- Es gilt das gesprochene Wort ! -
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,
sieben Jahre hat Deutschland die Arbeitnehmerfreizügigkeit für die im Jahr 2004 der EU beigetretenen Mitgliedstaaten eingeschränkt. Andere europäische Mitgliedsstaaten forcierten die europäische Integration und profitierten von ZuwandererInnen aus Mittelosteuropa. Denn die Erfahrungen dieser Länder zeigen: die Migration aus Mittelosteuropa ist zumeist eine Migration von Qualifizierten. Bisher erfolgte die Migration aus Osteuropa in den Arbeitsmarkt und nicht in die Sozialsysteme.
Hier liegt doch eine Chance für Brandenburg!
In Brandenburg ist der Fachkräftemangel keine angedeutete Gefahr am Horizont, es wird nicht erst in der Zukunft Thema - der Fachkräftemangel ist in vielen Berufsgruppen in Brandenburg bereits heute Realität!
Insbesondere in den technischen Berufen wäre die Zuwanderung von Fachkräften für Brandenburg hoch willkommen. Die Zahlen erwerbsloser IngenieurInnen sind in Brandenburg zwischen 1999 und 2007 um mehr als zwei Drittel zurückgegangen. Insgesamt waren 2007 weniger als 2000 IngenieurInnen erwerbslos. Unter Berücksichtigung des demographischen Wandels lässt sich aus diesen Zahlen ableiten, dass in Brandenburg unter IngenieurInnen heute quasi Vollbeschäftigung herrscht. Landkreise und kreisfreie Städte haben teilweise keinen einzigen arbeitslosen Ingenieur vorzuweisen.
Ein weiteres deutliches Zeichen für die Aktualität des Fachkräftebedarfs ist die stark wachsende Relevanz des Themas bei den Unternehmen. Aber der Fachkräftemangel geht über die klassischen Ingenieurberufe hinaus. Gut jedes dritte Unternehmen sieht laut einer aktuellen DIHK-Umfrage den Fachkräftemangel als ein wesentliches Risiko für die eigene wirtschaftliche Entwicklung . Vor einem Jahr waren es nur 16 Prozent.
Die heutige Mammutaufgabe der brandenburgischen Wirtschaftspolitik ist eindeutig die Fachkräftesicherung. Die Industrie- und Handelskammern in Brandenburg haben bereits zu handeln begonnen. Sie zeigen Präsenz auf vielen Ausbildungsmessen in Polen, um Auszubildende für die Brandenburger Wirtschaft zu gewinnen.
Eine Zuwanderung aus anderen Regionen der Europäischen Union könnte den Fachkräftebedarf für Brandenburg abmildern.
Aber ist Brandenburg überhaupt prädestiniert für Einwanderungen?
Deutschland kann durch die bundesrepublikanische Migrationsgeschichte gerechtfertigt als Einwanderungsland bezeichnet werden, auch wenn die Migrationsbilanz Deutschlands gegenüber dem Ausland in den letzten zwei Jahren negativ war1.
Brandenburg dagegen ist zwar ein Wanderungs-, aber kein Einwanderungsland.
In den letzten 20 Jahren sind laut Statistischem Landesamt ca. 1,3 Mio Menschen zugewandert, im gleichen Zeitraum ca. 1,2 Mio Menschen aus Brandenburg abgewandert2, dabei handelt es sich zumeist um BinnenmigrantInnen aus anderen Bundesländern. Einwanderung aus dem Ausland ist dagegen von völlig untergeordneter Bedeutung. Zwischen 1991 und 2008 standen 303.000 ausländischen ZuwandererInnen 237.000 Fortzüge von Ausländern gegenüber. Brandenburg ist also offenkundig bislang für Zuwanderung aus dem Ausland nicht attraktiv genug.
Entsprechend liegt der AusländerInnenanteil in unserem Bundesland unter 3 Prozent liegt. Die kleinteilige Brandenburger Wirtschaft und die strukturschwachen Räume stellen auch keine besonderen Anreize für MigrantInnen dar. Außerdem ist Brandenburg einfach spät dran: welche Chancen die Arbeitnehmerfreizügigkeit bietet haben Großbritannien und Irland in der Vergangenheit gezeigt.
Die bisherige Entwicklung an der Grenze ist laut Institut für Wirtschaftsforschung Halle bemerkenswert: die geographische Nähe ermöglicht einen Zustrom in ländliche Räume Brandenburgs, obwohl die Arbeitsmöglichkeiten bisher begrenzt sind. Die räumliche Nähe zum Herkunftsgebiet könnte also bestehende Attraktivitätshemmnisse Brandenburgs teilweise kompensieren. Festzustellen ist: Eine Einwanderungswelle erreicht Brandenburg nicht.
Die großen Unterschiede im Äquivalenznettoeinkommen zwischen Polen und Brandenburg kombiniert mit der räumlichen Nähe könnte in Einzelfällen attraktiv sein. Der Bund und das Land Brandenburg sind deshalb dafür verantwortlich, Lohndumping und ruinöse Lohnkonkurrenz im Einzelfall zu verhindern. Die bisherige Prüfung der Lohnhöhe durch die Bundesagentur entfällt. Deshalb müssen ordentliche Rahmenbedingungen die Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit begleiten.
"Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort"muss das Ziel sein!
Um dafür die Grundlage zu schaffen, bedarf es hierzulande vor allem einer Maßnahme: die längst überfällige Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Nach Aussage des Berichts der Landesregierung besitzen lediglich Zypern und Deutschland keine Regelung über einen gesetzlichen Mindestlohn. Das ist ein Armutszeugnis!