Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Zum zweiten Mal während dieser Haushaltsberatungen mussten wir auf dem Weg in den Landtag durch ein Spalier derjenigen, die von der Schulreform und den Kürzungen im Schulbereich betroffen sind, laufen. Die Hochschulen sind in Aufruhr, die Gewerkschaften protestieren. Peer Jürgens macht sich schon Sorgen darüber, dass das Hochschulsystem strukturell in Schieflage gerät. Auch die Jusos und das Wissenschaftsforum der SPD haben zu dieser Demonstration aufgerufen. Was wir aber nach den Planungen für heute, morgen und übermorgen in diesem Landtag nicht hören werden, ist ein Wort des Ministerpräsidenten dazu.
Es ist Tradition in diesem Landtag und es hat sich so eingebürgert, dass bei der ersten Runde der Haushaltsberatungen die Finanzpolitikerinnen und Finanzpolitiker der Fraktionen sprechen. Das ist nicht überall so; wir reden ja hier auch über den Einzelplan 02. Die Bundeskanzlerin beispielsweise lässt es sich nicht nehmen, über den Einzelplan 02 im Plenum des Bundestages selbst das Wort zu ergreifen und ihre gesamte Politik der Diskussion zu stellen. Der Ministerpräsident von Sachsen, Herr Tillich, lässt es sich nicht nehmen, bei der Beratung in der 2. Lesung des Einzelplans 02 seine Politik zu vertreten, vorzustellen und sich der Diskussion zu stellen. Frau Lieberknecht ergreift ergreift sowohl in der 1. wie in der 3. Lesung des Landtages das Wort.
(Vereinzelt Beifall GRÜNE/B90 und CDU sowie Beifall FDP)
Herr Sellering, der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, stellt sich der Diskussion über seine Haushaltspolitik, aber bei unserem Ministerpräsidenten - Fehlanzeige. Er duckt sich weg, er ergreift nicht das Wort, er ist auch nicht vorgesehen als Redner für die 3. Lesung. Ich will jetzt die Gelegenheit nutzen: Herr Ministerpräsident Platzeck, denken Sie einmal darüber nach, ob das nicht die geeignete Runde wäre, gemeinsam mit den Fraktionsvorsitzenden hier bei der Haushaltsberatung tatsächlich über die Zukunft des Landes zu diskutieren.
(Beifall GRÜNE/B90 sowie vereinzelt CDU und FDP
-Ministerpräsident Platzeck: Ich habe mich bisher jeder Haushaltsdebatte gestellt! Sie reden über ungelegte Eier!)
- Gut. Ich kann ja nur über das reden, was mir als ausgedruckte Tagesordnung vorliegt. Darin ist eine Rede des Ministerpräsidenten nicht vorgesehen.
(Ministerpräsident Platzeck: Freuen Sie sich darauf!)
Ich freue mich darüber, und wir nehmen jetzt alle zur Kenntnis, dass der Ministerpräsident das Wort ergreifen will.
(Zurufe von der SPD sowie der Fraktion DIE LINKE)
Ich habe mir in Vorbereitung dieser Haushaltsdebatte auch das Protokoll der letztjährigen Plenardebatte vorgenommen. Wie sich herausstellte, hätte ich große Teile meiner damaligen Rede - nur mit Änderungen am Zahlenmaterial - genau so halten können wie vor einem Jahr.
Unsere Änderungsanträge wurden, wie schon im Vorjahr, allesamt abgelehnt, wobei dieses Mal im Bildungsbereich jedoch einige wenige unserer - für unseren Geschmack aber viel zu wenige - Anträge in Form von Koalitionsanträgen fröhliche Wiederauferstehung feiern konnten. Diesen Änderungsanträgen, insbesondere im Bereich Förderung der Inklusion, haben wir auch gerne zugestimmt. An der Gesamteinschätzung dieses Haushalts ändert das allerdings wenig.
Hatten wir beim Haushalt 2011 noch den Eindruck, dass der Fortschritt eine Schnecke ist, dass sich die Regierung zwar prinzipiell in die richtige Richtung bewege - Stichwort Haushaltskonsolidierung, Stichwort Umstellung der Wirtschaftsförderung von verlorenen Zuschüssen auf Kredite sowie Bürgschaften -, so hatten wir schon damals Zweifel daran, dass sich der Vorrang für Bildung und Hochschulen auch tatsächlich im Haushalt ausdrückt. Wir hatten damals kritisiert, dass der Regierung der Mut zum großen Wurf fehle. Dieses Mal müssen wir konstatieren, dass Mut zwar vorhanden ist, aber der Mut dazu führt, dass man in die falsche Richtung geht, ja, dass man sogar den Rückwärtsgang eingelegt hat.
Dabei wären die Zahlen für 2012 geeignet gewesen, jetzt einen großen Schritt in Richtung Nettoneuverschuldung Null zu machen. Wenn Herr Markov nicht Helmut heißen würde, müsste man eigentlich von einem Hans im Glück sprechen. Gegenüber dem Haushaltsjahr 2011 ergaben sich schon nach den Zahlen des Haushaltsentwurfs, so wie er in der 1. Lesung hier eingebracht wurde, Mehreinnahmen von 472 Millionen Euro. Besonderes Glück hat er mit den unerwarteten Steuermehreinnahmen nach der November-Schätzung in Höhe von nochmals 137 Millionen Euro, sodass - das wurde hier ja schon mehrfach ausgeführt - insgesamt mehr als 609 Millionen Euro, verglichen mit dem Haushalt 2011, mehr zur Verfügung stehen. Nicht erfasst sind dabei die erwähnten 82 Millionen Euro Sicherheitsabschlag, sodass diese 600 Millionen Euro auch noch eine pessimistische Schätzung darstellen.
Die Verwendung dieses warmen Einnahmeregens ist jedoch aus unserer Sicht eine absolute Fehlleistung. Kein einziger Euro soll in die Senkung der Nettokreditaufnahme fließen. Dem schlechten Beispiel Bayerns folgend, werden stattdessen Rücklagen in dreistelliger Millionenhöhe aufrechterhalten, um in Zukunft - Herr Görke hat es letztendlich auch bestätigt - die verfassungsrechtliche Schuldenbremse aushebeln zu können.
(Widerspruch bei der Fraktion DIE LINKE)
Dies ist eine Form der Ost-West-Angleichung, die wir - wie übrigens auch der Landesrechnungshof - keinesfalls gutheißen können.
(Beifall GRÜNE/B90)
- Der Beifall ist heute auf unserer Seite etwas dünn, weil wir ersatzgeschwächt sind. Wenn von fünf Fraktionsmitgliedern einer krank ist, bekommt man entsprechend nur spärlichen Beifall zu hören.
(Beifall GRÜNE/B90, FDP sowie vereinzelt CDU)
- Danke.
Statt den vorjährigen Druck zur Haushaltskonsolidierung aufrechtzuerhalten, wurde die gute Einnahmesituation genutzt, nun die Zügel schleifen zu lassen, einzelne Haushaltstitel über Bedarf aufzupumpen und sich beispielsweise mit der Bildung einer Polizeisportgruppe ein neues Hobby zuzulegen. Waren in den mittelfristigen Finanzplanungen 2009 und 2010 noch Gesamtausgaben in Höhe von rund 9,7 Milliarden Euro für 2012 eingeplant, so schlagen jetzt Ausgaben in Höhe von 10,2 Milliarden Euro zu Buche, also 500 Millionen Euro mehr, als noch vor ein oder zwei Jahren eingeschätzt. Gleichzeitig sollen 270 Millionen Euro neue Schulden aufgenommen werden. Wie
bereits mehrfach dargestellt wurde, ist Brandenburg damit das einzige ostdeutsche Bundesland, das 2012 noch mit einer Nettokreditaufnahme plant.
Frau Geywitz, der Hinweis auf die so hohe Investitionsquote im Vergleich mit anderen Bundesländern ist etwas irreführend. Wir sind eben in einem ostdeutschen Bundesland. Wir bekommen Bundesergänzungszuweisungen,
(Frau Geywitz [SPD]: Die bekommt Sachsen-Anhalt auch!)
die ja dazu bestimmt sind, dass sie zu Investitionszwecken herangezogen werden, und die auch zum Großteil dazu dienen, an die Kommunen weitergegeben zu werden.
Verglichen mit Schleswig-Holstein verfügt Brandenburg über einen um 2 Milliarden Euro höheren Haushalt, weil wir hierdurch eine bessere Einnahmesituation haben. Selbstverständlich ergibt sich daraus zwangsläufig, dass die Investitionsquote in Brandenburg höher sein muss. Das ist also kein Verdienst der Landesregierung, sondern das ist eindeutig durch die Vorgabe über die Mittelverwendung bedingt.
Aber leider ist es bei unseren letztjährigen Erfahrungen geblieben, dass wir unsere Einsparvorschläge hin- und herwenden können, wie wir wollen, wir stoßen damit auf keine Gegenliebe. Das gilt selbst dann, wenn der Landesrechnungshof unsere Sicht der Dinge bestätigt, wie bei der kreditfinanzierten Bildung von Versorgungsrücklagen, Herr Görke, Versorgungsrücklagen! - Rücklagen, die übrigens in zweistelliger Millionenhöhein Anleihen ausländischer Banken angelegt sind, von denen eine, eine französische Bank, BNP Paribas, laut „Süddeutscher Zeitung“ vom 3. Dezember durch die aktuelle Eurokrise besonders hart getroffen ist und ins Schlingern geraten zu sein scheint. Darüber werden wir, meine ich, bei der Beratung des Einzelplans 20 noch zu reden haben. Und, Frau Geywitz, Brandenburg ist natürlich eine sichere Bank für Anlagen. Aber warum legen wir dann unser Geld bei unsicheren Banken an? Das kann nun wirklich nicht Bestand haben!
(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)
Ich gebe Ihnen, Frau Geywitz, Recht, und ich meine, das ist auch keine besonders mutige Prognose: So wie jedes Jahr wird sich auch am Ende des Jahres 2012 wieder herausgestellt haben, dass sich das Finanzministerium um mehrere hundert Millionen Euro verrechnet hat. Am Ende des Jahres 2012 werden die Investitionsausgaben wieder um 10 % unter den Haushaltsansätzen geblieben sein, werden die Personalausgaben im zweistelligen Millionenbereich wieder unterschritten worden sein und werden die Rücklagen in neue Dimensionen vorstoßen.
Weil wir gerade verhindern wollen, dass die Personalrücklagen in immer neue Dimensionen vorstoßen, wollen wir eine Anpassung der Planzahlen an die tatsächlichen Ist-Ausgaben.
Am Ende des Jahres 2012 könnte der Haushaltsplan tatsächlich mit einer schwarzen Null abgeschlossen werden, und trotzdem - das befürchte ich - wird der Finanzminister seine Kreditermächtigungen in vollem Umfang nutzen wollen, um damit seine Rücklagen für zukünftige Zeiten aufzustocken.
(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Absurd!)
Ich sage bewusst jetzt nicht „für schlechtere Zeiten aufzustocken“; womöglich dient dieser Rücklagenaufbau, Schwankungsreserve genannt, ja auch nur dazu, im Wahljahr die Spendierhosen anziehen zu können.
(Zuruf von der CDU: Aha!)
Bedauerlich ist für uns aber auch, dass Rot-Rot in den für die Zukunftsgestaltung unseres Landes wesentlichen Politikfeldern - Bildung, Hochschulen, Umwelt - die falschen Weichen stellt. So sollen die Hochschulen unverändert 12 Millionen Euro globale Minderausgaben in ihren Budgets erwirtschaften. Wir hatten beantragt - das wurde angesprochen -, diese Einsparauflage in den Bereich des Straßenbauamtes zu verlagern. Der Antrag wurde abgelehnt. Als Ablehnungsgrund wurde im Haushaltsausschuss frank und frei eingeräumt, dass die an den Hochschulen weit verbreiteten befristeten und ungesicherten Beschäftigungsverhältnisse relativ leicht dem Rotstift zum Opfer fallen könnten, wohingegen die Umsetzung von Mitarbeitern aus der zugegebenermaßen überbesetzten Straßenbauverwaltung unmöglich erscheine.
So ist Brandenburg natürlich Schlusslicht bei den Pro-Kopf-Ausgaben im Hochschulbereich. Mecklenburg-Vorpommern, ein vergleichbares ostdeutsches Bundesland ohne Nettokreditaufnahme, hat einen doppelt so hohen Pro-Kopf-Einsatz an Mitteln für den Hochschulbereich wie Brandenburg.
(Görke [DIE LINKE]: Zwei medizinische Fakultäten!)
So viel zum Thema Prioritätensetzung in einer Regierung, die für sich in Anspruch nimmt, in die Köpfe und nicht in Beton investieren zu wollen.
(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)
Über den rücksichtslosen Griff in die Taschen der freien Schulen wird bei den weiteren Beratungen genauso zu reden sein wie über die Geschenke an Vattenfall bei der Berechnung des Wassernutzungsentgelts.
Wie im letzten Jahr haben wir auch dieses Jahr die Ergebnisse der Beratungen in den Ausschüssen ernst genommen und stellen nur noch einige wenige exemplarische Anträge von besonderer politischer Bedeutung hier im Plenum erneut zur Abstimmung, teilweise auch modifiziert; Herr Görke hat es bemerkt. Einer der wesentlichen Anträge, den wir hier dennoch noch einmal zur Abstimmung stellen, gemeinsam mit der CDU und wortgleich mit einem Antrag der FDP, ist der Ihnen vorliegende Antrag auf Schaffung dreier zusätzlicher Stellen für die Landesdatenschutzbeauftragte im Einzelplan 01 des Landtages.
Die bereits im Vorjahr beklagte mangelhafte Ausstattung der Datenschutzbeauftragten hat sich mit der Ablehnung unseres damaligen Antrags auf Personalaufstockung nicht erledigt. Im Gegenteil, die Landesdatenschutzbeauftragte ist mit einem kontinuierlichen Zuwachs an Zuständigkeiten konfrontiert: Zensus,
Renten- und Krankenversicherungen, gemeinsame obere Luftfahrtbehörde Berlin-Brandenburg. Wäre dieLandesdatenschutzbeauftragte bei einem Ministerium angegliedert, hätte die zuständige Ministerin alle Möglichkeiten, durch Personalumschichtungen innerhalb ihres Hauses die notwendige Personalverstärkung ohne Befassung des Landtages zu vollziehen.
Ich meine, jede Ministerin hätte das auch gemacht. Es kann und darf nicht sein, dass die zur Wahrung ihrer Unabhängigkeit erforderliche unabdingbare Angliederung der Landesdatenschutzbeauftragten an den Landtag dazu führt, dass deren Aufgabenbereich ausblutet, da eine Personalumschichtung aus dem Personalkörper des Landtages oder gar der gleichfalls dem Landtag zugeordneten Aufarbeitungsbeauftragten nicht in Betracht kommt.
(Beifall GRÜNE/B90, CDU und FDP)
Da der legislative Landtag nicht der exekutiven Landesverwaltung zugeordnet ist, kommt in diesem besonderen Fall tatsächlich nur die Neuausbringung von Stellen infrage. Selbstverständlich kann die Deckung auch durch eine dauerhafte Stellenstreichung in einer Landesbehörde erwirtschaftet werden.
Aber mit einem solchen Versuch waren wir bereits beim Haushalt 2011 gescheitert und haben deshalb andere Deckungsquellen vorgeschlagen. Inzwischen sind wir auch hier dabei, trotz der allseits immer wieder behaupteten besonderen Bedeutung des Datenschutzes die rote Laterne unter den Bundesländern zu übernehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Linke, auch wenn rot-rot Ihre Lieblingsfarben sind, die rote Laterne sollten Sie trotzdem nicht zu Ihrem Lieblingsfetisch erklären,
(Beifall GRÜNE/B90, CDU und FDP)
beim Datenschutz genauso wenig wie bei der Bildung, genauso wenig wie bei der Wissenschaft. - Herzlichen Dank.
(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)