Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir reden möglicherweise über den letzten Haushalt dieser Legislaturperiode; der Finanzminister versucht ja, um jeden Preis einen Nachtragshaushalt im Wahljahr zu verhindern. Wir reden über einen Haushalt in wirtschaftlich guten Jahren. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist gestiegen. Die Steuereinnahmen brummen. Die Solidarpaktmittel fließen auch 2013 und 2014 mit 800 Millionen Euro noch reichlich. Die Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich steigen - allen Vorhersagen zum Trotz.
Das uns nach Einwohnern und Größe vergleichbare Bundesland Schleswig-Holstein muss mit einer Milliarde Euro weniger auskommen. Schätzungen zu Beginn der Legislaturperiode, dass wir 2020 mit 2 Milliarden Euro weniger auskommen müssen, sind überholt. Inzwischen geht die Landesregierung, vorsichtig geschätzt, von gleichhohen Einnahmen in Höhe von rund 10 Milliarden Euro zumindest bis 2019 aus.
Natürlich gibt es Risiken, und die sind hier nicht verschwiegen worden: Eurokrise, Neuverhandlung des Länderfinanzausgleichs nach 2019. Aber Brandenburg hat auch Potenzial: Die Gehälter liegen bei uns immer noch erst bei rund 80% des Westniveaus, mit steigender Tendenz. Die Einnahmen aus der Erbschaftssteuer erreichen jetzt gerade mal die Höhe der Einnahmen aus der Biersteuer - das zeigt aber auch, wie schwach unsere Vermögensverhältnisse hier sind - nämlich 17 Millionen Euro; sie liegen damit pro Kopf gerade mal bei einem Zwanzigstel der bayerischen Werte.
Die vom DIW dokumentierte systematische Verzerrung bei der Körperschaftsteuerverteilung zulasten der ostdeutschen Länder wird sich mit weiterer Angleichung der Einkommen zwischen Ost und West auflösen.
Natürlich sind weitere Einnahmeverbesserungen möglich, aber die wesentliche Meldung des letzten Jahres war ja, dass sich Herr Markov gegen den Ankauf der Steuersünder-CD aus der Schweiz gesperrt hat und damit keinen Beitrag dazu leisten wollte, dass Steuerhinterziehung an der Quelle bekämpft wird. Er wollte in Kauf nehmen, hier auf Einnahmen zu verzichten. Aber die Einnahmesituation ist nicht schlecht, und man könnte eigentlich fast ausrufen: „Glückliches Brandenburg!“, wenn man nur die Einnahmen betrachten würde. Ganz im Gegensatz zu Herrn Görke bin ich nicht der Auffassung, dass wir ein Einnahmeproblem haben, sondern wir haben ein Ausgabeproblem im Land.
(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)
Denn ein Blick auf die Ausgaben relativiert das Bild ganz beträchtlich. Inzwischen beträgt die Verschuldung des Landes 19 Milliarden Euro, unsere Zinszahlungen betragen rund 600 Millionen Euro pro Jahr. Auch wenn wir in den nächsten beiden Jahren aufgrund der historisch niedrigsten Zinssätze - Umlaufrendite heute: 1,1 % - profitieren, heißt das nicht, dass es so bleiben muss. Nur 1 Prozentpunkt Erhöhung der Zinssätze würde mittelfristig zu 200 Millionen Euro höheren Zinsausgaben führen, und das kann bei dem aktuellen Zinsniveau, dem niedrigsten, das wir jemals in Deutschland hatten, raketenartig abgehen.
Jenseits aller Vorgaben aus Schuldenbremse und Europäischem Stabilitätspakt, jenseits aller Überlegungen zur Generationengerechtigkeit als Grundprinzip nachhaltigen Wirtschaftens ist dieses Zinsrisiko allein schon ein unmittelbar einsichtiger Grund, auf Neuverschuldung zu verzichten und in die Tilgung der aufgelaufenen Schulden einzusteigen.
(Beifall GRÜNE/B90 und FDP)
Ich komme auf die Personalausgaben zu sprechen. Die großzügige Verbeamtungspolitik der Anfangsjahre rächt sich jetzt mit steigenden Versorgungsausgaben. Der Wert der Versorgungsansprüche des vor 2009 eingestellten Personals liegt in einer ähnlichen Größenordnung wie die Schulden des Landes, also bei rund 20 Milliarden Euro. Die Versorgungsausgaben steigen allein in den nächsten vier Jahren um 80 % an, mit noch weiter steigender Tendenz. Ein Nebeneffekt ist übrigens, dass die zunehmenden Pensionszahlungen beginnen, das Bild der Personalausgaben in den einzelnen Ressorts zu verzerren. Da die Zahlungen an die Pensionäre nicht in einem Einzelplan gebündelt werden, sondern diese weiterhin ihren früheren Ressorts zugeordnet bleiben, steigen die Personalkosten in allen Einzelplänen an und erwecken so den Eindruck, als ob das Land immer mehr Geld für Bildung und Polizei ausgebe, obwohl immer weniger aktive Bedienstete bezahlt werden.
(Beifall GRÜNE/B90)
Die Personalausgaben steigen also trotz Personalabbau. Diese systematische Verzerrung muss meiner Ansicht nach gelöst werden. Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit können nur dann entstehen, wenn die Pensionszahlungen aus den einzelnen Ressorts herausgelöst und dem Finanzministerium zugeordnet werden
(Beifall GRÜNE/B90)
Wahr ist aber auch, dass wir Personal abbauen müssen und dass der Personalbestand in der heutigen Größenordnung nicht gehalten werden kann. Dazu werde ich später noch weiter ausführen. Mit den sinkenden Bundes- und EU-Mitteln werden die Investitionen in den nächsten Jahren zwangsläufig zurückgehen, auch wenn die Investitionsquote 2013 wegen der geplanten Zuschüsse an die Flughafengesellschaft noch einmal einen Sprung um 1,2 Prozentpunkte nach oben machen sollte. Allerdings denke ich: Das hat sich auch die CDU nicht unter Verbesserung der Investitionsquote vorgestellt.
Ein Blick in die vorliegende Investitionsplanung zeigt allerdings auch, wie unzuverlässig der Investitionsbegriff ist. So ist nach der Investitionsplanung des Landes die angeblich größte Investitionsmaßnahme im Wissenschaftsministerium die Ausreichung von Darlehen im Rahmen der Ausbildungsförderung nach dem BAföG, also die Weiterleitung von Bundesmitteln an die Studierenden. Das greift zwar den gern zitierten Spruch von den „Investitionen in Köpfe statt in Beton“ in cleverer Weise auf, ist aber wohl nicht das, was landläufig unter Investitionen verstanden wird.
(Beifall GRÜNE/B90, CDU und FDP)
Das Beispiel zeigt auch, dass die Diskussion über einzelne Kenngrößen, wie die Investitionsquote, irreführend sein kann, wenn in den Ausgangszahlen Kraut und Rüben vermischt werden. Trotz sinkender Investitionszuschüsse ist es aber auch in den nächsten Jahren nicht so, dass Brandenburg nicht genug Geld hätte. Dies zeigt nicht nur das aktuelle Beispiel des wasserwirtschaftlich unnötigen Kanals Überleiter 12 in der Lausitzer Seenlandschaft, der 2001 aus Kostengründen nicht gebaut werden sollte; damals hatte man 30 Millionen geschätzt. 2004 waren die Kosten plötzlich auf 6,5 Millionen Euro heruntergerechnet worden. Daraufhin fiel die Entscheidung, diesen Überleiter zu bauen. Inzwischen sind wir bei sage und schreibe 51 Millionen Euro angelangt.
Für sinnlose Prestigeobjekte oder unsinnige Finanzierungskonstruktionen, wie die Public Private Partnership beim Bau des neuen Landtages, ist immer genug Geld zu finden gewesen. Diese Verschwendung muss aufhören. Das Geld muss dort hingelenkt werden, wo es am dringendsten benötigt wird: in die Bildung und in den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das muss nicht immer mit horrenden Summen verbunden sein; mitunter reicht es, das eigene Köpfchen anzustrengen.
(Beifall GRÜNE/B90)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Doppelhaushalt ist nicht nur der letzte reguläre Haushalt in dieser Legislaturperiode, falls kein Nachtragshaushalt kommt. Er ist zugleich der letzte reguläre Haushalt vor den Landtagswahlen 2014, Landtagswahlen, die ihren Schatten bereits auf diesen Haushalt werfen. Er ist deshalb an vielen Stellen zugleich ein Haushalt des Versteckens unangenehmer Wahrheiten. Die von Rot-Rot behauptete Schwerpunktsetzung auf Schulen und Hochschulen ist behauptet, aber nicht eingelöst.
Wer über den Doppelhaushalt 2013/2014 redet, kommt am Flughafen BER natürlich nicht vorbei und muss über Mehrausgaben in dreistelliger Millionenhöhe reden - Mehrausgaben, die dem Missmanagement in der FBB und dem Versagen des Aufsichtsrates geschuldet sind.
(Beifall GRÜNE/B90 und CDU - Zuruf des Abgeordneten Holzschuher [SPD])
Unser Ministerpräsident hat es in der Flughafendebatte letzte Woche geradezu zur patriotischen Pflicht erklärt, sich in puncto Flughafen BER mit Kritik zurückzuhalten, um keine Insolvenz herbeizureden. Aber immer wenn das Vaterland ins Spiel gebracht wird, müssen alle Alarmsirenen heulen.
(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)
Dann darf man sich als Politiker nicht bei der Ehre packen lassen, sondern muss umso genauer hinsehen, vor allen Dingen dann, wenn die Landesinteressen mit den Interessen einer privatwirtschaftlich organisierten Flughafengesellschaft gleichgesetzt werden.
„In der gegebenen Ertrags- und Kostenstruktur ist die FBB nicht in der Lage, zusätzliche Kredite aufzunehmen und
zu bedienen.“ Dies ist der entscheidende Satz unseres Finanzministers zur Situation des Flughafens BER. Oder auf gut Deutsch: Die Flughafengesellschaft FBB ist nicht mehr kreditwürdig, und wenn nicht ganz schnell Geldquellen gefunden werden, auch bald insolvent. Diese böse Wahrheit findet ihre Entsprechung auch im vorliegenden Haushaltsentwurf.
(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)
Dabei ergibt sich die Notwendigkeit, uns mit den Folgen des BER-Desasters im Haushaltsentwurf auseinanderzusetzen, nicht allein aus der absehbar hohen Belastung heraus, die - je nach Betrachtungsweise und Quelle - zwischen den offen im Haushalt veranschlagten 252 Millionen Euro über die vom MdF angekündigten,aber im Haushaltsentwurf nicht aufzufindenden 435 Millionen Euro bis hin zu möglichen 624 Millionen Euro plus x für die Abwendung einer Insolvenz der Flughafengesellschaft eichen kann. Das ist absehbar mehr Geld, als für alle Kindertagesstätten oder die Hochschulen dieses Landes im Jahr 2013 zur Verfügung stehen wird. Im Gegensatz zum Flughafen allerdings sind Kitas und Hochschulen seit Jahren in der Liste der haushaltspolitischen Schwerpunktvorhaben dieses Landes aufgeführt. Die bis vor kurzem von Wirtschaftsminister Christoffers noch völlig ausgeschlossenen Zuschüsse für den BER sind dies allerdings nicht.
Natürlich ist es richtig und legitim, in der Diskussion die Summen für den Flughafen in ein Verhältnis zu den übrigen Ausgabenpositionen des Haushaltes zu setzen. Sowohl mir als auch all den Menschen an den Fernsehgeräten fallen sofort x Möglichkeiten ein, in welchen Aufgabenbereichen dieses Geld sinnvoller einzusetzen wäre. Ein einziges Beispiel möge genügen: 100 zusätzliche Lehrkräfte kosten 5 Millionen Euro.
(Holzschuher [SPD]: Aber jedes Jahr!)
Das ist eine Summe, die Jahr für Jahr allein aus den eingesparten Zinsen für die Aufnahme von 252 Millionen Euro zu finanzieren wäre.
(Beifall GRÜNE/B90)
Nur 1 bis 2 % des Landeshaushaltes sind normalerweise frei verfügbare Mittel, also Mittel, die nicht aufgrund von Gesetzen oder Verträgen bereits gebunden sind. Bei 252 Millionen Euro sind wir in dieser Größenordnung. Das heißt: Alles das, was normalerweise an Mitteln zur Verfügung steht und worüber wir als Abgeordnete ernsthaft verfügen können, wird in einem Jahr mit dem Flughafen verfrühstückt.
Mit dem Anliegen, hier mit einem Schlag Hunderte Millionen Euro für den Flughafen lockerzumachen, besteht in der heutigen Diskussion ein krasser Unterschied zur Diskussion überden Haushalt im letzten Jahr. Ich erinnere daran, dass vor einem Jahr mit dem Hinweis auf fehlende Haushaltsmittel den Freien Schulen zwischen 2012 und 2015 ein Sparbeitrag von 14,3 Millionen Euro und den Hochschulen eine globale Minderausgabe in Höhe von 12 Millionen Euro abverlangt wurden - Sparbeiträge, die unser Bildungssystem über das Jahr 2012 hinaus auf Dauer schwächen werden. Als linker oder sozialdemokratischer Abgeordneter würde ich mich in meinem Selbstverständnis ziemlich angegriffen fühlen, wenn ich aufgrund des Versagens meiner Regierungsmitglieder im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft plötzlich Mittel in dieser Größenordnung lockermachen sollte.
(Beifall GRÜNE/B90, CDU und FDP)
Alle Hoffnungen, die sogenannte Schwankungsreserve für wichtige Projekte in den Wahljahren 2013 und 2014 einsetzen zu können, alle Pläne, die Verwendung eines Teils der in den Vorjahren angesparten Rücklage zur Verbesserung der Situation in unserem Bildungssystem einzusetzen, sind erst einmal vorbei. Herr Görke, ich muss Ihnen vorwerfen: Sie können den Haushalt gar nicht lesen.
(Zuruf des Abgeordneten Görke [DIE LINKE])
Sie behaupten hier, die Schwankungsreserve diene dazu, genau diese prioritären Aufgaben mit abzudecken. Schauen Sie aber bitte in den Einzelplan 20: Bei „Entnahme aus der Rücklage“ müsste ein Betrag stehen. Tut es aber nicht! Da steht Null. Das heißt, die Rücklage wird nicht für Ihre prioritären Projekte in Anspruch genommen, sondern - ganz im Gegenteil - diese Rücklage ist reserviert für Mehrausgaben beim Flughafen.
(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man davon ausgeht, dass ein Haushalt aus sich selbst heraus verständlich sein soll, müssen in puncto BER selbst altgediente Haushaltsexperten die Publikumsfrage stellen - allerdings erfolglos. Denn allein aus dem Haushalt ist nicht ersichtlich, wie viel Geld das Land zu opfern bereit ist.
Dabei kann man nicht einmal sagen, dass der Flughafen im Haushalt versteckt würde. An allen Ecken und Enden stolpert man über den Flughafen - egal, ob im Haushalt der Umweltministerin, wo nun 331 000 Euro für die Anmietung von Räumlichkeiten auf dem Flughafengelände eingeplant sind, oder im Haushalt des Innenministers, der zukünftig 233 000 Euro Miete für den Flughafenasylknast bezahlen soll; ich dachte erst, das sei der Kaufpreis, nachdem ich Bilder von dem Objekt gesehen hatte.
(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)
Aber das sind alles Kleinigkeiten im Vergleich zu dem, was sonst noch auf uns zurollt. Der Finanzminister hat ausgeführt, dass im Haushalt für den Flughafen BER - und zwar ausschließlich für den Flughafen - eine zusätzliche Kreditaufnahme von 160 Millionen Euro für zulässig erklärt werde. Weiterhin hieß es, dass 62 Millionen Euro der in den Haushalt eingestellten 222 Millionen Euro für 2013 aus dem allgemeinen Haushalt kämen. Das ist gleich der nächste Schwindel: Da der Haushalt 2013 nicht ausfinanziert ist, muss natürlich der gesamte BER-Beitrag in Höhe von 222 Millionen Euro der Neuverschuldung zugerechnet werden, nicht nur 160 Millionen Euro.
(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)
Denn wahr ist doch auch, dass mit Auflösung der Rücklage bereits 2013 keine Neuverschuldung mehr erforderlich wäre, Flughafen hin oder her. Reichlich tricky und genauso ein Schwindel ist die Argumentation mit dem Lärmschutz. Richtig wäre die Ansage, dass das Terminal aufgrund der Entscheidungen des Aufsichtsrates Mehrkosten in Höhe von 698 Millionen Euro verursacht hat; das ist nämlich bislang so ziemlich die einzige belastbare Größe.
Stattdessen wird für uns Abgeordnete die Leimrute ausgelegt und mit der anteiligen Finanzierung von Mehrausgaben für den Lärmschutz geworben. Lärmschutz - das klingt gut. „Kaum jemand kann sich dagegen sperren“, wird sich der Finanzminister gedacht haben. Allerdings handelt es sich bei der Finanzierung des planfestgestellten Lärmschutzniveaus im Gegensatz zu den Mehrkosten beim Terminal nicht wirklich um Mehrkosten, sondern um Ausgaben, die von Geschäftsführung und Aufsichtsrat zuvor beharrlich ignoriert worden waren.
(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)
Völlig ausgeblendet bleibt bei dieser Argumentation, dass es um ein Gesamtdefizit bei der FBB und um ein Gesamtfinanzierungspaket für die FBB geht und dass es, wenn das Geld erst einmal in der Kasse klingelt, völlig egal ist, welche Kosten damit abgedeckt werden.
Ich betone: 222 Millionen Euro 2013, 30 Millionen Euro 2014 und unbegrenzter Zugriff auf die Rücklagen. Letztere sind aus dem Haushalt nicht ersichtlich. Erst Nachfragen beim Finanzminister haben ergeben - er hat es in seiner heutigen Rede bestätigt -, dass die Rücklagen 372,3 Millionen Euro - aus den Jahren 2007, 2008 und 2011 - betragen. Hinzu kommen die in ihrer Höhe noch gar nicht abschätzbaren, aber sehr zu vermutenden Überschüsse des laufenden Jahres 2012, mithin mehr als 624 Millionen Euro. Anders formuliert: Auf mehr als eine halbe Milliarde Euro soll der Landesregierung der Zugriff ermöglicht werden, mit der Folge, dass in den nächsten zwei Jahren ein Nachtragshaushalt nicht erforderlich sein wird und die Landesregierung einer breiten parlamentarischen Debatte aus dem Weg gehen kann. Ich denke, das ist in niemandes Interesse.
(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)
Nun könnte man über all das vernünftig reden, wenn der Landtag sich damit nicht einer privatrechtlichen Firma ausliefern würde; einer GmbH, die im Landesinteresse erklärtermaßen nicht pleitegehen darf, sich aber auch nicht in die Karten sehen lassen will; einer Gesellschaft, die mit Milliardenbeträgen operiert, aber, obschon vollständig in öffentlichem Eigentum stehend, außerhalb der üblichen Kontrollmechanismen agiert; einer Gesellschaft, die weder von den Rechnungshöfen von Bund und Ländern noch von uns Abgeordneten adäquat kontrolliert werden kann; einer Gesellschaft, von der man zunehmend den Eindruck gewinnt, die Rechtsform der GmbH diene in erster Linie als Schutzschild gegen zu neugierige Landtagsabgeordnete und Medienvertreter. Dies alles wird gedeckt von den Regierungsmitgliedern von Bund und Ländern, die sich im Aufsichtsrat tummeln. Ohne Zustimmung der FBB-Geschäftsführung und der anderen Gesellschafter gibt es keine Offenlegung von Unterlagen. Im Konkreten heißt das: keine Offenlegung des Businessplanes, obwohl die zukünftige Gewinn- und Verlustrechnung entscheidend für die Beurteilung ist, ob der Airport jemals wirtschaftlich betrieben werden kann oder ob hier ein Fass ohne Boden gefüllt werden soll.
Im Prinzip ahnen wir es doch alle: Die Wirtschaftlichkeit liegt in weiter Ferne, Air Berlin hin oder easyJet her. Sollten die Gesellschaftermittel aufgestockt werden, sehen wir die Mittel nie wieder. Sollten Gesellschafterdarlehen gewährt werden, so werden diese nach einer Schamfrist in Gesellschaftermittel umgewandelt und sind dann auch weg.
Der weitere Weg ist meines Erachtens auch vorgezeichnet: Ich bin inzwischen nicht mehr der Einzige, der als eine mögliche Folge des EU-Notifizierungsverfahrens von Privatisierung redet. Dazu empfehle ich, die jüngsten Aussagen des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Werner Gatzer - übrigens auch Mitglied des Aufsichtsrates -, zur Kenntnis zu nehmen. Um sich vorstellen zu können, wie das dann aussehen kann, reicht ein Blick nach Hahn: Trennung von Vermögen und Betrieb in zwei Gesellschaften mit absehbarer Privatisierung der Betriebsgesellschaft.
Eine solche Trennung muss für das Land nicht unbedingt nach hinten losgehen, wenn man es frühzeitig und klug genug einfädelt; aber dazu fehlt bei den Handelnden in Berlin und Potsdam momentan noch die Vorstellungskraft.
(Beifall GRÜNE/B90)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir denken, es ist unsinnig, 372 Millionen Euro auf der hohen Kante zu halten, aber gleichzeitig bei den Banken neue Schulden in Höhe von 360 Millionen Euro aufzunehmen. Wir meinen, die allgemeine Rücklage sollte aufgelöst und in den Haushalt eingestellt werden; dann kann auf die gesamte Neuverschuldung verzichtet werden.
(Beifall GRÜNE/B90)
Sie kann dann zur Abwendung der eingeplanten Neuverschuldung in Höhe von 200 Millionen Euro herangezogen werden. Die noch verbleibenden 172 Millionen Euro und weitere Überschüsse aus dem Haushaltsjahr 2012 könnten für die Flughafenfinanzierung und die dringendsten Maßnahmen im Schulund im Hochschulbereich herangezogen werden.
Allerdings ist für uns klar: Solange dem Parlament und den Rechnungshöfen nicht erweiterte Kontrollmöglichkeiten gegenüber der Flughafengesellschaft eingeräumt werden, werden wir keinem einzigen Euro zustimmen.
(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)
Leider hat diese Verknüpfung zwischen Finanzmitteln und Transparenzgebot im letzten Landtagsplenum keine Mehrheit gefunden; unser Vorschlag wurde von den Regierungsfraktionen plus FDP abgelehnt. Sollten mehr Mittel für den BER benötigt werden, so muss die Landesregierung den Weg in den Landtag - nicht nur in den Haushaltsausschuss - wählen und einen Nachtragshaushalt einbringen.
(Vereinzelt Beifall CDU)
Denn dann liegt es in der Zuständigkeit des ganzen Hauses zu entscheiden, wo die Prioritäten gesetzt werden. Unser spezielles Brandenburger Problem ist es, dass das Land sich einerseits Aufgaben wie die Errichtung und den Betrieb eines Flughafens auf den Tisch gezogen hat und diese finanziert, die genauso gut oder besser von privaten Unternehmen erfüllt werden könnten, andererseits aber nicht in der Lage ist, seinen originären Pflichten und Aufgaben nachzukommen.
(Beifall GRÜNE/B90 - Widerspruch bei der SPD)
Im Ergebnis wird die Privatwirtschaft zunehmend mit Aufgaben belastet, die Pflichtaufgaben des Sozialstaates darstellen. Ich nenne beispielhaft, dass immer mehr Unternehmen dazu übergehen, ihren Auszubildenden Zusatzunterricht in Mathematik oder Deutsch zu geben, um die jungen Menschen überhaupt ausbildungsfähig zu machen. Die Schaffung der Ausbildungsfähigkeit wäre aber originäre Aufgabe unseres Schulsystems,
(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)
eines Schulsystems, das sich aber - egal, bei welchen Rankings, ob PISA, OECD oder sonst was - seit Jahren auf den letzten sechs von 16 Plätzen wiederfindet. Dabei belegen die noch viel stärker als wir von Abwanderung und niedrigen Erwerbseinkommen geplagten Länder Thüringen und Sachsen, dass das miserable Abschneiden unseres Bildungssektors in Vergleichsstudien kein ostdeutsches, sondern ein brandenburgisches Spezifikum ist.
Geld ist hier zwar nicht alles, aber es hilft ungemein. Aber wie sieht es mit dem Bildungshaushalt aus? Die Mittelzuweisung für das MBJS bleibt hinter dem Anstieg der Personalkosten - aufgrund von Tariferhöhungen und Pensionslasten -, hinter der Inflationsrate, aber auch hinter dem durchschnittlichen Anstieg des Haushalts insgesamt zurück. Die Mittel für die angeblich prioritären staatlichen Schulen sinken 2013 sogar um 12,5 Millionen Euro und 2014 um weitere 19,5 Millionen Euro ab. Von zusätzlichen Lehrkräften ist sowieso schon lange keine Rede mehr.
Herr Görke, 2 000 neue Lehrer sind nicht 2 000 zusätzliche Lehrer, wie Sie hier immer zu suggerieren versuchen. In dieser Legislaturperiode wurden sogar Lehrerstellen abgebaut. Hehre politische Ziele - wie die Verwirklichung des Menschenrechts auf inklusive Bildung - drohen daher in der Realität zu scheitern. Aber auch die personelle Ausstattung vieler Kindertagesstätten ist angesichts des bundesweit nach wie vor schlechtesten Betreuungsschlüssels und des vielerorts immer noch unzureichenden Qualifikationsniveaus der Erzieherinnen kein geringes Problem.
Ein Brandenburger Problem ist auch die unzureichende Finanzierung der Hochschulen - ein weiterer angeblicher Schwerpunkt der Landesregierung. Ich möchte überhaupt nicht groß beklagen, dass wir bei den Pro-Kopf-Ausgaben im Vergleich der Länder ganz hinten liegen. Viel entscheidender ist, dass die Studienplätze nicht ausfinanziert sind. In Brandenburg studieren 50 000 Menschen. Die Studienplätze sind jedoch, je nach Grundlage, nur für 30 000 Studierende - personalbezogen - oder rund 23 000 - flächenbezogen - ausreichend. Nach der Hochschulstrukturkommission, der sogenannten Buttler-Kommission, sind die Brandenburger Hochschulen um 25 Millionen Euro unterfinanziert. Der Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz, Prof. Günther, hält sie sogar für um 50 Millionen Euro unterfinanziert.
Wie geht die Landesregierung mit dieser Situation um? Steigert sie den Haushalt? Vielleicht erinnert sich der eine oder andere von Ihnen noch an die Haushaltsbeschlüsse des letzten Jahres. Der Finanzminister hatte die Globalbudgets der Hochschulen als eine Sparbüchse ganz eigener Art entdeckt: Den Hochschulen wurde eine globale Minderausgabe in Höhe von 12 Millionen Euro - das waren rund 5 % ihrer Haushaltsmittel - hineingedrückt.
Wer glaubte, dass dies eine einmalige Einsparrunde gewesen sei, muss sich jetzt getäuscht sehen. Für 2013/14 wurde der um 12 Millionen Euro gekürzte Ansatz im vorliegenden Haushalt fortgeschrieben. Das bedeutet: rund 12 Millionen Euro weniger, insbesondere für Personalausgaben. Gleichzeitig werden im Stellenplan des Einzelplanes unverändert 818 Professorenstellen geführt. Stellenplankürzungen soll es nur in marginalem Umfang im Unterbau geben. Gab es nicht kürzlich ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das die Länder dazu verdonnerte, den Professoren eine höhere Besoldung zu gewähren?
Dieses Urteil betrifft in Brandenburg mindestens 340 Professoren. Wie sieht es mit den Besoldungsanpassungen 2012 und den bereits tarifvertraglich fixierten Einkommenserhöhungen für 2013 aus? Alles belanglos? Nein, das ist es eben nicht; denn wenn man weniger Geld für gleich viele Stellen hat, dann kann die Hochschule diese eben nicht besetzen, da nur ausfinanzierte Stellen besetzt werden dürfen.
Das weiß natürlich auch die Landesregierung, und wie man es richtig machen müsste, weiß sie auch. Im gleichen Einzelplan, in den Budgets für die von Bund und Ländern gemeinsam finanzierten Forschungseinrichtungen, ist das ersichtlich. Hier steigen nicht nur die allgemeinen Haushaltsansätze, hier werden auch in den nächsten Jahren explizit steigende Personalausgaben ausgewiesen.
Das tröstet aber unsere Hochschulen nicht. Das Ergebnis der unzureichenden Finanzierung an einem Beispiel: Obwohl die Landesregierung den Lausitzer Universitäten den Erhalt von 228 Professorenstellen zusagt, können mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nach Aussagen von Dr. Grünewald dem Vernehmen nach etwa 160 bis 180 Professoren finanziert werden.
Schon heute sind in der Lausitz 40 Professorenstellen nicht besetzt, und diese - das kann ich garantieren - werden bei diesen Haushaltszahlen auch in Zukunft nicht besetzt werden können. Überhaupt ist es sehr erstaunlich, welche Zusagen der Ministerpräsident gelegentlich vor Ort gibt, die in keiner Weise im Haushalt untersetzt sind. So soll die im Haushaltsplan für 2013 bereits verankerte und neu zu bildende Lausitz-Uni - wie in Zukunft alle Hochschulen - Fünfjahresverträge für ihre Globalzuschüsse erhalten. Seltsam nur, dass im Haushalt hierfür keine Vorkehrung in Form von Verpflichtungsermächtigungen getroffen wurde. Genau dies wäre aber erforderlich, wenn der Ministerpräsident hier keine ungedeckten Wahlkampfschecks verteilen will.
Die Ministerin versichert, dass gute Aussichten für die Ausreichung von EFRE-Mitteln für die Lausitzer Hochschulen bestünden. Aus der mittelfristigen Finanzplanung ist ersichtlich, wie sich diese Mittel der EU in der nächsten Förderperiode drastisch verringern. Die Aussichten sind also eher schwarz. Man darf gespannt sein, wie die Kabinettskollegen dem Handeln der Ministerin entgegensehen.
(Frau Melior [SPD]: Das werden wir in Ruhe im Ausschuss diskutieren!)
Die beiden kommenden Wahljahre werfen ihre Schatten voraus, und dabei will man sich keine Blöße geben. Das verstehe ich. Potenzielle Angriffsflächen werden beseitigt, indem es die Landesregierung vorzieht, gegenüber Landtag und Öffentlichkeit mit verdeckten Karten zu spielen. Dies lässt sich exemplarisch an der im Zusammenhang mit dem Haushalt eingebrachten Personalbedarfsplanung, die ja eigentlich eine Personaleinsparungsplanung ist, festmachen.
Kein Zweifel: Anpassungen im Personalkörper müssen sein. Der demografische Wandel mit den Änderungen in der Altersstruktur der Bevölkerung, der Abwanderung aus dem berlinfernen Raum und der Zuwanderung in den Speckgürtel ist zunehmend spürbar, und er wird immer stärker spürbar werden. Dies erfordert auch Änderungen im Verwaltungsaufbau. Aufbauarbeiten sind teilweise abgeschlossen, neue Aufgaben kommen auf uns zu.
Unverändert agiert die Personalplanung mit politischen Zielzahlen, die viel stärker das Gewicht der einzelnen Minister am Kabinettstisch zu repräsentieren scheinen, als dass eine kritische Analyse dahinterstünde. Es geht nicht um die Frage, welche Aufgaben mit welcher Qualität erfüllt werden sollen. Die Landesregierung spricht inzwischen auch gar nicht mehr von „aufgabenkritischen Analysen“ - das hat sich allerdings noch nicht in allen Ministerien herumgesprochen -, sondern von „aufgabenbezogenen Planungen“ unter Rückgriff auf Benchmarks, also Ländervergleiche.
Konsequenz ist, dass man sich überall am untersten Wert ausrichtet, das berüchtigte Rat Race to the Bottom, das Rattenrennen nach unten, einsetzt und nach jahrelangen Einstellungssperren Verwaltungen ausgeblutet und dequalifiziert sind. Die Personalplanung bewegt sich zwischen der „Science of Muddling Through“ und dem „Garbage Can Model“ - übrigens nicht von mir erfunden, sondern das finden Sie in der Schriftenreihe zur Modernisierung der Landesverwaltung, Band 3. „Science of Muddling Through“ ist übrigens „die Theorie des Durchwurstelns“, und „Garbage Can Model“ ist das „Mülleimermodell“.
(Zuruf DIE LINKE: Schöne Umschreibung!)
Mit dem viel zu geringen Einstellungskorridor werden die Versäumnisse der letzten Jahre nicht grundlegend korrigiert werden können. Logisch, dass die Interessenvertreter mobil machen und ihre Argumente in die Waagschale werfen. Ich denke, das muss man nicht nur ertragen, sondern dieser Diskussion muss man sich auch stellen. Bedauerlich ist, dass die Personalplanung jetzt nicht mehr die ausreichende Tiefe hat, die sie noch im Entwurf hatte.
Wie eingangs ausgeführt, befindet sich Brandenburg auf der Einnahmenseite in einer stabilen Situation. Dank der Solidarpaktmittel liegen wir deutlich über dem Niveau vergleichbarer Länder wie Schleswig-Holstein oder Rheinland-Pfalz. Wir haben jedoch ein massives Ausgabenproblem. Auch dieser Doppelhaushalt befindet sich im Würgegriff ausufernder Fixkosten, die auf falsche Weichenstellungen - auch von Vorgängerregierungen - zurückzuführen sind. Dies hat Konsequenzen für den Haushalt, zum Beispiel durch die steigenden Personalausgaben.
Vizepräsidentin Große: Herr Abgeordneter Vogel, Ihre Redezeit ist beendet. Seit geraumer Zeit leuchtet die rote Lampe.
Das weiß ich. Okay, gut. Einen letzten Satz bitte noch. Ein Haushalt sollte ein klar strukturierter Fahrplan mit klarer Marschrichtung und deutlich erkennbarer Handschrift der jeweiligen Regierung sein. Doch an diesem Haushaltsentwurf ist nichts klar und deutlich. Er gleicht nicht einmal einem Flickenteppich, sondern einem Teppichbasar voller Fallgruben, Winkel und Nebengassen. Wir werden versuchen, in den anstehenden Ausschusssitzungen zumindest die dunkelsten Ecken auszuleuchten. - Recht herzlichen Dank.