Zum Inhalt springen

Hinweis: Diese Website wird nicht mehr aktualisiert und dient als Archiv. Weitere Informationen →

Axel Vogel spricht zum Gesetzentwurf unserer Fraktion für ein Brandenburgisches Vergabegesetz

>>> Redemanuskript als pdf

>>> Gesetzentwurf als pdf

- Es gilt das gesprochene Wort ! -

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren !

„Das Wirtschaftsleben gestaltet sich nach den Grundsätzen einer sozial gerechten und dem Schutz der natürlichen Umwelt verpflichteten marktwirtschaftlichen Ordnung", lautet Artikel 42 Absatz 2 der Brandenburgischen Verfassung.

Heute bringt unsere Fraktion Bündnis 90/Die Grünen den Entwurf eines „Gesetzes zur Sicherung von Sozial-, Umwelt und Wettbewerbsbelangen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge", kurz: eines Brandenburgischen Vergabegesetzes ein, das diesem Verfassungsauftrag ein Stück weit zur Wirkung verhelfen soll.

Wir alle wissen, vielleicht mit wenigen Ausnahmen, dass sich das Wirtschaftsleben, ganz im Gegensatz zur wortwörtlichen Formulierung des Verfassungsartikels, nicht von selbst „gestaltet", sondern auch von EU, Bund, Ländern und Kommunen mitgestaltet wird. Wir Bündnisgrünen sind glühende BefürworterInnen einer solchen aktiven und aktivierenden Wirtschaftspolitik. Aber aktive Wirtschaftspolitik ist nicht nur die Ausstattung der Brandenburger Unternehmen mit Fördermitteln oder die Ausgestaltung günstiger Rahmenbedingungen für die Ansiedlung neuer Unternehmen; für uns stehen Land und Kommunen den Betrieben auch als AuftraggeberInnen in einer besonderen Verantwortung gegenüber. Die Vergabe öffentlicher Aufträge ist dabei nicht nur ein wichtiger Beitrag zur Stärkung der Wertschöpfung im Lande: die Regeln für die öffentliche Auftragsvergabe entscheiden auch wesentlich mit, ob sich Unternehmen Wettbewerbsvorteile durch Niedriglöhne, Verletzung elementarer Arbeitsnormen oder unverhältnismäßiger Belastung der Umwelt verschaffen können.

Wie Sie alle wissen, sprechen wir heute nicht über zu vernachlässigende Summen. Die öffentliche Hand repräsentiert mit ihrem Auftragsvolumen von ca. 420 Mrd Euro jährlich den größten Nachfrager am deutschen Markt. Ihr Umsatz beläuft sich auf rund 17 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts, d.h. jeder sechste Euro in Deutschland wird durch Bund, Länder oder Gemeinden ausgegeben. Da verwundert es, dass erst sehr wenige Bundesländer, wie z.B. Bremen oder unser Nachbarland Berlin den von der EU und dem Bund gewährten Handlungsspielraum genutzt haben und eigene Vergabegesetze erlassen haben. Und ich füge hinzu: es hat uns natürlich auch ein Stück weit verwundert, dass SPD und Linke in ihrem Koalitionsvertrag und in ihrer Pressearbeit ein Landesvergabegesetz zu einem Leitprojekt ihrer Politik erklärten - und dann monatelang nichts vorwärts ging.

Das hat uns ermutigt einen eigenen Gesetzentwurf von einem renommierten Vergaberechtler erarbeiten zu lassen und in die Debatte einzubringen; nicht nur um die Regierung zur baldigen Vorlage ihres lange angekündigten Gesetzesentwurfes anzuspornen - dies scheint aus heutiger Sicht gelungen - sondern auch um gewissermaßen als best-practice-Angebot der Regierung dort weiterreichende Anregungen zu geben, wo ihre Vorstellung bislang zu kurz griffen. Dies gilt nach wie vor für die in ihrem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf immer noch fehlende ökologische Grundorientierung. Wir erkennen aber ausdrücklich an, dass die Regierung diese Chance in ihrem Gesetzesentwurf in anderen Bereichen ansatzweise genutzt hat.

Unser Entwurf eines Vergabegesetzes sieht nämlich nicht nur einen Mindestlohn von 7,50 Euro für die Ausführung von Leistungen im Rahmen öffentlicher Aufträge, und den Ausschluss von Produkten aus Kinder- oder Zwangsarbeit vor, sondern gibt auch ökologische Vergabestandards vor und versucht die Vergabepraxis zur Förderung von kleinen und mittelständischen Unternehmen zu nutzen.

Der Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verfolgt vier Kernanliegen:

  • Erstens: Begrenzung unfairen Wettbewerbs durch Niedriglöhne und die Nichteinhaltung elementarer Arbeitsstandards, den sogenannten ILO-Kernarbeitsnormen.
  • Zweitens: Der Gesetzentwurf gilt für alle öffentlichen Vergabestellen und die ZuwendungsempfängerInnen öffentlicher Mittel, er sieht keine Ausnahmen oder Sonderregelungen vor.
  • Drittens: Wir wollen eine Berücksichtigung von Umweltbelangen durch Einbeziehung der Lebenszykluskosten und von Umweltzertifikaten in die Vergabeentscheidung.
  • Viertens: Wir streben die gezielte Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen an, zum Beispiel durch die Stückelung von Aufträgen in Lose und durch Vorgaben für Subunternehmen.

Sehr geehrten Damen und Herren!

Das Land Brandenburg gibt jährlich rund eine Milliarde Euro für Beschaffungen aus. Die Kommunen erhöhen die Nachfrage der öffentlichen Hand hierzulande um weitere zwei Milliarden Euro. Mindestens eine Milliarde Euro gewährt das Land an Unternehmen, Vereine und Verbände in Form von Zuwendungen. Das ist eine beträchtliche "Nachfrage-Macht" und zeigt: Ein Vergabegesetz kann in besonders hohem Maße die Entwicklungschancen der Unternehmen im Lande positiv beeinflussen.

Die Bedeutung der Kommunen für die öffentliche Auftragsvergabe in unserem Land sticht besonders ins Auge. Aus unserer Sicht wäre ein Vergabegesetz, - wie ursprünglich diskutiert - mit einem eingeschränkten Geltungsbereich, der die Kommunen nicht einbezieht, sinnlos gewesen. Wir wollten aber nicht nur einheitliche Vergaberegeln für das Land und die Kommunen in einem Brandenburger Vergabegesetz zusammenfassen. Unser Gesetzesvorschlag bezieht zusätzlich ZuwendungsempfängerInnen und Unternehmen, die mit der Ausführung eines öffentlichen Auftrags betraut sind, mit ein. Das erweitert die Reichweite des Gesetzesentwurfes erheblich. Wir begrüßen daher, dass die Landesregierung diesen Vorschlag weitestgehend aufgegriffen hat.

Die besondere Akzentuierung von Umweltaspekten und Kriterien der Nachhaltigkeit bei Aufträgen und Beschaffungen findet sich allerdings nur in unserem Gesetzentwurf, so dass ich auf diesen Punkt hier etwas stärker eingehen möchte.

Nach den geltenden Bestimmungen des Europarechts (Richtlinie 2004/17/EG und Richtlinie 2004/18/EG) und des Bundesrechts (§§ 97-129b des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen) sind die öffentlichen AuftraggeberInnen weitgehend auf einen reinen Leistungswettbewerb festgelegt. Der Zuschlag ist für das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen (vgl. § 97 Abs. 5 GWB), besondere ökologische oder soziale Rahmenbedingungen des Wettbewerbs um öffentliche Aufträge sind nicht verbindlich vorgesehen.

Allerdings erlauben die benannten Regelungen ausdrücklich eine Einstellung ökologischer und sozialer Belange (vgl. Art. 38 Richtlinie 2004/17/EG und Art. 26 Richtlinie 2004/18/EG bzw. § 97 Abs. 4 GWB). Die europarechtlichen Regelungen verweisen auf die mitgliedstaatliche Ebene, die bundesrechtliche Regelung verweist auf weitere Bundesgesetze und die Landesebene, wobei auf Bundesebene bislang keine entsprechenden Vorgaben verabschiedet wurden. Insofern liegt es bis heute an den Ländern, den Abschied vom reinen Leistungswettbewerb einzuleiten.

Zusammengefasst: das Europarecht erlaubt es ausdrücklich, ökologische und soziale Belange als Kriterien der öffentliche Vergabe einzuführen. Insofern hat es das Land in der Hand, den Abschied von einem reinem Wettbewerb um das preiswerteste, heute zumeist als billigstes Angebot verstanden, einzuleiten.

Nach unserer Auffassung muss bei der Prüfung eines Angebots nicht nur der Preis, sondern müssen auch Umwelteigenschaften und Lebenszykluskosten berücksichtigt werden.

§ 14 Abs. 1 unseres Gesetzentwurfs gibt den Vergabestellen grundsätzlich auf, die Umwelteigenschaften jeder vergebenen Leistung zu berücksichtigen. Umweltfreundlich und energieeffizient erbrachten Leistungen ist grundsätzlich Vorrang einzuräumen, negative Umwelteinwirkungen sollen generell vermieden werden.

Absatz 2 stellt klar, dass bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit von Angeboten nicht allein auf den Herstellungspreis einer Leistung, sondern auf den Preis unter Rücksicht auf die Lebenszykluskosten (Wartungsintensität, Wartungskosten, Lebensdauer) abzustellen ist. Dies empfiehlt sich nicht nur mit Blick auf die ökologischen Ziele, sondern auch mit Blick auf das Ziel wirtschaftlicher und sparsamer Beschaffung.

Eine detailliertere Regelung der ökologischen Ziele öffentlicher Vergabe ist auf gesetzlicher Ebene nur schwer möglich und wenig praktikabel, weswegen die Einzelheiten an die Landesregierung als Verordnungsgebende delegiert wird (§ 21 Nr. 6). Hier hat die Landesregierung eine anspruchsvolle Aufgabe wahrzunehmen, weil die genaueren Bestimmungen meist und vor allem im Bereich von Großgeräten nicht ohne genauere Kenntnis der maßgeblichen Produkte und Leistungen einerseits und gewisser vergaberechtlicher Feinheiten andererseits möglich sind. Die Landesregierung soll als Verordnungsgebende verpflichtet werden, Festlegungen nach spätestens fünf Jahren fortzuschreiben, um diese aktuell zu halten und neue Produkte und Verfahren zu berücksichtigen.

Durch die Bezugnahme auf Umweltzeichen, wie z.B. Der Blaue Engel oder das EU-Bio-Logo und Zertifizierungen, z.B. die FSC-Zertifizierung für Holz, kann die Durchsetzung des ökologischen Anliegens als Sekundärziel öffentlicher Beschaffung vereinfacht und entbürokratisiert werden.

Wichtig ist schließlich auch die in Paragraph 15 eröffnete Möglichkeit für die Vergabestellen, zusätzliche ökologische Anforderungen zu stellen, und zwar auch an den Herstellungsprozess.

Uns ist klar, dass sich der Aufwand der Unternehmen im Zusammenhang mit der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen damit erhöhen kann. Durch die gesetzliche Festschreibung von Präqualifizierungsmaßnahmen wollen wir hier Erleichterungen schaffen.

Sehr geehrte Damen und Herren!

Lasen Sie mich zusammenfassen. Mit einem solchen Vergabegesetz gibt es nur Gewinnerinnen und Gewinner: Für die ArbeitnehmerInnen im Land zahlen sich die Regelungen unmittelbar aus, sobald diese im Zusammenhang mit der Vergabe öffentlicher Aufträge beschäftigt werden und von der Vorgabe des Tariflohns oder des Mindestlohns von 7,50 Euro pro Stunde profitieren. Ich darf daran erinnern, dass nur 29 Prozent der Brandenburger Betriebe tarifgebunden sind und viele Löhne nicht zum Leben reichen. Diese Regelungen zahlen sich daher auch mittelbar für alle ArbeitnehmerInnen im Land aus, weil das Gesetz gegen die um sich greifende Niedriglohnkultur wirken wird und der Erosion des tariflichen Schutzes von Arbeitsverhältnissen entgegen arbeitet.

Die Wirtschaft profitiert von Bedingungen fairen Wettbewerbs, der nicht auf der Basis von Dumpinglöhnen und Umweltdumping, sondern auf der Basis echter unternehmerischer Leistung ausgetragen wird. Kleinere und mittlere Unternehmen werden im Interesse möglichst vielfältiger Marktstrukturen besonders gestärkt werden.

Und nicht zuletzt sind auch wir als PolitikerInnen dieses Landes GewinnerInnen, weil wir mit der gemeinsamen Beratung dieses Gesetzesentwurfes und des noch folgenden Gesetzesentwurfes der Regierung unter Beweis stellen können, dass wir im Interesse unserer Unternehmen und ArbeitnehmerInnen, unserer Umwelt, aber auch im Interesse der Menschen in den Entwicklungsnationen nicht nur zusammen nach den besten Lösungen suchen, sondern diese auch finden.