Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte kurz Folgendes klären - Herr Goetz hat es bereits angesprochen -: Es hat sich herausgestellt, dass diese Debatte zunächst mit den Redebeiträgen der haushaltspolitischen Sprecher eröffnet wurde, die eine Gesamtbetrachtung des Haushalts vorgenommen haben. Zum Einzelplan 01, 02 usw. haben bislang nur Sie gesprochen. Wir hatten von vornherein vorgesehen, dass selbstverständlich auch wir unsere Position zum Einzelplan 01 präsentieren werden. Dennoch wollen wir die Positionen der anderen haushaltspolitischen Sprecher nicht im Raum stehen lassen, sondern dazu Grundsätzliches sagen, was zunächst ich übernehmen werde.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! In den USA heißt der Haushaltausschuss des Repräsentantenhauses „House Committee on Ways and Means“. Zu Deutsch bedeutet das ungefähr „Ausschuss für Wege und Mittel“. Das bringt viel präziser zum Ausdruck, was Haushaltspolitik eigentlich beinhaltet und bedeutet, nämlich Wege und Mittel dafür zu finden, wie politische Zielvorstellungen in die Praxis umgesetzt werden können.
Natürlich wissen wir alle, dass es eine ganze Menge an Maßnahmen und Projekten gibt, deren Unterlassung Geld sparen würde bzw. in der Vergangenheit Geld gespart und zugleich einen besseren Entwicklungspfad für unser Land bedeutet hätte, jedoch kostet in der Mehrzahl der Fälle Politik Geld - sei es zur Herstellung von Chancengerechtigkeit in Schule und Beruf, zur sozialen Grundsicherung, zur Schaffung einer nachhaltig nutzbaren Infrastruktur, aber auch zur Bekämpfung der akuten Menschheitsprobleme wie Klimawandel oder Verlust der biologischen Vielfalt. Dazu müssen die Haushaltsmittel eines Landes dienen.
Als Brandenburger sind wir dabei in einem beträchtlichen Ausmaß Kostgänger der Europäischen Union, des Bundes und der Geberländer des Länderfinanzausgleichs. Herr Burkardt hat das alles sehr präzise und korrekt aufgezählt. Nicht einmal die Hälfte unserer Ausgaben decken wir durch unser Steueraufkommen. Bei einem Haushaltsvolumen von 10,5 Milliarden Euro sind dies weniger als 5 Milliarden Euro. 650 Millionen Euro - auch das wurde genannt - will die Regierung in diesem Jahr an neuen Schulden aufnehmen und die Nettokreditaufnahme in den Folgejahren - wie die mittelfristige Finanzplanung darlegt - auch nur schrittweise verringern. Von einer Tilgung der inzwischen vorhandenen 18 Milliarden Euro Schulden ist ohnehin keine Rede.
(Zuruf des Abgeordneten Görke [DIE LINKE])
Das griechische Beispiel zeigt: Wer seinen Haushalt nicht beizeiten in Ordnung bringt, läuft Gefahr, mehr oder weniger hilflos mit ansehen zu müssen, wie übergeordnete Mächte - dabei handelt es sich nicht um übernatürliche Mächte - mit der Brechstange die Haushaltssanierung erzwingen.
(Beifall des Abgeordneten Burkardt [CDU])
Nachhaltige Haushaltspolitik bedeutet für uns daher, dass die benötigten öffentlichen Güter eines Jahres auch mit den Einnahmen eines Jahres abgedeckt werden. Nachhaltige Haushaltspolitik richtet sich für uns Grüne allerdings - das möchte ich auch sehr deutlich betonen - nicht an der neoliberalen Leitidee eines superschlanken - um nicht zu sagen: „skelettierten“ - Staates aus, der zudem einseitig Arbeitnehmereinkommen über die Einkommensteuer und den Letztverbraucher über die Umsatzsteuer belastet und zugleich Unternehmen und Vermögen von Steuern weitgehend freizustellen versucht.
Finanztransaktionssteuer und Vermögensabgaben sind für uns ein gangbarer Weg zur Verbesserung der Finanzen im Bund und vielleicht auch in den Ländern. Hier unterscheiden wir uns eventuell von den anderen Oppositionsfraktionen. Jedoch sage ich auch völlig unzweideutig: Das Hoffen auf Steuererhöhungen ist für Brandenburg kein gangbarer Weg. Verglichen mit anderen Bundesländern - wie Schleswig-Holstein - ist unser Haushalt dank der Solidarpaktmittel und des Länderfinanzausgleichs um mindestens 2 Milliarden Euro zu hoch. Egal, wie hoch eventuelle Steuermehreinnahmen durch Steuerrechtsänderungen in der Zukunft auch ausfallen werden: Unser Haushaltsvolumen in Brandenburg muss in den nächsten Jahren deutlich sinken.
Nachhaltige Haushaltspolitik bedeutet, dass der Weg in den Schuldenstaat versperrt werden muss. Insofern unterstützen wir ausdrücklich die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse. Wir wissen inzwischen alle: Die Aufgabe, öffentliche Haushalte künftig grundsätzlich ohne Kredite auszugleichen, stellt die Länder vor eine gewaltige Herausforderung. Ein Blick auf den jahrzehntelangen Schuldenanstieg verdeutlicht, dass die Schuldenbremse einen tiefgreifenden politischen Kulturwandel einleitet, der der Gesellschaft und der Politik viel abverlangt. Am Anfang jeder nachhaltigen Haushaltspolitik stehen daher die Fragen - das scheint inzwischen zum Konsens hier im Hause zu gehören -: Welchen Staat wollen wir? Welche Aufgaben will und soll der Staat in welcher Qualität und Tiefe übernehmen? Wie kann das alles finanziert werden? - Die Kunst der Haushaltspolitik ist es, dies alles in Einklang zu bringen. In diesem Sinne ist der Landesregierung mit dem vorliegenden Haushalt kein großes Kunstwerk gelungen. Die Höhe der Nettokreditaufnahme 2010 und in den Folgejahren lässt nur eine Botschaft erkennen: Wir - die Koalition - gehen konsequent weiter unseren Weg in den Schuldenstaat; spätere Regierungen werden es schon richten.
Aber auch Höhe und Verteilung der Ausgaben im vorliegenden Haushaltsentwurf lassen nur eine Deutung zu: Wir - es ist erneut die Koalition gemeint - machen im Grundsatz weiter wie bisher. Einspar- und Umverteilungspotenzial besteht nicht. An die Besitzstände in den einzelnen Ministerien gehen wir nicht heran. Die im Koalitionsvertrag zwar nur rudimentär vorhandenen, aber ab und zu doch auffindbaren neuen politischen Zielsetzungen - zum Beispiel die dringend notwendigen Verbesserungen im Bildungssystem - schieben wir auf die lange Bank.
(Dr. Woidke [SPD]: Wie bitte?)
In der Personalbedarfsplanung setzen Sie weiter auf politische Zielzahlen statt auf die Herleitung aus aufgabenkritischen Analysen und bringen damit die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes und der Gewerkschaften zu Recht gegen sich auf, wobei die Gewerkschaften - auch das ist in den Gesprächen mit den Demonstranten deutlich geworden, an denen Sie vielleicht nicht nur vorbeigefahren sind, sondern mit denen Sie eventuell das
Gespräch gesucht haben - durchaus einsehen, dass Einsparungen im Personalbereich erforderlich sind. Jedoch wollen sie, dass sie und die Mitarbeiter dabei auch mitgenommen werden.
(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Ja! - Dr. Woidke [SPD]: Jawohl!)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieser Haushalt zeigt kaum Wege und Mittel zur Erreichung der aus unserer Sicht viel zu wenigen neuen politischen Ziele auf, die sich SPD und die Linke in der Koalitionsvereinbarung selbst gesetzt haben. Er findet keine Antwort auf den Bildungsnotstand. Er lässt nicht erkennen, dass die Koalition die Lösung des Menschheitsproblems „Klimawandel“ und die Schaffung einer sozial gerechten und ressourcenschonenden - kurz: nachhaltigen - Wirtschaft tatsächlich verinnerlicht hat. Er dokumentiert die Ratlosigkeit einer Koalition, die versucht, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen, und damit die Zukunft dieses Landes aufs Spiel setzt. Als Bündnisgrüne haben wir in den Haushaltsberatungen der Ausschüsse Einsparmöglichkeiten von weit über 400 Millionen Euro aufgezeigt, die im Personal- und Verwaltungsbereich - das werden zumindest Sie konzedieren, Herr Görke - im Haushaltsvollzug ohne Probleme hätten erbracht werden können.
(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)
Bei den Zuschüssen - das gebe ich zu - hätte die Landesregierung mehr Gehirnschmalz aufwenden müssen, um dies tatsächlich herauszufinden. Ich nenne das Beispiel ILA. Hier wäre es ohne Probleme möglich gewesen, über 3 Millionen Euro aus dem Haushalt zu streichen und damit einen Beitrag zur entsprechenden Kürzung der Zuwendungen zu leisten.
(Zuruf von der SPD: Da gibt es unterschiedliche Auffassungen! So ist das!)
An vielen Stellen haben wir uns in unseren Anträgen mit der CDU getroffen, die - aus einer anderen Richtung kommend - Einsparpotenziale in ähnlicher Größenordnung errechnet hat.
(Minister Speer: Im Saarland!)
Zugleich haben wir erste Ansätze aufgezeigt, wie die Verbesserung des Bildungssystems in den Brandenburger Schulen finanziert werden kann. Wir haben das Motto „Investitionen in die Köpfe statt in Straßen und Beton“ zwar ernst genommen, jedoch bei Ihnen auf Granit gebissen. Aber egal, ob Einsparungen bei den Energiekosten der Landesliegenschaften oder der Verzicht auf das nächste sich abzeichnende Millionengrab, das neue Messegelände der ILA: Sie haben mit den fadenscheinigsten Begründungen unterschiedslos alles abgelehnt. Das ist kein Zeichen von Stärke. In den nun folgenden Beratungen zu den Einzelplänen werden wir unsere Kritik vor dem Plenum erneuern und Ihnen Alternativen vorschlagen. Es ist kein Zeichen von Schwäche, wenn Sie Angebote der Opposition annehmen. Seien Sie stark! Nutzen Sie die Chancen, die wir Ihnen in den nächsten Tagen bieten! -Danke.
(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)