Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen in der Wirtschaftsförderung vor einem Zeitenwechsel. Die finanzielle
Unterstützung vonseiten der Europäischen Union wird in den nächsten Jahren signifikant sinken. Das Volumen der Investitionshilfen des Bundes wird auf das Niveau der westdeutschen Länder reduziert werden, und das in absehbarer Zeit.
Diese Einschränkungen der verfügbaren Investitionsmittel werden im Etat des Wirtschaftsministeriums am deutlichsten zu spüren sein. In der laufenden Förderperiode des EFRE, des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung von 2007 bis 2013, wird über die Hälfte der 1,4 Milliarden Euro dem Ministerium für Wirtschaft und Europaangelegenheiten zur Verfügung gestellt. Ein Ministerium, das drei Viertel seines Volumens für Investitionen ausgibt, muss sich über die Entwicklung, dass die Zuwendungen vonseiten der EU und des Bundes drastisch sinken werden, frühzeitig Gedanken machen. Eine derartige Situation, in der absehbar die zukünftigen Handlungsspielräume des Investitionsministeriums schlechthin fundamental eingeschränkt werden, erzwingt einen Paradigmenwechsel in der Wirtschaftspolitik. Ausrichtung und Art und Weise der Förderung müssen generell hinterfragt werden.
Ich will mich auf zwei Fragen konzentrieren, bevor ich zum Thema ILA komme. Ist das Rezept „Stärken stärken“ der richtige Weg für Brandenburg? Ist eine Förderung, die sich im Wesentlichen über Zuschüsse an Unternehmen definiert, effizient und zukunftsfähig für unser Land?
Diese Fragen müssen dringend diskutiert und beantwortet werden, da Kurskorrekturen heute und nicht erst morgen vorgenommen werden müssen. Herr Kosanke und die Landesregierung sind davon überzeugt, dass die Neuausrichtung der Förderpolitik unter dem Motto „Stärken stärken“ positive Wirkung gezeigt hätte. So wird immer wieder hervorgehoben, dass Sofortmaßnahmen und prioritäre Maßnahmen die Entwicklung in den Regionalen Wirtschaftskernen vorangetrieben hätten.
Ich weiß nicht, auf welchen Erkenntnissen dieser Optimismus beruht. Mehrere hundert Millionen Euro, 320 Millionen Euro zwischen 2008 und diesem Haushalt 2010, für den Ausbau der kommunalen Wirtschaftsstruktur kamen in den letzten Jahren ausschließlich den 15 Regionalen Wachstumskernen zugute. Trotzdem lässt sich dem 8. Bericht der Interministeriellen Arbeitsgruppe Aufbau Ost nicht entnehmen, dass die Regionalen Wachstumskerne im Gegensatz zu anderen Regionen Brandenburgs eine deutlich bessere wirtschaftliche Entwicklung genommen hätten.
(Beifall GRÜNE/B90)
Dies ist zum einen Teil dem mangelhaften Datenmaterial aus den RWKs geschuldet, was von der IMAG auch beklagt wurde. Dennoch war die IMAG auf Basis des vorhandenen Datenmaterials zu einigen grundsätzlichen Einschätzungen gekommen, die nicht nur uns an der Wirksamkeit der Mittelverwendung zweifeln lassen. So heißt es in diesem 8. Bericht zu den Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise sogar ausdrücklich: Auch die Arbeitsmarktsituation hat sich in den RWKs wie in Brandenburg insgesamt nicht signifikant verschlechtert. Aha, sie hat sich nicht signifikant verschlechtert. Aber sie hat sich eben auch nicht signifikant verbessert.
(Vereinzelt Beifall CDU)
Anscheinend auch, um dem vielerorts auch vorhandenen Unbehagen über die Entwicklung der RWK entgegenzutreten, ist nun eine Evaluation in Auftrag gegeben worden. Dabei bereichern die nunmehr mit der Evaluation dieser Strategie beauftragten Gutachter die politische Diskussion zurzeit noch mehr mit Fragen als mit Antworten und stellen in ihrem 1. Zwischenbericht nicht nur fest, dass die Komplexität des Untersuchungsgegenstandes große Schwierigkeiten für eine belastbare Evaluation darstellt,
(Burkardt [CDU]: Aha!)
sondern sie stellen zudem heraus, dass von 133 geplanten Projekten bis Oktober 2009 nur 21 abgeschlossen waren, davon zur Hälfte Verkehrsinfrastrukturprojekte. Bis zum Ende der Evaluation werden 36 Projekte abgeschlossen sein, also nicht einmal ein Drittel.
Wörtlich heißt es in dem Zwischenbericht: „Bei der Mehrzahl der Projekte handelte es sich um Investitions- und Bauprojekte, bei denen nach der Fertigstellung erst mit weiteren Verzögerungen die tatsächlichen Wirkungen und Effekte ersichtlich werden.“
Auf welcher Grundlage, Herr Kosanke oder Herr Minister Christoffers, erfolgt also die Einschätzung, dass das Konzept „Stärken stärken“ ein Erfolg war, wenn nicht einmal vernünftige Ausgangsdaten vorliegen und in nächster Zeit auch keine Wirkungen erkennbar sein werden?
(Beifall GRÜNE/B90 sowie vereinzelt CDU)
Für uns ist bislang nur eine Aussage belastbar: Der 8. Bericht der Interministeriellen Arbeitsgruppe stellt überaus deutlich fest, dass kleinere RWKs mit einer breiter diversifizierten Wirtschaftsstruktur die besten Entwicklungen aufweisen. Das muss die Leitlinie der Brandenburger Wirtschaftsförderung werden: kleiner und breiter diversifiziert, statt groß und monostrukturiert.
Ein solcher Ansatz greift das Konzept „Stärken stärken“ im Grundsatz an. Der bisherige Ansatz der Förderpolitik, die Mittel auf wenige Branchen, auf wenige Zentren und ursprünglich sogar auf einen Flickenteppich von Branchenschwerpunktorten zu konzentrieren, sollte ad acta gelegt werden.
Frau Kaiser - jetzt ist sie nicht anwesend - hatte 2007 Recht, als sie bei der Haushaltsberatung für den Doppelhaushalt 2008/2009 das Konzept „Stärken stärken“ in Zweifel zog und Richtlinien beklagte, durch die einer Vielzahl von Kommunen unseres Landes bzw. ganzen Regionen von vornherein der Zugang zu diesen Fördermöglichkeiten verbaut wird.
Eine grundlegende Änderung der Förderstrategie des Landes wäre deshalb überfällig. Mit der Streichung des Konzepts der Branchenschwerpunktorte haben Sie einen richtigen Schritt gemacht,
um allerdings gleich einen falschen zweiten danebenzusetzen.
Ich zitiere aus der Antwort auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Senftleben „Effekte des Förderinstruments der Branchenschwerpunktorte“ durch die Landesregierung: „Gestützt auf die Empfehlung des Gutachters, aber auch
im Hinblick auf die Erfüllung des wesentlichen Zwecks soll in der neuen Legislaturperiode die Förderkategorie der
Branchenschwerpunktorte aufgegeben werden. Dies dient der Transparenz und stellt eine Vereinfachung des Förderszenarios dar. Damit würde außerdem eine weitere Konzentration der Fördermittel auf die integrierte Standortentwicklung in den Regionalen Wachstumskernen erfolgen.“
Das heißt, man lehnt das Projekt der Branchenschwerpunktorte jetzt ab, sammelt das Geld ein und will sich noch stärker auf die Regionalen Wachstumskerne konzentrieren, als es bisher schon der Fall war. Das heißt, man schränkt die Förderung auf noch weniger Regionen ein. Ich denke, das ist der falsche Weg. Wir halten das jedenfalls für falsch. Wir halten dies auch für eine eigentlich nicht nachvollziehbare Fortführung des schwarzroten
Konzepts der Vorgängerregierung.
(Zuruf von der CDU: Na, na!)
Sie verletzt das Konzept der sozialen Marktwirtschaft nachhaltig und schlägt alle ordnungspolitischen Grundsätze in den Wind. Auch in Brandenburg sollte die Politik in der Lage sein, einen ordnungspolitischen Rahmen vorzugeben, der Wettbewerbschafft und nicht unterbindet. Wir alle müssen daran arbeiten, Brandenburg innovativ und zukunftsorientiert auszurichten; deshalb ist es zwingend notwendig, auch im Sinne des Wahlprogramms
der Linken, alle Regionen in die Förderung einzubinden. Wir benötigen eine Förderstrategie mit einem dezentralen
Ansatz, die auf den Erfahrungen der Regionen aufbaut. Zwischen den Kommunen muss ein Wettbewerb um die besten Ideen und Ansiedlungskonzepte möglich werden.
(Beifall GRÜNE/B90)
Im Haushalt ist von diesem Ansatz allerdings nichts zu finden. Kommen wir zum zweiten Thema. Brandenburg ist darauf angewiesen, auch nach Auslaufen der EU-Fördermittel flexibel die private Wirtschaft unterstützen zu können. Deshalb muss die Unternehmensförderung deutlich umsteuern. In den Koalitionsvereinbarungen wurde diese Notwendigkeit eines Strategiewechsels erkannt. Deshalb sollen „Fördermittel als rückzahlbare Zuschüsse gewährt werden“. Diesen Ansatz der Landesregierung teilen wir ausdrücklich. Angesichts der auslaufenden Fördermittel und der angespannten Haushaltslage ist eine Mehrfachnutzung öffentlicher Gelder unumgänglich. Das heißt, Wirtschaftsfördermittel dürfen nicht mehr als Zuschüsse verschenkt, sondern müssen als Kredite vergeben werden und durch Tilgung an den Staat zurückfließen. Deshalb ist es zwingend erforderlich, die Umstellung von der Zuschusspolitik zur Kreditvergabe und Bürgschaftsgewährung jetzt voranzutreiben.
Noch hat das Wirtschaftsministerium weit über 500 Millionen Euro der EFRE-Mittel der gegenwärtigen Förderperiode nicht verwendet. Die finanzielle Basis für Kreditvergaben könnte also sichergestellt werden. Doch dieser Haushaltsentwurf verwirklicht die Koalitionsvereinbarungen nicht. Ein Strategiewechsel ist bislang nicht zu erkennen. Ganz im Gegenteil, der Haushaltsentwurf zementiert die bisherige Unternehmensförderung für die gesamte Legislaturperiode.
Der Haushaltsentwurf 2010 plant in der Wirtschafts- und Strukturpolitik eine Mittelbereitstellung an private Unternehmen in Höhe von 160 Millionen Euro. Darüber hinaus werden Verpflichtungsermächtigungen für die nächsten Jahre im Umfang von über 400 Millionen Euro ausgebracht. Solche Geschenke verhindern bisher die potenzielle Inanspruchnahme von Bürgschaften und Gewährleistungen. Im Jahr 2008 wurde der Ermächtigungsrahmen für Bürgschaften, der 525 Millionen Euro betrug, nur in Höhe von 31 Millionen Euro ausgeschöpft. Der Ermächtigungsrahmen für Garantien und sonstige Gewährleistungen wurde nur in Höhe von 5 % genutzt. Im Jahr 2009, im Jahr der Finanzkrise, als ja beredt darüber gesprochen wurde,wie schwer es für Unternehmen ist, Kredite zu erhalten, stiegen die in Anspruch genommenen Bürgschaftsmittel lediglich von 5 % auf 10 %. Das heißt, 427 Millionen Euro bereitgestellte Bürgschaften wurden von den Unternehmen in Brandenburg nicht nachgefragt - ein Riesenangebot, aber keine Inanspruchnahme. Das sind skandalöse Zahlen, die jedem Wirtschaftsförderer die Schamesröte ins Gesicht treiben sollten. Solange die Regierung Fördermittel verschenkt, ignorieren private Unternehmer Bürgschafts- und Gewährleistungsmöglichkeiten. Der derzeitige Haushaltsentwurf setzt keine Anreize für private Unternehmen, auf Darlehen zurückzugreifen.
Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung ist daher unser Antrag - Herr Kosanke, diesen hatten Sie nicht erwähnt - zur Stärkung der Mikrofinanzierung. 800 000 Euro sollen als Mikrokredite und Darlehen neu gegründeten und jungen Unternehmern zur Verfügung gestellt werden.
(Kosanke [SPD]: Das gibt es schon!)
- Ja, aber unzureichend. Das wissen Sie doch. Hierdurch würden der Zugang zu Finanzdienstleistungen erheblich verbessert und das Angebot an Finanzierungsmöglichkeiten ergänzt. Dieser Antrag kombiniert sinnvoll die
Ansprüche an eine nachhaltige Unternehmensförderung, indem ein essenzielles Förderungsinstrument für Brandenburg gestärkt und gleichzeitig die Mehrfachnutzung dieses Geldes sichergestellt wird. Das ist ein erster Schritt. Deshalb bitte ich Sie, den Antrag zu unterstützen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, wir sollten uns einig sein, dass sich Brandenburg keine Verschwendung für Großprojekte mehr leisten kann.
(Beifall GRÜNE/B90)
Deshalb haben wir einen Antrag auf Streichung der Förderung der ILA 2010 eingebracht. Die Unterstützung einer Waffenschau durch umfangreiche öffentliche Steuergelder lehnen wir strikt ab.
(Beifall GRÜNE/B90)
Die ILA definiert sich selbst als eine der bedeutendsten wehrtechnischen und sicherheitspolitischen Messen in Europa. Sie bewirbt sich als „ideale Plattform für den internationalen Dialog zwischen Politik, Industrie und Streitkräften“. Die ILA sieht in ihrem Ausstellungsprogramm die seltene Chance, einen direkten Vergleich fliegender Waffensysteme zu erlangen. Für eine solche Ausstellung will unsere Landesregierung unter Beteiligung der Linken, die im Bund so vehement gegen Krieg und Rüstungsindustrie streitet,
(Görke [DIE LINKE]: So wie ihr! - Frau Wehlan [DIE LINKE]: Afghanistan lässt grüßen!)
öffentliche Mittel verwenden, statt die Finanzierung an die Aussteller zu delegieren. Schlimm genug.
Jetzt steht die Verlängerung der ILA für die Jahre 2012 bis 2020 an. Eine komplett neue Infrastruktur wird aus dem Boden gestampft, um nach wenigen Jahren wieder zu verschwinden. Für all die geplanten Maßnahmen wurden unterschiedlichste Millionenbeträge veranschlagt. Anfangs wurden 120 Millionen Euro genannt; diese wurden mit der Zeit auf 27 Millionen Euro schöngerechnet, aber da scheint es auch noch Zweifel zu geben, denn in der letzten Woche kursierte die Zahl 50 Millionen Euro.
Jede der Veranstaltungen zwischen 2012 und 2020 wird die Steuerzahler mehr als 10 Millionen Euro Kosten. Hand aufs Herz, verehrte Kolleginnen und Kollegen, glauben Sie wirklich, dass es bei dieser Summe bleibt? Wir sehen die Gefahr, dass sich die Landesregierung in ein neues finanzielles Abenteuer begibt, das sich schnell zum Fass ohne Boden entwickeln kann. Verlässlichkeit in Zusagen, Geld zu versenken, ist kein guter Politikansatz, Herr Kosanke.
(Beifall GRÜNE/B90)
Nicht nur zur Dokumentation unserer eigenen Ablehnung der Bewerbung Berlin und Brandenburg für die ILA 2012 und folgende bringt die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen zusätzlichen Antrag ein. Dieser Antrag streicht die eingestellten Verpflichtungsermächtigungen für die Durchführung der ILA 2012 - nicht für die ILA 2010 -, um hier eine breite Zustimmung zu ermöglichen. Dieser Antrag soll Ihnen ermöglichen, Ihre Ablehnung dieses Finanzabenteuers deutlich zu machen. Wir bitten Sie: Unterstützen Sie unseren Antrag in der namentlichen Abstimmung!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, insgesamt muss die Wirtschaftsförderung grundsätzlich neu ausgerichtet werden. Liebe Kollegen der Linken, lieber Herr Minister Christoffers, bleiben Sie Ihrem Wahlprogramm ein wenig treuer. Nehmen Sie von der rot-schwarzen Förderstrategie „Stärken stärken“ Abstand. Die Kritik aus Ihrer Fraktion in der vergangenen Legislaturperiode hat sich als richtig erwiesen.
(Bischoff [SPD]: Wo ist denn eine Alternative?)
Die bisherigen RWK-Regionen haben keine wirtschaftlichen Ausrufezeichen setzen können. Herr Christoffers, setzen Sie schleunigst Ihren Koalitionsvertrag um. Nutzen Sie Investitionsmittel mehrmals. Senken Sie die Mittel für reine Zuschüsse drastisch, damit die Unternehmen die Kredit- und Bürgschaftsmöglichkeiten auch nachfragen. Die Ausweitung des Kreditangebots allein führt nicht zu einem Strategiewechsel, solange an anderer Stelle nicht rückzahlbare Zuschüsse in Anspruch genommen werden können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, bleiben Sie Ihren Grundsatzpositionen treu,
(Görke [DIE LINKE]: Das müssen Sie gerade sagen!)
lehnen Sie mit uns zusammen die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung 2012 und potenzielle Folgeveranstaltungen ab. Bitte unterstützen Sie unsere Anträge. - Danke.
(Beifall GRÜNE/B90)