- Es glit das gesprochende Wort! -
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt des Ministeriums für Wirtschaft und Europaangelegenheiten des Landes Brandenburg leidet nicht unter Geldmangel. 480 Millionen Euro für 2013 und 450 Millionen Euro für 2014 - das ist eine beträchtliche Größe; und darin ist der Flughafen überhaupt noch nicht enthalten. Es macht gleichwohl deutlich, welche Dimension der Flughafen in Relation zur gesamten Förderstrategie und den Fördermitteln des Landes Brandenburg hat, und welche Bedeutung der Flughafen in der Haushaltsdiskussion spielt.
Bei diesen 480 Millionen bzw. 450 Millionen Euro handelt es sich nicht um Landesmittel, wie beim Flughafen, sondern es handelt sich in erster Linie um Mittel aus den EU-Strukturfonds und um Mittel aus der GA. Über 91 % der Einnahmen kommen von der EU; in der anschließenden Periode - das wird uns dann natürlich belasten; sie beginnt 2014 - werden die Einnahmen nur noch rund zwei Drittel betragen. Man könnte also davon ausgehen, dass diese Mittel zeitnah und zielgerichtet ausgegeben werden und nach Möglichkeit in Form revolvierender Fonds - Frau Hackenschmidt hat es wieder angesprochen - mehrfach eingesetzt werden. Leider müssen wir aber feststellen, dass dies nicht der Fall ist. Der Landesrechnungshof attestiert im Jahresbericht 2012 brandneu, dass Ende 2011 erst 50 % der EFRE-Mittel für die Periode von 2007 bis 2013 abgeflossen waren, dass also nach 5/7 der Periode erst die Hälfte abgeflossen ist. Es steht zu befürchten, dass in Zukunft, weil man die Mittel ja irgendwie loswerden möchte, eine suboptimale Verwendung möglich wird.
Brandenburg hat Bedarf und Brandenburg hat auch Chancen. Brandenburg hat zusammen mit Berlin hervorragende Forschungseinrichtungen mit einer Vielzahl von Technologien, die das Potenzial haben, den Weltmarkt zu erobern. Anstatt aber diese Schätze professionell zu heben, das heißt mittel- und langfristig zu planen, die verantwortlichen Bereiche effizient zu organisieren und gut auszustatten, leistet sich das Land eine Vielzahl von Förderprogrammen und schlecht ausgestatteten Strukturen, die sich zum Teil selbst im Weg stehen. Ein derzeit stattfindender Erfahrungsaustausch zwischen der IHK Potsdam und verschiedenen Biotechnologie-Unternehmen - das MWE war auch vertreten - über die „Zusammenarbeit bei der Förderung von F- und E-Vorhaben mit landeseigenen Gesellschaften" kommt zu der Erkenntnis:
„Das Innovationsklima im Land Brandenburg ist verbesserungsbedürftig; eine Förderantragstellung von Unternehmen kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht empfohlen werden."
Das stufe ich als eindeutiges Alarmzeichen ein. Die Unternehmen hatten diesen Austausch angeregt, weil die brandenburgische Investitionsförderung im Vergleich zur Praxis in anderen Bundesländern und im Bund deutlich restriktiver und unattraktiver ist.
Herr Minister, die Förderung des Unternehmertums und auch von Investitionen ist leider - so nehmen wir es wahr - keines der zentralen Elemente der Brandenburger Wirtschaftspolitik, auch wenn das immer wieder behauptet wird. Die hierfür vorgesehenen Titel im Haushalt werden in den kommenden Jahren gekürzt. Sie sind im Verhältnis zu den Investitionszuschüssen an die private Wirtschaft sowieso schon verschwindend gering ausgestattet, wie auch in den vergangenen Jahren. Allen Ankündigungen zum Trotz erfolgt kein Umsteuern in der Förderpolitik; der überwiegende Teil der Gelder im Bereich der Wirtschafts- und Strukturförderung fließt in verlorene Zuschüsse an Unternehmen und kommunale Organisationen statt in den Aufbau der Fonds, die Frau Hackenschmidt hier wieder propagiert hat. Hier setzen unsere Änderungsanträge an.
Während junge und innovative Unternehmen oft an bürokratischen Hürden bei der Beantragung von Fördermitteln scheitern, fließen die Mittel lieber in zweifelhafte Maßnahmen wie Betriebsstätten zur Vermietung von Wasserfahrzeugen, alleine 18 Millionen Euro für hochseetaugliche Jachten, die in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern stationiert sind und in Brandenburg lediglich ein paar Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich geschaffen haben. Das hat der Landesrechnungshof kritisiert; ich denke, das muss wirklich ein Ende haben.
Ich will aber die Förderpolitik nicht allein an dieser fehlgeleiteten Maßnahme messen. Ich denke, wo es Schatten gibt, gibt es auch Licht. Dieses Licht liegt für uns in der hohen Beschäftigungsdynamik in den Clusterbranchen. Der Prozess der Clusterstrategie - zusammen mit Berlin - ist gut vorangekommen, nimmt endlich Formen an und muss ausgebaut werden - und dies nicht nur mit Berlin; er soll ja auch mit anderen benachbarten Bundesländern fortgesetzt werden. Gleichwohl hat Brandenburg nach wie vor gefährliche Schwächen aufzuweisen. Ernst & Young führen in ihrer Analyse vom Oktober dieses Jahres - also ganz frisch - folgende Schwächen der Brandenburger Wirtschaft auf.
Erstens liegt der Anteil der Ausgaben für F- und E-Vorhaben der Unternehmen deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Zweitens gibt es ein geringes Qualifikationsniveau der Beschäftigten, wobei es hier nicht um die langjährig Beschäftigten geht, die demnächst aus den Unternehmen ausscheiden, sondern um die jüngere Generation: Der geringe Anteil Hochqualifizierter und die niedrigere Studierendenquote sind ein Problem. Des Weiteren nennt die Analyse die geringe Bedeutung der Spitzentechnologien, die geringe Patentintensität und die unterdurchschnittliche und im Bereich der technologieorientierten Unternehmen sogar sinkende Gründungsintensität. Das heißt, die verhältnismäßig positive Entwicklung der letzten Jahre ist gefährdet. Uns hilft übrigens auch nicht - ich weiß, Herr Büchel wird daraus gleich Honig saugen - die OECD-Studie, die die Standortstärke Brandenburgs lobt. In dieser Studie wird auf die hohe Qualifikation der derzeitigen Arbeitskräfte abgehoben. An dieser besteht aber kein Zweifel - wir haben ein Fachkräfteproblem, wir haben ein Nachwuchsproblem.
Es wird zu Recht dargestellt, dass Brandenburg eine gute Infrastruktur hat. Aber ich denke - vielleicht denken wir das alle zusammen -, dass die Infrastrukturentwicklung außer bei der Breitbandversorgung zu einem gewissen Ende gekommen ist. An Straßen usw. ist eigentlich alles vorhanden.
Die verhältnismäßig gute wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre ist also gefährdet. Die Kürzungen im Hochschulbereich, die Schwäche der Brandenburger Patentverwertungsagentur „Brainshell" und die ineffizienten Strukturen im Bereich des Technologietransfers zwischen Wirtschaft und Unternehmen im Land Brandenburg dauern an. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Wenn sich daran nichts ändert, verspielt das Land Chancen auf den wirtschaftlichen Anschluss.
Neben dem Ausbau einer attraktiven Forschungs- und Entwicklungsförderung sind vor allem in den späteren Phasen von Innovationsprojekten Darlehens- oder Beteiligungsprogramme wichtig; ich habe das in den letzten Monaten mehrmals angesprochen. Hier sind durch die Auflage des Frühphasenfonds Brandenburg die ersten Schritte gemacht worden. Diese Förderung müsste auf jeden Fall ausgebaut werden; eine entsprechende Festlegung im Haushaltsplan sucht man allerdings vergeblich. Parallel dazu müssen die Transferstrukturen an den Hochschulen effektiver gestaltet und insgesamt besser ausgestattet werden. Meine Fraktion hat in den Haushaltsberatungen hier ihre Schwerpunkte gesetzt. Leider wurden unsere Anträge im Haushaltsausschuss abgelehnt. Sie haben jetzt die Chance, dies zu ändern. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.