>>> der alternative Gesetzentwurf unserer Fraktion als pdf
Sehr geehrter Herr Präsident, Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich habe mir lange überlegt, wie ich meine Rede zu dem Gesetzentwurf der Koalition beginne. Eigentlich ist ja ein Sprichwort immer ganz nett. Mit einer leicht positiven Note. Den ersten Referentenentwurf hätte ein Ausruf des Glücks begleiten können, wie „Besser spät als nie". Ich hätte auch die Aufnahme der Kommunen in die Regelungen des vom Kabinett verabschiedeten Vergabegesetzes kommentieren können mit: „Besser den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach".
Leider ist für den nach umfassender Anhörungs- und Ausschussberatung vorliegendem Entwurf bis zur Vorlage des Entschließungsantrags der Ausspruch passend: „Der Berg kreißte und gebar ein Mäuslein."
Mich verwundert diese Entwicklung schon. Meinte ich doch, dass die Differenzen bei der Ausgestaltung eines Landesvergabegesetz zwischen SPD, Linken und Grünen überschaubar wären. Andere Bundesländer, ob nun unter Rot-Grünen oder Rot-Roten Koalitionen, haben doch sehr gute und auch vergleichbare Vergabegesetze verabschiedet.
Dabei war die Ausgangssituation gar nicht so schlecht. Es lag unser alternativer Gesetzentwurf vor. Eine umfangreiche Anhörung ermöglichte den Abgeordneten einen umfassenden Fachinput. Der Appell einer Koalition aus Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und NGOs als Minimalkonsens die Schwellenwerte radikal abzusenken, mussten auch dem letzten Abgeordneten die Augen öffnen, dass der Arbeitsauftrag des Koalitionsvertrages im Gesetzentwurf der Landesregierung nicht wiederzufinden ist.
Nun hat sich der Pulverdampf verzogen und das Ergebnis liegt auf dem Tisch.
Die Erhöhung der Mindestentlohnung auf 8 Euro und die Absenkung des Schwellenwertes für Bauaufträge von 100.000 auf 50.000 Euro.
Was waren aber noch die Erkenntnisse der Anhörung?
- Der Gesetzentwurf der Landesregierung ist wirkungslos, da die nach wie vor unpraktikabel hohen Wertgrenzen die Anwendung des Vergabegesetzes bei 80 bis 90 Prozent aller Vergaben verhindern. -Spricht für sich-
- Auf die Berücksichtigung von Umweltkriterien wird im Gesetz verzichtet. -Ein Brandenburger Sonderweg- (beste Begründung liefert übrigens Herr Kosanke im Wirtschaftsausschuss: „Die Brandenburger Unternehmen wären noch nicht soweit.") Stattdessen soll die Landesregierung dies nunmehr untergesetzlich regeln.
- Der Gesetzentwurf löst auch bei sozialen Aspekten nicht die Versprechungen der Koalitionsvereinbarungen ein. Denn die Höhe des Mindestlohns, der Verzicht auf internationale Schutzstandards und die unzureichende Gleichstellung inländischer und ausländischer Bieter im Bewerbungsverfahren untergraben soziale Standards, wie Sie in vielen anderen Bundesländern gelten.
Das Ergebnis ist:
- Nicht einmal die in der Anhörung vorgebrachte gemeinsame Forderung der drei Bauverbände und des DGB nach einer Senkung der Wertgrenze für Bauaufträge auf deutlich unter 10.000 Euro zeigte nennenswerte Wirkung.
- Auch unser Aufgreifen der Gewerkschaftsforderung eine Vergabe-Mindestentlohnung von 8,50 €/Stunde verpuffte. Obwohl erst ein Mindestlohn von 8,50 Euro den Sprung über die aktuellen Pfändungsfreigrenze und damit eine umfassende Partizipation am Wirtschaftsleben ermöglicht. Dass eine rot-rote Regierungsmehrheit tatsächlich gegen einen Mindestlohn von 8,50 € stimmt, hätte ich nicht gedacht.
- Ebenso unverständlich ist die Weigerung der Landesregierung, die ILO-Kernarbeitsnormen, wie z.B. das Verbot ausbeuterischer Kinderarbeit, in das Vergabegesetz aufzunehmen. Was in Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern geht, sollte auch in Brandenburg möglich sein.
- Ich hätte mir auch nie träumen lassen, dass das Herkunftslandprinzip mit dem Vergabegesetz wieder eingeführt wird. Eine Regelung die Gewerkschaften, Grüne, SPD und Linke vor fünf Jahren in Brüssel und Straßburg erfolgreich gemeinsam bekämpft haben.
- Besonders gratulieren möchte ich dem unbekannten Auftraggeber des Parlamentarischen Gutachtens zum Thema Inländerdiskriminierung. Der Auftraggeber der Studie zweifelt anscheinend nicht an der grundsätzlichen Idee dieses Gesetzentwurfs aus- und inländische Unternehmen anders zu behandeln. Nein, weit gefehlt! Die Studie soll nur mögliche verfassungsrechtliche Fehler einer solchen Ungleichbehandlung aufdecken. Zu Hinterfragen, inwieweit diese Ungleichbehandlung überhaupt juristisch notwendig ist, schien dem Auftraggeber nicht in den Sinn zu kommen.
- Gerade bei Ausschreibungen im ÖPNV zweierlei Maß anzulegen, entbehrt jeglicher Grundlage. Denn nach der gültigen europäischen Rechtsprechung gelten aufgrund der Länge des Dienstleistungsvertrages und der Niederlassungspflicht bei Verkehrsausschreibung sowieso die regionalen Arbeitsmarktrahmenbedingungen.
Neben diesen Schwächen ist eine ökologische Handschrift in dem vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung schon gar nicht zu erkennen.
Deshalb lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab.
Nun liegt ein Entschließungsantrag vor, um diese Mankos zu beheben. Der Fortschritt ist eine Schnecke. Die Regierungsfraktionen bewegen sich doch. Deshalb stimmen wir dem Entschließungsantrag zu.
Vielen Dank!