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Axel Vogel spricht zur 1. Lesung des Haushaltsentwurfs 2012

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–Es gilt das gesprochene Wort !

Herr Präsident,

meine sehr geehrten Damen und Herren!

Unser gesamtes Währungs- und Finanzsystem ist in die Krise geraten. Zugleich geraten sind damit alte Überzeugungen und Gewissheiten ins Wanken. Wenn selbst der Herausgeber der bekanntlich konservativen FAZ, Schirrmacher, darüber sinniert, ob die politische Linke mit ihrer kritischen Analyse des Finanzkapitalismus nicht doch recht habe, dann ist eine Zeitenwende eingetreten. Inzwischen bleibt die Sorge um die Zukunft unseres Wirtschaftssystems aber nicht mehr auf die Politiker und Feuilletons der Zeitungen beschränkt.

Nach den Ereignissen des Jahres 2009 hätte es dabei gar nicht erst noch der griechischen Finanzkrise bedurft um in der Bevölkerung das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer nachhaltigen Haushaltspolitik zu wecken. Stand für viele Menschen früher der Wunsch nach Steuersenkungen und individueller Entlastung obenan, so haben sich die Vorzeichen in den letzten Jahren entscheidend gedreht. Alle Umfragen der letzten Zeit zeigen: Die Sanierung der Staatsfinanzen ist für die übergroße Mehrheit unserereBevölkerung finanzpolitisches Ziel Nummer 1. Anders als früher kann heutzutage bei Wahlen keine Partei mehr mit Steuersenkungen punkten (Nicht nur Herr Büttner weiß wovon ich rede). Genauso wenig werden aber diejenigen noch Stimmengewinne erzielen, die haltlose kostenträchtige Wahlversprechen machen oder sich um notwendige Ausgabenkürzungen drücken wollen.

Anrede

Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass innerhalb eines Währungsraumes Zinsdifferenzen von über 40 Prozent auftreten können. So müsste der griechische Staat momentan den Anlegern 16 % für 10-jährige und 46 % für 2-jährige Staatsanleihen hinblättern, verglichen mit jeweils um die 2 % Effektivzinsen bei uns. Wobei hier durchaus ein Zusammenhang besteht. Die institutionellen Anleger flüchten aus den risikobehafteten Anleihen der PIGS um sie in dem aktuell noch sicheren Hafen Deutschland zu bunkern. Von dieser Flucht in deutsche Anleihen profitiert auch das Land Brandenburg im laufenden Haushalt ungemein, so werden die mit 742 Mio € für 2011 veranschlagten Zinsausgaben nach der Vorschau des MdF um mindesten 92 Mio € unterschritten werden. Ein nicht geringer Anteil an dieser für uns günstigen Situation ist der gegen den Widerstand der Landesregierung im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse geschuldet. Aber eines ist sicher: Diese Niedrigzinsphase wird auch für uns- Eurobonds hin oder her - vorbeigehen und daher sind wir in Brandenburg wie jedes andere Land auch gut beraten bereits jetzt Vorkehrungen für eine Absenkung unserer Staatsverschuldung von gegenwärtig über 18, Mrd Euro zu treffen.

Denn eines dürfte auch dem letzten hier im Saal klar sein, schon eine Verdoppelung der Zinsen, geschweige denn eine Verfünffachung oder gar Verzehnfachung wie in Griechenland bringt jeden Staatshaushalt aus dem Gleichgewicht. Und ob vergleichbare Einsparungsprogramme wie jetzt in Italien, Griechenland und Portugal mit Kündigungen im Öffentlichen Dienst, massiven Absenkungen der Beamtenbesoldung oder Verkauf der Liegenschaften und umfassender Privatisierung von Kommunalbetrieben mit weniger Widerstand durchsetzbar sind, wage ich zu bezweifeln, von der Sinnhaftigkeit dieser Maßnahmen mal ganz zu schweigen.

Als Glücksfall vermag ich daher die noch vor 2 Jahren von der Brandenburger LINKEN vor dem Verfassungsgericht beklagte Schuldenbremse zu begreifen. -Die damals von Herrn Görke vorgebrachte Klagebegründung lautete: „um die auf dem Spiel stehende Existenz des Landes Brandenburg" zu erhalten- Glücksfall ist die Schuldenbremse nicht nur deswegen, weil sie das Vertrauen der Anleger in deutsche Anleihen stärkt, sondern auch weil sie ausnahmslos alle Parteien zwingt sich über die Ausgabenseite Gedanken zu machen, genauso wie sie übrigens auch FDP und CDU auf Bundesebene zwingt sich über die Einnahmesituation Gedanken zu machen.

Die sich aus der Schuldenbremse ergebenden Zielvorgaben einer nachhaltigen Haushaltspolitik sind deutlich: Ausrichtung der Ausgaben an den Einnahmen, möglichst sofortige Absenkung der Neuverschuldung auf Null und perspektivisch Tilgung der aufgelaufenen Schulden. Mit den zur Verfügung stehenden Einnahmen alle für politisch sinnvoll erachteten Maßnahmen zu finanzieren entspricht der Quadratur des Kreises. Es geht schlichtweg nicht. Das aber heißt für uns alle Prioritäten setzen. Für uns Bündnisgrüne liegen diese Prioritäten im Bildungsbereich und der Daseinsvorsorge. Prioritäten setzen heißt dabei zugleich immer auch Abschied nehmen von eigenen Wünschen und Projekten. Prioritäten setzen heißt aber eben nicht Rasenmähermethode, Prioritäten setzen heißt, dass im Haushalt neben Schrumpfungsbereichen auch Wachstumsfelder stehen können. Prioritäten setzen heißt aber auch, dass mit jedem Wunsch nach Mehrausgaben auch Kürzungsvorschläge unterbreitet werden. Eine Aufgabe, der sich unsere Fraktion bislang bei allen Haushaltsberatungen gestellt hat und der wir uns in den Ausschußberatungen auch wieder stellen werden.

Anrede

Trotz der gegenüber der letzten MFP (2010-2014) um rund 400 Mio € gestiegenen Steuereinnahmen und einer insgesamt um 447 Mio gestiegenen Einnahmebasis gelingt es dem MdF aber nicht den noch letztes Jahr geplanten Ausgaberahmen für 2012 von 9,7 Mrd € einzuhalten, stattdessen wächst der Haushalt gegenüber den vorjährigen Planungen um 450 Mio € auf 10,150 Mrd € an, zugleich werden neue Schulden in Höhe von 270 Mio € veranschlagt. Trotz der 447 Mio € Mehreinnahmen wird die ursprünglich geplante Nettokreditaufnahme nur um 80 Mio gesenkt. Damit nimmt Brandenburg als einziges ostdeutsches Bundesland 2012 noch neue Schulden auf. Auch wenn ein Teil der Mehreinnahmen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs an die Kommunen weiterfließt: Der noch 2011 für 2012 konstatierte Konsolidierungsbedarf von 380,1 Mio € (GMA) wird schlankerhand durch die Steuermehreinnahmen beseitigt. Das soll Haushaltskonsolidierung sein?

Dabei sind die ostdeutschen Bundesländer bis 2019 immer noch auf der Sonnenseite bundesdeutscher Finanzpolitik.

Wenn bei uns schon die gleichen Bedingungen wie in den alten Bundesländern gelten würden, müssten wir 2012 mit weniger als 7,5 Mrd € auskommen (6,2 Mrd € an Eigeneinnahmen plus 436 Mio € aus dem Länderfinanzausgleich und ein paar hundert Millionen des Bundes und der EU für übertragene Aufgaben und zweckgebundene Fördermittel). Zur Zeit sind wir aber noch begünstigt von den bis 2019 fließenden Sonderbedarfsbundesergänzungszuweisungen (SoBEZ) in Höhe von rund 1,5 Mrd Euro für das Haushaltsjahr 2012, ergänzt um überdurchschnittliche Bundesfördermittel aus dem sogenannten Korb 2, die allerdings nur teilweise im Landeshaushalt abgebildet sind.(GAK, GRW, EFRE, Bundeszuweisung für Wohnungsbau und Städteförderung)

Es kommt nun auf den Blickwinkel an. Korrekterweise müssten wir nicht davon reden, dass wir in den nächsten Jahren Fördermittel und Unterstützungszahlungen der EU, des Bundes und der anderen Bundesländer verlieren, sondern dass wir ganz im Gegenteil in den Jahren bis 2019 noch über zusätzliche Mittel verfügen, mithin also nicht Mittel verlieren, sondern im Gegenteil bis 2019 noch zusätzliche Mittel gewonnen haben. Haushaltsmittel, die wir entsprechend der Zwecksetzung des Solidarpaktes für Investitionen im Land und den Kommunen möglichst sinnstiftend einsetzen sollten. Dabei kann es nunmehr nicht mehr darum gehen auch noch die letzte Dorfstraße mit Bürgersteigen und Straßenlaternen zu versehen Wir müssen mit den Investitionen von heute neben der Grundausstattung unseres Bildungssystems, der Sicherung unserer Lebensgrundlagen im zunehmend spürbarer werdenden Klimawandel schwerpunktmäßig die Ressourcen- und Energieeinsparungen für morgen initiieren.

Die Staatssekretärin Frau Trochowski hat ja in der Sommerpause unverständlicherweise mediale Prügel dafür bezogen, dass in der Langfristprojektion des MdF (Ziffer 4.4. der MFP) nunmehr von Steuer- und Steuerinduzierten Einnahmen im Jahre 2020 von rund 7,8 Mrd € ausgegangen wird.

Ich denke, dass die Kritik ungerechtfertigt ist, zumindest soweit es die Einnahmenseite betrifft, da das MdF bei den Steuern unverändert „konservativ" mit nur geringen Wachstumsraten des BIP von einem Prozent rechnet und die übrigen Werte bis 2019 zumeist durch Verträge vorgegeben sind. Aus der Prognose wird aber überdeutlich, dass die Ausgabenseite die entscheidende Rolle spielt. Selbst unter Annahme einer Reduktion des Personalbestandes auf 40.000 Stellen bis 2020 wird mit einer jährlichen Deckungslücke von 200 bis 450 Millionen € gerechnet. Die vorgelegte Prognose des MdF belegt also nicht, dass wir uns zurücklehnen können, sondern dass wir unverändert um Einschnitte in den Landeshaushalt nicht herumkommen. Aber da geht es uns immer noch besser als Ländern wie Schleswig-Holstein oder Rheinland-Pfalz

Wir können es nicht oft genug betonen: verglichen mit finanzschwachen westdeutschen Ländern ist Brandenburg finanziell hervorragend ausgestattet. Alle Larmoyanz ist daher fehl am Platze. Und so kann ich dann überhaupt nicht nachvollziehen, wenn unser Ministerpräsident vom Bund Kompensationszahlungen für bundesweit rückläufige Steuerzahlungen der Stromkonzerne aufgrund des Atomausstiegs fordert.

Mal abgesehen davon, dass die bundesweite Verrechnung der Verluste aus dem Atomgeschäft bei der Gewerbesteuer von Vattenfall erst vor 2 Jahren ohne jeglichen Widerstand der Landesregierung eingeführt wurde stellt sich die Frage was die Bürgermeister der bisherigen Akw-Standorte, denen mit einem Schlag nicht nur sämtliche Gewerbesteuereinnahmen sondern auch noch jeweils mehrere hundert Arbeitsplätze verlorengehen, von diesem Klagelied unseres MP halten sollen. Es stellt sich aber auch die Frage, ob Brandenburg im Gegenzug Steuermehreinnahmen aufgrund des Wachstums der Erneuerbaren Energien und der Konkurrenten von Vattenfall und Eon-Edis an den Bund abführen will?

Nach Jahren ist es gelungen die Bundespolitik zur Verkleinerung der Bundeswehr und Aussetzung der Wehrpflicht zu bewegen, aber unser Ministerpräsident fordert einen „Ost-Bonus für Bundeswehrstandorte";

Die Bundespolitik macht ernst mit dem Verzicht auf unsinnige Investitionen, aber das Land verklagt den Bund auf Bau einer Megaschleuse in Kleinmachnow.

Gerade weil wir Brandenburger immer noch vom Bund und der Solidarität der anderen Bundesländer profitieren kann ich nicht nachvollziehen, warum bei jeder Gelegenheit die Benachteiligung Ostdeutschlands beklagt wird oder neue Privilegien eingefordert werden.

Will die Landesregierung jetzt jeden politischen Fortschritt in Deutschland mit dem Hinweis auf drohende Einnahmeverluste verhindern. Das wäre fürwahr provinziell..

Anrede

Ich denke, die haushaltspolitischen Ziele sind klar benannt, genauso einfach lassen sich die haushaltspolitischen Handlungsmöglichkeiten benennen. So wie die 3 großen E's für die Wende in der Energiepolitik: Einsparung, Effizienzgewinn und Erneuerbare Energien stehen, so müssen in der zukünftigen Haushaltspolitik die 3 großen E's: Einsparung, Effizienzgewinn und Einnahmeverbesserungen lauten. Selbst wenn man mitten in de Nacht geweckt wird, muss jeder Politiker egal welcher Couleur zukünftig diese drei E's herunterbeten können: Einsparung, Effizienzgewinn und Einnahmeverbesserungen.

Fangen wir mit der scheinbar einfachsten Lösung an:

Einnahmeverbesserungen

Die Linke, meist in Gestalt von Herrn Goerke huldigt ja immer noch der Auffassung, dass Haushalte nur auf der Einnahmeseite, nicht aber durch Ausgabenkürzungen saniert werden können. Aber betrachten wir dazu die Fakten.

Bekanntermaßen liegt die Gesetzgebungskompetenz für die Gemeinschaftssteuern und für alle Ländersteuern außer der Grunderwerbssteuer beim Bund. Wenn wir einmal davon ausgehen, dass nach der nächsten Bundestagswahl eine neue rot-grüne oder grün-rote Bundesregierung die Steuern erhöhen würden, stellt sich die Frage welche Folgen das für uns hätte.

Die grüne Bundestagsfrakion hat dazu einmal durchgerechnet, wie viel Mehreinnahmen für die Länder die Erhöhung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommenssteuer bringen würde. Eine Anhebung auf 45 % würde für die Länder 951 Mio € zusätzlich bringen, die durch Mindereinnahmen in Höhe von 967 Mio € aufgrund der ins Haus stehenden Anhebung des Grundfreibetrages von 8004 € auf 8.500 € gleich wieder aufgefressen würde. Eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 49 % würde den Ländern 2,5 Mrd € bringen, diese Einnahmen würden bei einer Einbeziehung der Selbstständigen in die Gewerbesteuer aufgrund der Absetzbarkeit der Gewerbesteuer von der Einkommenssteuer für die Länder gleich wieder auf Null gesenkt und allein die Kommunen begünstigen. Eine Rücknahme des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für die Hotellerie und für gastronomische Außer-Haus-Umsätze würde den Ländern weniger als 1 Mrd € bringen. Entscheidend für Brandenburg ist aber nur die Höhe der auf uns entfallenden zusätzlichen Einnahmen. Und hier gilt: selbst wenn durch Änderungen im Steuerrecht den Länderhaushalten 2,5 Mrd €/Jahr netto zuflössen, würden auf Brandenburg weniger als 100 Mio €/Jahr zusätzlich entfallen. Auch eine sicher sinnvolle Verdoppelung der Erbschaftssteuer würde uns nur 16 Mio € zusätzlich bringen.

Alles relativ unbedeutende Größenordnungen wenn wir in den nächsten Jahren die Jahr für Jahr um mehr als 100 Mio € absinkenden Bundeszuschüsse kompensieren wollten. Um das klarzustellen, auch wir sind für die maßvolle Erhöhung der Steuern, genauso wie wir dafür sind alle Einnahmemöglichkeiten des Landes auch auszuschöpfen, ich erinnere an das Wassernutzungsentgelt im Braunkohletagebau, ich erinnere an die vollständige Erhebung der fälligen Steuern durch eine leistungsfähige Steuerverwaltung. Die Lehre ist allerdings eindeutig: Es gibt keine Hoffnung für die Länder sich durch Steuererhöhungen zu sanieren. Wir kommen um Ausgabenreduktionen nicht herum.

Einsparungen und Prioritätensetzung

Bleibt die Frage, um welche Beträge der Haushalt gekürzt werden soll und wo Spielräume bestehen. Lassen Sie mich noch einmal kurz die in den letzten beiden Jahren von uns zur Kürzung vorgeschlagenen Titel referieren:

Völlig unmöglich hieß es, als wir für 2011 den Titel „Bonifikation, Disagio und Diskont bei Wertpapieren und Schuldscheindarlehen" um 30 Mio zugunsten der Kommunen kürzen wollten. Ohne Reduzierungen von Ausgabekursen oder Ankaufsvergütungen bringen wir unsere Wertpapiere nicht unter, hieß es. Inzwischen liegt die Abrechnung für 2010 vor. Statt mit Kursabschlägen konnten wir unsere Wertpapiere demnach mit Aufschlägen emittieren. Aus einem Ausgabetitel in Höhe von 24,3 Mio wurde so ein Einnahmetitel mit 1,9 Mio €.

Völlig unmöglich hieß es auch bei unseren Kürzungsvorschlägen beim „Landesprogramm Arbeit für Brandenburg". Die Realität gibt uns recht. Inzwischen liegen die Abrechnungen vor und bestätigen unser Bild von Fehlschlägen. So konnten 2010 und 2011 nur 60% der geplanten Kontingente besetzt werden, deshalb flossen 2010 nur 329.381 Euro und bis 30. Juni 2011 nur 354.297 Euro ab. Im Haushalt eingestellt wurden 2010 1,44 Mio und 2011 5,58 Mio.

Für das Haushaltsjahr 2010 hatten wir Minderausgaben in Höhe von insgesamt 234,6 Millionen in den Hauptgruppen 4,5 und 6 vorgeschlagen. Oh, war der Protest groß. Wie konnte ich solche Zahlen in die Welt setzen! Ich muss zugeben, ich habe mich verrechnet, um 140 Millionen Euro. Das ist keine Kleinigkeit. Ich habe die möglichen Einsparungen um 140 Millionen Euro zu tief angesetzt. Laut Jahresergebnis 2010 blieben die Ist-Ausgaben um 374 Mio € unter den Ausgabenplanungen. Bei den Personalausgaben habe ich mich um knapp 20 Millionen verschätzt und bei der Hauptgruppe 5 sogar um gut 70 Millionen Euro. Lernen mußten wir bei den Diskussionen zum Haushaltsvollzug 2010 im übrigen auch, dass der Mittelabfluß bei Investitionen seit Jahrengenerell um 10 % hinter den Ansätzen zurückbleibt und dies als ganz normal hinmzunehmen sei.

Unsere Kürzungsvorschläge waren also alles in allem kein Kunststück - inzwischen sollte ja allgemein bekannt sein, dass sich jedes Jahr im Haushaltsvollzug mehrere 100 Millionen Euro Differenz zwischen Soll und Ist auftun. Auch im Haushaltsjahr 2011 wird der Saldo nach dem aktuellen Berechnungsstand um rund 250-330 Mio € positiver abschließen. So sinken die Zinsausgaben gegenüber dem Haushaltsansatz um 92 Mio € zugleich liegen die Steuereinnahmen um 170 Mio € über dem Soll. Statt 440 Mio € sollen nur noch 225 Mio neue Kredite aufgenommen werden. Wenn das MdF nicht gleichzeitig 200 Mio € in neuen Rücklagen verstecken würde, könnte man vermutlich bereits dieses Jahr auf neue Kredite verzichten.

Angesichts dieser Zahlen, habe ich keine Zweifel, dass wir alle zusammen für 2012 Einsparungsmöglichkeiten in Höhe der bislang vorgesehenen Nettokreditaufnahme von 270 Mio € finden werden und zugleich die erforderlichen Mittel für den prioritären Bildungsbereich freischaufeln können.

Damit komme ich zur Prioritätensetzung und der Frage, wo die für 2012 veranschlagten Steuermehreinnahmen in Höhe von 450 Mio € versacken. Im selbst deklarierten Schwerpunkt „Bildung und Wissenschaft" jedenfalls nicht.

Wenn ich Ihre Pressemitteilung vom 28.6.ernst nehme, Herr Markov, gibt es neben der Weiterleitung von Steuermehreinnahmen in Höhe von 70 Mio € an die Kommunen zwei Ausgabenschwerpunkte: Altanschließerbeiträge in Höhe von 35 Mio €, sowie nicht eingeplante Mehrausgaben in Höhe von 54 Mio € durch die Auswirkungen des Tarifabschlusses im öffentlichen Dienst: Bei einer Finanzprognose die (laut Seite 37 der) MFP 1,5 % Tariferhöhung pro Jahr einkalkuliert und einem realen Tarifabschluß von 1,9 Prozent sind so hohe Mehrausgaben eine wundersame Berechnung, zumal die Personalausgaben in der letzten MFP (2010ff) mit 2.250,7 und nunmehr mit 2.265,6 Mrd € veranschlagt sind, mithin die (unvorhergesehene) Steigerung nur rund 15 Mio € beträgt.

Dass steigende Steuereinnahmen auch steigende Zuweisungen an die Kommunen nach sich ziehen, geschenkt. Mein Fazit ist: Die ungeplanten Mehrbelastung im Bereich Personal sind ein Märchen. Übrig bleiben die einmalige investive Mehrausgaben für Wasseranschlußbeiträge in Höhe von 35 Mio €, die als Begründung für dauerhafte Kürzungen im Bildungsbereich herhalten sollen

Wenn wir den Umgang mit Ihrem angeblichen Schwerpunktfeld Bildung und Wissenschaft im Vorfeld der Haushaltsberatungen kurz beleuchten, dann wird es finster:

So weist der Einzelplan 6 Wissenschaft, Forschung, Kultur zwar insgesamt Mehrausgaben von knapp 46 Millionen Euro aus. Diese 46 Millionen Euro resultieren aber ausschließlich aus Umsetzungen von Ausgaben anderer Einzelpläne. So wurden drei Leibnizinstitute aus dem Einzelplan 11 in den Einzelplan 6 verschoben (46 Millionen). Weiterhin wurden für die Stiftung Neuzelle 3 Millionen Euro aus der Beilage zum Einzelplan 12 umgesetzt.

Also: Keine Mittelverstärkung! Berücksichtigt man die höheren Personalkosten so ergibt sich sogar ein reales Defizit von 16 Mio €.

Diese Schieflage der Finanzausstattung wird im Kapitel „Globalzuweisungen an die Hochschulen" besonders deutlich. Die Mittel im Hochschulkapitel steigen gegenüber dem Vorjahr nur um 1,8 Millionen Euro, obwohl lt. Haushaltsentwurf Mehrausgaben im Personalbereich in Höhe von 10 Millionen Euro und 3 Millionen Euro mehr für den Hochschulpakt 2020 anfallen. Dieses mathematische Problem, Mehrausgaben in Höhe von über 13 Mio € aus 1,8 Mio € zusätzlicher Mittel zu finanzieren soll eine Globale Minderausgabe in Höhe von 12 Millionen Euro auflösen. Ressortbezogene globale Minderausgabe ist der Notausgang des Finanzministers: Man weiß nicht wo man sparen kann, also zwingt man die Betroffenen sich selber die Luft abzuschnüren.

Nicht viel anders sieht es übrigens auch beim Blick auf den Einzelplan 5 aus, der prima vista von Konsolidierungsmaßnahmen verschont zu bleiben scheint.

Aber 36 Millionen Euro mehr gleichen gerade die tarifbedingten Mehraufwendungen bei den Personalkosten incl. Versorgungsfonds und den Zuweisungen an die freien Schulen aufgrund der dort gestiegenen Schülerzahlen aus..Die sich aus den gesunkenen Gesamtschülerzahlen ergebende demographische Rendite bleibt dagegen nicht im Bildungssystem, sondern wird vom Finanzminister abgeschöpft.

Im Windschatten der Haushaltsdiskussion soll über die Neuregelung des Berechnungsverfahrens für die Finanzierung der freien Schulen, diesen ab dem Schuljahr 2012/13 schrittweise der Atem genommen werden. Die Koalition lebt hier ihre ideologisch motivierte Aversion gegen Freie Schulen konsequent aus

Dass die Kinder trotzdem und zwar dann auf öffentlichen Schulen beschult werden müssen, die Kürzung an dieser Stelle Mehrkosten an anderer verursacht, lässt die Koalition außer Betracht. Dies ist nicht die Art, wie wir uns kluges Staatshandeln vorstellen.

Wir wollen nicht ausschließen, dass auch in den Bildungsetats Einsparmöglichkeiten bestehen, im Gegensatz zur Landesregierung heißt Priorität e für uns allerdings, dass die sogenannte demographischen Rendite, also die mit dem Schülerrückgang eintretenden Kostensenkungen, im Bildungssystem verbleibt. Dabei geht es zunächst einmal nicht um zusätzliche stellen, sondern nur um die Besetzung und Ausfinanzierung der vorhandenen stellen

Bei den Lehrkräften sollen trotz bekannter Notlage in den Schulen laut dem heute vorliegenden Personalplanungskonzept nur 200 Lehrkräfte neu eingestellt werden. Frau Münch spricht hier neuerdings von 250 Lehrkräften, vielleicht könnte sich die Landesregierung ja auf eine einheitliche Zahl verständigen. Untersuchungen des IRS Erkner zeigen, dass um den status quo zu halten zwischen 320 und 750 Lehrer pro Jahr neu eingestellt werden müssten. Die Landesregierung redet trotz des Streichens von 238 Stellen für Lehrkräfte ständig von zusätzlichen Lehrkräften. Aber auch durch ständige Wiederholung wird diese Aussage nicht wahr. Wenn von Einstellungen geredet wird, dann geht es immer nur um neue Lehrern, die auf freiwerdenden Stellen geführt werden, nicht um zusätzliche Lehrkräfte.

Effizienzgewinne und Personalentwicklung

Aber kommen wir zur Gesamtbetrachtung des Haushaltes zurück und beleuchten die mit dem Haushaltsentwurf vorgelegte Personalplanung:

Angesichts der Gesamtsituation muss jeder ausgegebene Euro auf den Prüfstand. Gemeinsam müssen wir die Haushaltspositionen auf mögliche Effizienzsteigerungen durchchecken. Effizienzgewinne werden sich in der Zukunft vor allem durch einen klügeren Personaleinsatz realisieren lassen. Die Beratungen in der Enquetekommission 5/2 zur Überprüfung der Kommunalstrukturen wie zur Neuverteilung der Aufgaben zwischen Land und Kommunen sind hier ein guter Ansatzpunkt. Aber nicht jede Strukturreform spart Geld, wie wir anläßlich der Umwandlung der Bundeswehr in eine Freiwilligenarmee und dem Wegfall des Zivildienstes erneut erleben dürfen.

Klar ist, wir kommen um Kürzungen im Personalsektor nicht herum. Aber wir brauchen einen Personalabbau mit Augenmaß und aufgrund aufgabenkritischer Analysen. Die Kunst besteht darin zu kürzen ohne das Land kaputt zu sparen, den notwendigen Stellenabbau vorzunehmen, ohne die staatlichen Verwaltungen handlungsunfähig zu machen. Und ich behaupte mit dem bisher gewählten Weg sind wir kurz davor die Verwaltung auszubluten. Allein mit Stellenstreichungen und Wiederbesetzungssperren ist kein Staat zu machen. Lassen Sie mich das am Beispiel des MLUG verdeutlichen:

Nach der Personalbedarfsplanung soll dass MLUG bis 2015: 219 von 1.312 Stellen einsparen, also 16,7 Prozent seiner Stellen. Bis 2015 scheiden Altersabgänge und die übliche Fluktuation zu Grunde gelegt 228 Mitarbeiter aus. Differenz: 9 Stellen. Das MLUG dürfte also bis 2015 nur 9 Mitarbeiter neu einstellen. Dummerweise scheiden die Mitarbeiter praktisch nie in den Fachgebieten und Vergütungsgruppen aus, die zukünftig wegfallen können. Bei einem Geschäftsbereich, der von Tierärzten bis Wasserbauingenieuren so ziemlich jede mögliche Spezialisierung umfasst sind Nachbesetzungssperren daher das sicherste Instrument um die Verwaltung handlungsunfähig zu machen. Das hat auch das MdF erkannt und großzügig die Einstellung von 6 Spezialisten, davon 2 befristeten Stellen (übrigens 2 Wasserbauer mit 1 Jahresverträgen) im LUGV eingeräumt (s. Personalbedarfsplanung Seite 4). Angesichts nicht verausgabter Wasserbaumittel in einem Handlungsschwerpunkt der Landesregierung im Jahr 2010 in zweistelliger Millionenhöhe (Die Titelgruppe 83 „Wasserbautechnische Maßnahmen aus Sonderabgaben" verzeichnet im Jahr 2010 Mehrausgaben von + 3 Mio gegenüber dem Soll. Bei der Titelgruppe 84 Landesmittel für wasserwirtschaftliche Maßnahmen und EU-Projekte" entstehen Kürzungen und Umverteilungen. 10 Millionen Euro werden zu Gunsten der Verwaltungstitel „Unterhaltungsaufwendungen Wasser- und Bodenverbände Gewässer 1. Ordnung" und „Erstattung an die Wasser- und Bodenverbände" umverteilt. Weitere 10 Millionen Euro gehen verloren. 17,6 Mio der gekürzten oder umverteilten Mittel kommen aus Titeln, die EU-mittel kofinanzieren. Wie viel EU-Mittel wegen diesen Veränderungen im Haushaltsjahr 2010 nicht abgerufen wurden, kann ich nicht abschätzen.) ein Witz. Auf meine Nachfrage im Haushaltsausschuss wieso denn die Mittel nicht abgeflossen seien, wurden die vielfachen Hochwasser des Jahres 2010 benannt. Mit diesen Feuerwehreinsätzen waren die wenigen Wasserbauer schon so stark ausgelastet, dass sie kaum noch Zeit für Auftragsvergaben und Projektprüfungen fanden. Die Folgen dieser Personalpolitik kann sich die Ministerin inzwischen ja jeden Tag in irgendeinem Landesteil anhören.

Im Geschäftsbereich des MdF, der wichtigste Bereich der Landesverwaltung zur Einnahmeerzielung dürfen 10 Spezialisten (davon 6 für das Technische Finanzamt) und 9 Nachwuchskräfteeingestellt werden. Im Geschäftsbereich waren zum 31.05. 2011 von 4.923 Stellen 319 Stellen frei . Anscheinend will der Finanzminister auf Kosten der Beschäftigten die Personalzielzahlen für 2015 (-355 Stellen) bereits 2012 erzielen. Auch unter Berücksichtigung der 90 Stellen für die in Ausbildung genommenen Beamtenanwärter ändert sich an dieser Aussage nichts.

Inzwischen ist die gesamte Landesverwaltung überaltert. So werden im MASF innerhalb von 5 Jahren bis 2015 23,2 Prozent der Bediensteten, also fast ein Viertel (s.Personalplanung Seite 57) und im MBJS (ohne Lehrkräfte) 21 % der Mitarbeiter ausscheiden. Im Gegensatz zum MUGV werden in diesen Geschäftsbereichen weitaus mehr Mitarbeiter ausscheiden als Stellen gestrichen werden. Der drohende Knowhow-verlust kann nur aufgefangen werden, wenn auch einmal überlappende Einstellungen möglich gemacht werden. Die freien Stellen und die Haushaltsmittel dafür wären auch da. So werden schon seit Jahren die Personalansätze im Landeshaushalt nie ausgeschöpft. Das erklärt sich relativ einfach zum einen durch die Vielzahl nicht besetzter Stellen, so waren neben den genannten Ressorts z.B. zum 31.05.2011 im MUGV 54 etatisierte Stellen und im MI 219 Stellen nicht besetzt; zum anderen ergeben sich die Minderausgaben durch die Besetzung von rund 1000 Lehrerstellen des Höheren Dienstes mit Mitarbeitern des Gehobenen Dienstes. Entsprechend werden nach dem Bericht des MdF auch dieses Jahr trotz Tariferhöhungen die Personalkostenansätze um rund 50 Millionen Euro unterschritten werden. Nach der am Montag eingegangenen Antwort auf eine kleine Anfrage gilt diese Unterschreitung der veranschlagten Personalkosten für alle Ressorts. Der von uns eingeforderte Stellenabbau mit Augenmaß ist daher auch innerhalb der Haushaltsansätze finanzierbar.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Als Oppositionspolitiker könnte ich jetzt Ihren Erwartungen entsprechen und in die Oppositionsroutine verfallen von wegen: Diese Regierung kann es nicht! oder Sozis können nicht mit Geld umgehen und brauchen deshalb grüne Aufpasser. Das stimmt zwar tendenziell, aber das führt uns nicht weiter.

Ich meine: Wir sind alle aufgerufen uns in der Haushaltspolitik ehrlich zu machen. Wer immer noch glaubt, die Probleme notleidender Staatsfinanzen durch Steuererhöhungen zu lösen zu können ist ein Realitätsverweigerer.

Es ist die Crux des Finanzministers, dass sich die Haushaltsdiskussion am Ende immer nur um 3 Zahlen dreht: Nettokreditaufnahme, Verschuldungshöhe und Gesamtausgaben.

Diese globalen Zahlen gilt es im Blick zu halten, aber die Lösung liegt im Detail.

Bei der dringenden Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung muss jeder verausgabte Euro auf den Prüfstand und maximalen Nutzen für unsere Gesellschaft erbringen. Der vorgelegte Haushaltsentwurf zeigt, dass die Landesregierung hier noch zu zaghaft ist. deshalb müssen wir ihr gemeinsam auf die Sprünge helfen.

Wie alle Landtagsfraktionen bekennen auch wir Grünen uns zur Priorisierung der Bildungsausgaben. Wir bekennen uns zur Haushaltskonsolidierung mit klarer Schwerpunktsetzung im Bildungsbereich. Mit diesem Haushalt wird diesem Schwerpunkt aber nicht entsprochen. Die Landesregierung verläppert weiterhin das Geld. Das können wir uns aber nicht länger leisten. In diesem Sinne sollten wir uns alle alle Regierungsfraktionen wie Opposition in die nun folgenden Ausschussberatungen einbringen.