraft strotzenden Europäischen Wirtschaftsregionen verlieren gegen die europäische Wirtschafts-Peripherie.
Wie ist das möglich?
„Wagen wir, die Dinge zu sehen, wie sie sind."(Albert Schweitzer")
Worum geht es bei der Europäischen Unternehmerregion?
„Im Rahmen des Pilotprojekts Europäische Unternehmerregionen werden EU-Regionen ermittelt und ausgezeichnet, die ungeachtet
- ihrer Größe
- ihrer Wirtschaftskraft und
- ihrer Kompetenzen
in der Unternehmenspolitik eine herausragende Weitsicht an den Tag legen."
Die Erfolge und die Fehlentwicklungen der Vergangenheit, die gegenwärtige wirtschaftliche Bedeutung in Europa, die Vorbildfunktion als Region spielten bei der Preisverleihung keine Bedeutung. Teilnahmeberechtigung und Erfolgsvoraussetzung sind politische Visionen.
Die vorgelegte Strategie der Landesregierung ist das Ergebnis des Auftrags des Landtags, verabschiedet mit unserer Unterstützung, an die Landesregierung, um kleine und mittlere Unternehmen noch zielgerichteter zu fördern. Gleichzeitig setzt die Landesregierung mit dieser Strategie den gegenüber den Ausschuss der Regionen erklärten Aktionsplan um.
Welche Visionen der Brandenburger Landesregierung führten nun zu diesem Preis? „Besonders hervorgehoben wurden in der Bewerbung Brandenburgs folgende Ziele:
1. Die Ergänzung der Förderpalette um neue, revolvierende Finanzierungsinstrumente.
Das ist positiv. Ich möchte die Landesregierung explizit loben für die Einrichtung der Finanzierungsinstrumente Kredit- Mezzanine und Frühphasenfonds. Liqiuditäts- und Finanzierungsschwierigkeiten sind die Grundprobleme von Kleinen und mittelständischen Unternehmen. Die Stärkung der Eigenkapitalbasis und die Verbesserung der Bonität von kleinen und mittleren Unternehmen in verschiedenen Phasen der Unternehmensentwicklung durch Nachrangdarlehen ist der richtige Ansatz.
Aus meiner Sicht stehen diese beiden Programme als Paradebeispiel wie revolvierende Fonds, also die wiederholte Verwendung von öffentlichen Mitteln, einen stetigen positiven Effekt auf die wirtschaftliche Entwicklung Brandenburgs entfalten. Das ist nachhaltige Wirtschaftspolitik und deshalb ist die Fortführung des operationalen Programms der Vorgängerregierung durch die Landesregierung ein Armutszeugnis. Denn keine Veränderung des operationalen Programms bedeutet keine Aufstockung für revolvierende Fonds. Die Versprechungen aus dem Koalitionsvereinbarungen entpuppen sich als reine Akklamationen.
2.Der ökologischer Umbau der regionalen Wirtschaft
In diesem Punkt würde ich nicht von Vision reden. Die reale Landespolitik verhöhnt doch geradezu einen ökologischen Umbau der regionalen Wirtschaft. Das ist doch viel eher eine Halluzination.
Der Status Quo ist doch folgender:
Vattenfall ist Nutznießer von versteckten Subventionen. Beispiel Befreiung vom Wassernutzungsentgelt, Kostenpunkt 21 Millionen Euro jährlich.
Die Landesregierung drängt auf CCS unter dem Deckmantel Zukunftstechnologie, obwohl CCS doch sinnbildlich für den Schutz der Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Wirtschaft und der Energiemonopolisten steht. Unser Vorschlag zur Ehrlichkeit: Auf Seite 22 sollte die aggressive Interessensvertretung der Landesregierung in Berlin und Brüssel beim Punkt Europäischer Energiedialog eingefügt werden.
Brandenburg ist Mitglied der „Allianz energieintensiver Wirtschaftsregionen". Was ist das? Zitat aus Ihrer Strategie: Die Interessensgemeinschaft der Regionen, „für die Sicherung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für diese Industriebereiche." Wenn man die Aktivitäten dieser Organisation betrachtet lautet die Übersetzung: Wir sind Lobbyisten für energieintensive Großindustrie.
Fazit: Die Brandenburger Landesregierung ist doch ein Bremser des ökologischen Umbaus der regionalen Wirtschaft. Sie hat sich von Ihrer Ausrichtung auf die Großindustrie bis heute nicht befreien können.
3. Unterstützung von Kreativität und Innovation als Schlüsselfaktoren für eine erfolgreiche ökonomische Entwicklung
Die Evaluierung der Ergebnisse der Neuausrichtung der Wirtschaftsförderung des Landes Brandenburgs vom 22. Oktober 2010 hält zu diesem Punkt fest:„ Beim Anteil der in Forschung und Entwicklung Beschäftigten,
- dem Anteil der privaten
- und öffentlichen Forschungs- und Entwicklungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt
- sowie der Überführung von Forschungsergebnissen in Patente
nimmt der Standort Brandenburg im Bundesländervergleich einen der hinteren Plätze ein. Die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten sind im Bundesvergleich insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) gering und führen noch nicht im erwünschten Maße zu Produkt- und Prozessinnovationen."
Wer dies als Grundproblem aller Neuen Länder bagatellisiert, irrt. Die Prognos Studie „Technologietransfer zur Stärkung des Standorts Ostdeutschland" vom Mai 2010 stellt fest: „In Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt dominiert die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit von staatlichen Forschungseinrichtungen und Hochschulen mit rund 75% aller Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen. In Sachsen und Thüringen wird dagegen die Hälfte aller Forschungsaktivitäten in Unternehmen durchgeführt."
Aus meiner Sicht sind wir in Brandenburg von diesem Ziel meilenweit entfernt.
Kritisieren muss ich den Widerspruch zwischen der Strategie „Stärkung des Mittelstands" und der Politik im Jahr 2011. Auf Seite 6 des Strategieberichts werben Sie mit den Förderprogrammen Stadtentwicklung und der Entwicklung ländlicher Räume, die eine große Bedeutung für die KMUs in Brandenburg besäßen. Gleichzeitig reduziert der Haushaltsbeschluss 2011 die Landeskoförderung für die Entwicklung der ländlichen Räume um 40%. Die Entscheidung die Dorferneuerung gar nicht mehr zu fördern, wird das Handwerk vor Ort stark treffen.
Die fehlende Bereitschaft teilweise die Bundeskürzungen bei der Städtebauförderung durch Landesmittel abzufedern, beerdigt das Erfolgsprogramm für die mittelständische Wirtschaft in Brandenburg.
Diese beiden Programme erbringen einen Konsolidierungsbeitrag von über 30 Millionen Euro. Kombiniert mit den fehlenden Bundes- und EU-mitteln ist sogar der Verlust eines dreistelligen Millionenbetrag für die Förderprogramme möglich, die nach Ihrer eigenen Aussage insbesondere den kleinen und mittelständischen Unternehmen dienen.
Lieber Herr Christoffers, entweder vergaßen Sie bei der Vorstellung Ihrer „ausgezeichneten Mittelstandsstrategie" die Haushaltspolitik für das Jahr 2011 zu erwähnen oder Sie sollten Ihrem Kollegen Herrn Vogelsänger ein wenig für die Stärkung von KMUs sensibilisieren.
Was fehlt?
Die Diskussion im Landtag im Februar 2010, der Entschließungsantrag und die vorgelegte Strategie ignorieren die Belastungen der Unternehmen durch Bürokratie. Wie ich schon in der letzten Debatte anmerkte, wirkt der Abbau von Bürokratie oft viel effektiver als Subventionen. Viele kleine und mittelständische Unternehmen, das Rückgrat unserer Wirtschaft, verzweifeln an umständlichen Genehmigungs- und Antragsverfahren. KMU werden durch die gesetzlichen Informationspflichten viel stärker als Großbetriebe belastet, da der personelle Aufwand nicht proportional zur Unternehmensgröße abnimmt. Deshalb müssen die in der Koalitionsvereinbarung versprochenen Vorschläge zur Reduzierung des bürokratischen Aufwands für Unternehmen zeitnah umgesetzt werden, damit endlich konsequent bürokratische Entlastungen stattfinden. Zur Reduzierung bürokratischer Hemmnisse sind auch die Prüfung der IHK-Pflicht für Kleinbetriebe und Initiativen zum weiteren Abbau des Meisterzwangs zu zählen.
Was ist entscheidend?
Einen großen Einfluss auf kleine und mittelständische Unternehmen besitzt auch die öffentliche Vergabepraxis in Brandenburg. Die öffentliche Vergabe ist ein wichtiger Beitrag zur Stärkung der Wertschöpfung im Land. Wir müssen das geplante Vergabegesetz positiv für kleine und mittelständische Unternehmen gestalten. Ich bin gespannt, inwieweit die Endfassung des Vergabegesetzes und die darauf aufbauenden Verwaltungsvereinbarungen die Belange kleiner und mittelständischer Unternehmen integriert. Die große Beteiligung von kleinen und mittelständischen Unternehmen muss das grundsätzliche Ziel sein.
Zusammenfassend hoffe ich, dass „Brandenburg: Die Europäische Unternehmerregion 2011" mittelfristig für reale politische Erfolge in der Wirtschafts- und Mittelstandspolitik steht. Dann würde ich auf solche Meriten gerne verzichten.