Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Allen Respekt, Herr Goetz, das waren genug Rechenaufgaben für fünf PISA-Jahrgänge. Ich hoffe, dass alles ordentlich mitgeschrieben wurde und sich auch keine Fehler einschleichen, damit wir die Rechnung nachprüfen können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Finanzwelt ist aus den Fugen geraten. Wer von uns wäre denn vor einem Monat auf die Idee gekommen, dass Euro-Anleihen eines EU-Staates von den Finanzmärkten als Junkbonds eingestuft werden, in unseren Breiten das Wort vom Staatsbankrott die Runde macht und dass nicht nur ein europäisches Land - Griechenland -, sondern inzwischen mehrere südeuropäische Länder der Eurozone von den internationalen Finanzspekulanten zum Abschuss freigegeben worden sind. Was so martialisch klingt, ist pure Realität. Der Leiter der BaFin nannte dies gestern einen „Angriffskrieg auf die Eurozone“.
Jetzt rächt sich, dass es die Weltgemeinschaft nach 2009 nicht geschafft hat, die Institutionen und Akteure des Weltfinanzsystems, die Hedgefonds und Ratingagenturen, die „systemrelevanten Banken“ und deren Produkte an die Leine zu nehmen. Jetzt rächt sich, dass das Spielkasino der internationalen Finanzmarktjongleure nicht geschlossen wurde.
Für jeden von uns wurde in den letzten Wochen erkennbar: Die internationalen Finanzmärkte richten sich in ihrem Handeln nicht an den deutschen Landtagswahlterminen aus. Erkennbar wurde aber auch, wie erpressbar und Dritten hilflos ausgeliefert Länder werden, die über ihre Verhältnisse leben.
Die griechische Finanzkrise, die inzwischen eine europäische ist, zeigt uns aber auch schonungslos auf, dass die Fähigkeit zu einer verantwortungsvollen Haushaltspolitik heutzutage die Schlüsselqualifikation, die Schlüsselkompetenz jedes Politikers sein muss. Verantwortungsvolle Haushaltspolitik heißt aber nicht nur, mit dem verfügbaren Geld auszukommen, sondern dabei auch noch die fachpolitischen Prioritäten zu setzen, die ein Land zukunftsfest machen oder mit den Worten des früheren sozialdemokratischen schwedischen Ministerpräsidenten Göran Persson - ich zitiere heute nur Sozialdemokraten, um nicht in Verruf zu geraten - gesagt:
„Nur ein Staat, der nicht länger über seine Verhältnisse lebt, hat seine Hände frei, seine Mittel gezielt für Zukunftsinvestitionen einzusetzen.“
Doch wie sieht es hier bei den Verantwortlichen der rot-roten Mehrheit aus? Bis heute wurde die in der Pressemitteilung vom 19.03.2010 von Herrn Görke formulierte Aussage „Alte Rezepte wie eine Konsolidierung der Haushalte über die Ausgabenseite funktionierten schon in der Vergangenheit nicht“ nicht zurückgewiesen. Die SPD hatte in den letzten Legislaturperioden - oder zumindest in der letzten Legislaturperiode - immer eine andere Auffassung vertreten. Ich denke, es ist in diesen Haushaltsberatungen deutlich geworden, dass die Sanierung
nicht über die Einnahmeseite, sondern nur über die Ausgabenseite funktionieren wird.
Frühere Beispiele wie Schweden, das in den 90er Jahren aus eigener Erkenntnis seine Ausgaben massiv kürzte und so die Staatsausgaben in Ordnung brachte, zeigen nicht nur, dass dieser Weg möglich, sondern auch der einzig gangbare ist, wenn man noch Spielräume für selbstständiges politisches Handeln erhalten will. Heute ist Schweden das EU-Land mit der niedrigsten Nettoneuverschuldung. Das Beispiel Griechenlands dagegen zeigt, dass einem Staat, der nicht beizeiten beginnt, Einnahmen und Ausgaben ins Lot zu bringen, die Kürzungen der Ausgaben irgendwann diktiert werden.
Frau Kaiser, in einem Punkt muss ich deutlich widersprechen. Die Probleme, die in Griechenland jetzt auftreten, sind doch nicht den Auflagen der EU und des IWF geschuldet, sondern das Ergebnis eines langjährigen Prozesses und Versagens der griechischen Regierungen.
(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)
Ich möchte auch darauf hinweisen, dass heute im Bundestag über die Hilfen für Griechenland abgestimmt wurde und die Linken gegen diese Hilfen gestimmt haben und die SPD sich enthalten hat, die Grünen aus europäischer Solidarität mit CDU und FDP gemeinsam für diese Hilfen gestimmt haben.
(Beifall GRÜNE/B90, CDU und FDP - Zuruf des Abgeordneten Schippel [SPD])
Man konnte selbstverständlich Entschließungsanträge einbringen, das ist gängige Praxis in allen Parlamenten. Darin haben wir auch zum Ausdruck gebracht, dass wir für die Finanztransaktionssteuer sind. Aber allein die Tatsache, dass wir bei Randbedingungen andere Auffassungen haben, rechtfertigt nicht, die Solidarität mit Griechenland zu verweigern.
(Beifall GRÜNE/B90, CDU und FDP)
Aber was für Staaten gilt, gilt genauso für die deutschen Bundesländer, deren Defizite in die Gesamtbilanz Deutschlands eingerechnet werden. Aus diesem Grund war die Einführung der von Brandenburg abgelehnten Schuldenbremse nur konsequent.
Schuldenbremse, das ist die in das Grundgesetz übernommene Übereinkunft des Bundes und der Länder, dass diese ab 2020 keine strukturelle - nicht überhaupt keine, sondern nur keine strukturelle - Neuverschuldung mehr zulassen dürfen und die Länder in den nächsten Jahren dafür die Voraussetzungen schaffen sollen.
Frau Kaiser hat heute noch einmal sehr deutlich gemacht, dass die Linke diese Schuldenbremse ablehnt. Ich weiß nicht, wie die SPD momentan zur Schuldenbremse steht.
(Schulze [SPD]: Das ist Verfassungslage! - Frau Kaiser [DIE LINKE]: Wir halten uns an Gesetze!)
- Gut, das nehmen wir zu Protokoll. - Ich finde aber sehr bemerkenswert, dass bis heute auf der Internetseite der Linksfraktion unter A-Z, Begriff „Haushaltspolitik“ als letzte aktuelle Meldung der Beschluss zur Einreichung der Organklage gegen die Schuldenbremse zu finden ist. Das ist also die aktuelle Haushaltspolititk der Linken.
(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Wir arbeiten daran!)
Begründet wurde das von Ihnen im Wesentlichen damit, dass diese einen tiefen Eingriff in das föderale System der Bundesrepublik darstellen würde, dass den Ländern ein Teil ihrer haushaltswirtschaflichen Selbstständigkeit und damit ihrer Eigenständigkeit genommen würde und dass die Länder bisher selber über die Höhe ihrer Verschuldung entscheiden konnten.
Frau Kaiser, Griechenland müsste uns allen doch ein Menetekel sein. Am Ende entscheiden die Geldgeber über die Höhe der Verschuldung und nicht die Länder. Wenn die Marktkräfte entscheiden, werden Eingriffe in das Staatsgefüge erzwungen, die weit über alles hinausgehen, was mit der Schuldenbremse als maßvolle Selbstbeschränkung erreicht werden soll. Das kann doch niemand von uns wollen.
(Beifall GRÜNE/B90 sowie vereinzelt CDU und FDP)
Natürlich ist es grundsätzlich verständlich, wenn in den Bundesländern die Einnahmesituation des Staates beklagt wird und Möglichkeiten einer Einnahmeverbesserung gesucht werden. Allerdings erschließt sich dieses Klagen für Brandenburg nur bedingt.
Im Gegensatz zu dem nach Einwohnern vergleichbaren finanzschwachen westdeutschen Bundesland Schleswig-Holstein, dessen Etat rund 8 Milliarden Euro umfasst, erhält Brandenburg mit seinen 10,5 Milliarden Euro Haushalt wie auch die anderen neuen Bundesländer bis 2019 noch Solidarpaktmittel des Bundes in einer Größenordnung zusammen mit dem Länderfinanzausgleich von 2,4 Miliarden Euro. Dieser Betrag wird auch bis 2013 kaum zurückgehen. Von daher haben wir in Brandenburg - das haben auch verschiedene Redner angesprochen - kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabeproblem, das wir dringend lösen müssen.
Die Einnahmen gehen also nicht schlagartig zurück, sondern in einem maßvollen Tempo. Vor diesem Hintergrund ist es unbegreiflich, dass sich die Regierung außer Stande sieht, die Neuverschuldung schneller auf null herunterzukürzen. Meine Fraktion hat in den Haushaltsberatungen Vorschläge gemacht und aufgezeigt, wie bereits im laufenden Haushaltsjahr Ausgabekürzungen um 205 Millionen Euro möglich wären, ohne dass dies mit spürbaren Konsequenzen für die Landesverwaltung und die politische Handlungsfähigkeit des Landes verbunden wäre.
Verbunden mit dem Verzicht auf die in der aktuellen Finanzmarktsituation geradezu widersinnige Einzahlung von 200 Millionen Euro in den Pensionsfonds könnten so 450 Millionen Euro im Haushalt 2010 eingespart werden. Kollege Woidke ist gerade nicht anwesend; ich sehe ihn zumindest nicht. Das hat er anscheinend nicht richtig verstanden. Hier hat niemand gefordert, dass der existierende Pensionsfonds für die Beamten, die nach dem 1. Januar 2009 verbeamtet wurden, aufgelöst wird.
(Beifall GRÜNE/B90)
Frau Kaiser, zu den Personalausgaben: Die globale Minderausgabe beinhaltete lediglich eine Anpassung der Haushaltszahlen an den aktuellen Bedarf. Nun werden sie, denke ich, im Haushaltsvollzug erwirtschaftet werden. Das ist nicht unbedingt ein Schaden. Der Finanzminister hatte selber in der Vorstellung seiner Finanzplanung für 2011 dargelegt, dass er aufgrund des verantwortungsvollen Wirtschaftens der Ministerien im Personalbereich keine Probleme sieht, im Jahr 2011 auf Ansätze in Höhe von 40 Millionen Euro zu verzichten, die bisher geplant waren.
(Minister Dr. Markov: 45!)
- 45 Millionen Euro, noch besser! - Ich denke, das wird sich bereits im Haushaltsvollzug dieses Jahr niederschlagen. Unser Ansatz war, dass die Haushaltsansätze mit dem tatsächlichen Bedarf in Einklang gebracht werden.
Bei der Personalplanung - das haben wir hier mehrfach deutlich gemacht - ging es uns zu keinem Zeitpunkt darum, Personalkürzungen auszuschließen, sondern es ging uns immer um einen aufgabenkritischen Prozess, in dessen Verlauf sich herausstellt, wie viel Personal in welchem Bereich mit welcher Dotierung wir benötigen.
18 Milliarden Euro Schulden, jährlich über 700 Millionen Euro Zinszahlungen bei einem Gesamtetat von 10 Milliarden Euro, von dem lediglich rund 5 Millarden Euro aus Steuereinnahmen gedeckt sind, 650 Millionen Euro Nettoneuverschuldung in diesem Jahr und dann zaghafte Kürzungen
(Görke [DIE LINKE]: Augenmaß, nicht zaghaft!)
um 150 Millionen Euro pro Jahr, das sind die Zahlen, die in dieser Debatte zwar oft genannt, aber wohl noch nicht oft genug wiederholt wurden, um auch dem Letzten hier im Saale deutlich zu machen, dass es so nicht weitergehen kann. Wenn wir berücksichtigen, dass sich die wesentlichen Einnahmeausfälle aus den Kürzungen der Bundesergänzungszuweisungen erst zwischen 2013 und 2019 abspielen werden, dann reicht es nicht, bis 2014 einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, dann müssen wir bereits jetzt die Voraussetzungen dafür schaffen, um die Einnahmeausfälle, die dann Jahr für Jahr um rund 200 Millionen Euro ansteigen werden, verkraften zu können.
Jeder von uns weiß doch aus eigener Erfahrung, dass die ersten Einsparungen am leichtesten fallen und jeder weitere Euro Einsparsumme immer schwerer wird.
Mit ihrem Haushalt und ihrer mittelfristigen Finanzplanung dokumentiert diese Regierung unzweideutig, dass sie über das Ende dieser Legislaturperiode nicht hinausdenkt. So kann man keine zukunftsfähige Finanzpolitik gestalten.
(Beifall GRÜNE/B90)
Ich bin allerdings nicht so blauäugig zu glauben, dass die aktuelle Einnahmesituation des Staates das Nonplusultra darstellt. Natürlich müssen die größeren Vermögen und Finanzmarktspekulanten verstärkt zur Finanzierung unserer Staatsaufgaben herangezogen werden.
(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Werden sie aber nicht!)
Natürlich muss der Faktor Arbeit entlastet und der Ressourcenverbrauch zukünftig stärker belastet werden. Aber egal, ob Vermögensabgabe oder Finanztransaktionssteuer, Reform der Einkommensteuer oder verstärkte Ressourcenbesteuerung, immer ist der Bund zuständig, und ist er nicht willig, dann sind die Länder schwach. Die Möglichkeiten des Landes, zusätzliche Steuern zu erheben oder den Kommunen das Recht auf Einführung neuer Verbrauchsteuern einzuräumen, sind beschränkt und darüber hinaus innerhalb des föderalen Systems geeignet, Standortnachteile hervorzurufen. Dies gilt auch und insbesondere für die Vorschläge aus den Reihen der FDP, die Gewerbesteuer abzuschaffen und stattdessen den Kommunen einen eigenständigen Hebesatz auf die Einkommensteuer einzuräumen. Dagegen sollten alle Länder gemeinsam aufstehen.
(Beifall GRÜNE/B90 und des Abgeordneten Bischoff [SPD])
Bevor nach der Erhöhung der Grunderwerbssteuer gerufen wird, wäre es zunächst angesagt, einmal die Einnahmen zu realisieren, auf deren Erhebung man bislang sträflich verzichtet hat und die zudem keine Armen treffen. Dies habe ich gestern in der Beratung zum Einzelplan 20 bereits ausgeführt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nachhaltig und generationengerecht ist eine Politik nur dann, wenn die Nutzung aller notwendigen öffentlichen Güter aus den laufenden Einnahmen ohne neue Schulden finanziert werden kann. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere ist, dass die Ausgaben einen geeigneten Beitrag zur Lösung der Zukunftsprobleme des Landes und der Menschheit leisten. Dabei wird die aktuelle Finanzkrise nur eine kleine Randnotiz in den großen Krisen unserer Zeit bleiben, wenn es uns nicht gelingt, endlich das Steuer herumzuwerfen. Die drei großen Menschheitskrisen heute sind die Klimakrise, der Verlust der biologischen Vielfalt und die globale Gerechtigkeitskrise bei der Verteilung von Chancen und Ressourcen.
(Beifall GRÜNE/B90)
All diese Krisen sind zumeist von den Industrienationen, also auch von uns verursacht und können nur mit unserer Hilfe behoben werden. Was für die Verschuldung des Landes und die heranrollenden Einnahmeverluste gilt, gilt auch hier. Wegschauen hilft nicht. Am Ende bricht alles noch schlimmer über uns herein.
Die Daten zur Klimakrise sind bekannt. Wenn es der Weltgemeinschaft nicht gelingt, den Trend zu immer weiter steigenden Treibhausgasemissionen zu stoppen und umzukehren, dann wird die Begrenzung der Klimaerwärmung auf weniger als 2 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau verunmöglicht. Gegenwärtig ist der Globus eher auf dem Pfad zu einer Klimaerwärmung um 6 °C. Die dramatischen Folgen in den natürlichen Systemen wie die absehbaren weltweiten Fluchtbewegungen will ich Ihnen jetzt nicht ausmalen. Verheerend werden aber auch die Folgen für unser Wirtschaftssystem sein, die der Ökonom Nick Stern mit Schäden in unvorstellbaren 20 % des globalen Bruttosozialprodukts berechnet. Also, aller Grund zu handeln und alle Kräfte einzusetzen, nicht nur, um so schnell wie möglich aus der zentralistischen Energieproduktion auf Basis fossiler Energieträger - zu deutsch und für Brandenburg: aus der Braunkohle - auszusteigen, sondern auch die Weichen hin zu einem ressourcenschonenden und kohlenstoffarmen Konsummodell umzustellen. Hierbei kann das Land nicht nur, es muss mit gutem Beispiel vorangehen. Aber wie ist die Realität?
Fast Jahr für Jahr beklagt der Landesrechnungshof Energieverschwendungen in öffentlichen Gebäuden. Der Landtag ist seit vier Legislaturperioden in diesem Gebäude untergebracht, ohne dass jemals eine grundlegende energetische Sanierung stattgefunden hätte.
(Vereinzelt Beifall CDU)
Und das mit dem Hinweis darauf - das ist auch symptomatisch für die gesamte Debatte um Zukunftsthemen in Brandenburg -, dass später alles besser wird.
(Beifall GRÜNE/B90)
Umstellung der Energieversorgung der Landesbehörden auf Ökostrom - kein Thema. Gravierende Verkleinerung des Fuhrparks und vollständige Umrüstung der Kfz-Flotte auf CO2-arme Fahrzeuge - kein Thema. Absenkung der Normen und Standards im Straßenbau und damit einhergehende Haushaltskürzungen - kein schlechtes Thema, aber nicht erkennbar.
(Zuruf des Abgeordneten Schippel [SPD])
Über die Vorbildwirkung des Landes hinaus erforderte eine aktive und aktivierende Klimaschutzpolitik aber auch, dass Fördermittel des Landes nur nach vorherigem Klima- und Nachhaltigkeitscheck ausgereicht werden, dass Klimaschutz selbstverständlicher Bestandteil aller Handlungen der Landesregierung wird.
Aber betrachten wir dazu einmal den diesjährigen Handlungsschwerpunkt unseres Wirtschaftsministers, die Absicherung der Internationalen Luftfahrtausstellung am Standort Schönefeld. Während es in der Bildungspolitik nicht möglich war, nennenswerte Verbesserungen bei den Vertretungsreserven oder in der Qualifizierung der Lehrkräfte im Haushalt zu verankern, fließen für die Leistungsschau der Luftwaffenindustrie die Millionen. Für eine Waffenschau, bei der Frau Kaiser nach eigenem Bekunden vor wenigen Jahren noch als Gegendemonstrantin aufmarschierte, macht die Koalition jetzt das Füllhorn auf. Geschätzte 10 Millionen Euro Steuermittel pro Veranstaltung vertragen sich weder mit solider Haushaltspolitik noch mit irgendeinem Nachhaltigkeitsanspruch. Oder will uns hier irgendjemand erzählen, dass das Hauptaugenmerk beim direkten Vergleich von Kampfflugzeugen jetzt auf den Einsatz von Biodiesel und Photovoltaik ausgerichtet ist?
(Beifall GRÜNE/B90)
Kommen wir zum Verlust der biologischen Vielfalt, einem für die Menschheit möglicherweise noch bedrohlicheren Thema als der Klimawandel. So hatte die EU mit dem Slogan „Stop the loss“ das Ziel formuliert, den Verlust der biologischen Vielfalt innerhalb der Gemeinschaft bis 2010 zu stoppen und den Trend umzukehren. Ausgerechnet im Internationalen Jahr der Biodiversität, am 15. März 2010, haben die EU-Umweltminister nun kapituliert und die für 2010 proklamierten Ziele um zehn Jahre, bis 2020, verschoben. Das folgt übrigens einem gängigen Muster, das auch in Brandenburg in der Wandlung der Energiestrategie 2010 in die Energiestrategie 2020 seine Entsprechung fand.
Keine 12 Tage später, am 26. März 2010, haben die deutschen Bundesländer ihre Position zu dem neuen Biodiversitätskonzept der EU - Bundestagsdrucksache 29/10 - formuliert. Diesem bemerkenswerten Text ist zu entnehmen, dass die Folgen des Verlustes der Arten, der Lebensraumvielfalt und der genetischen Ressourcen den Ländern bekannt sind, also auch Brandenburg. Ich zitiere:
„Der Bundesrat zeigt sich besorgt über die Aussage, dass viele Ökosysteme in Europa und weltweit sich so genannten ‘Tipping Points’ annähern, deren Überschreitung mit einem weitgehenden Kollaps dieser Systeme einhergeht.“ Ebenfalls keinen Grund zum Optimismus gibt die Aussage, dass lediglich 17 % der am stärksten gefährdeten Lebensräume und Arten in Europa einen günstigen Erhaltungszustand aufweisen, wie ihn die Richtlinie vorsieht. Weiter: „Die Aussage, dass die biologische Vielfalt neben dem intrinsischen Wert, wie er etwa in der Convention on Biological Diversity (CBD) anerkannt worden ist, einen Dienstleistungswert besitzt, der bisher kaum ökonomisch abgebildet wird, ist zu unterstreichen. ... Neben dem deshalb drohenden immensen Verlust an wirtschaftlichem Wohlstand und der ungerechtfertigten Beeinträchtigung des intrinsischen Wertes biologischer Vielfalt ist auch der empfindliche Rückgang an natürlicher Lebensqualität für die Menschen zu befürchten.“
Soweit die Erkenntnisse des Bundesrates. Interessant ist aber, welche Konsequenzen die deutschen Bundesländer ziehen. Nicht nur, dass sie bei der Umsetzung der von der EU vorgeschlagenen Maßnahmen zum Schutz der biologischen Vielfalt vor „zusätzlichen Restriktionen für notwendige wirtschafts- und verkehrspolitische Infrastrukturmaßnahmen“ warnen, nein, sie machen sich auch umfassend Gedanken über die Unfinanzierbarkeit der Gegenmaßnahmen.
Ich zitiere: „Die Haushaltssituation in den Ländern ist so angespannt, dass die übrigen und sich weiterhin ausweitenden Pflichtaufgaben kaum noch geleistet werden können. Vor diesem Hintergrund ist die Übernahme weiterer Pflichtaufgaben ohne finanziellen Ausgleich nicht möglich. Schon die Umsetzung des jetzigen EU-Rechts stellt die Länder vor erhebliche Personal- und Haushaltsprobleme. Bei der zwingend notwendigen Reduzierung der Neuverschuldung sind Überlegungen zur Anhebung des Finanzierungsvolumens nur bei Bereitstellung der Mittel durch die EU akzeptabel.“
Man betrachte die Diskrepanz. Zuerst wird das Umkippen ganzer Ökosysteme geschildert, der drohende Verlust an wirtschaftlichem Wohlstand an die Wand gemalt, um danach jegliche Verantwortung von sich zu weisen, da die notwendigen Maßnahmen nur mit zusätzlichen EU-Mitteln finanziert werden könnten.
Vielleicht macht es an dieser Stelle Sinn, einmal daran zu erinnern, dass der brandenburgischen Landwirtschaft pro Jahr mehr als 500 Millionen Euro an EU-Mitteln zufließen. Unbestritten ist, dass die industrielle konventionelle Großraumlandwirtschaft und die Massentierhaltung einen entscheidenden Anteil an dem Verlust der biologischen Vielfalt haben. Nicht mehr Geld ist nötig, sondern eine konsequente Ausrichtung der Fördermittel an der Erbringung ökologischer Leistungen für die Allgemeinheit.
(Beifall GRÜNE/B90)
Allerdings war die Landesregierung nicht einmal in der Lage, in ihrem Haushaltsentwurf eine Unterscheidung zwischen Agrarumweltmaßnahmen und flächenbezogenen Leistungen vorzunehmen. Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Steigerung des Vertragsnaturschutzes ist sowieso nur Makulatur. So verspielt man in der Haushaltspolitik Zukunftsfähigkeit.
Kommen wir zur globalen Gerechtigkeitskrise bei der Verteilung von Chancen und Ressourcen. Erstmals in der Geschichte der Menschheit ist die Zahl der chronisch von Hunger betroffenenMenschen auf über eine Milliarde angestiegen. Noch mehr Menschen haben keinen Zugang zu Bildung, zu Gesundheitsvorsorge oder auch zu sauberem Trinkwasser.
Kein Mensch erwartet, dass dieses Problem mit den Mitteln Brandenburger Haushaltspolitik zu lösen ist. So begrüßenswert es ist, 60 000 Euro für die ehrenamtliche Entwicklungszusammenarbeit im Haushalt einzustellen, so ist es nicht mehr als ein symbolischer Akt. Mehr und mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass unser Reichtum wesentlich auf der Ausbeutung der Bodenschätze und Arbeitsleistungen der so genannten Dritten Welt beruht. Das Gefühl vieler Menschen außerhalb Europas und Nordamerikas, jetzt endlich auch einmal dran zu sein, ist verständlich. Dennoch wissen wir, dass ein Auto für jeden Erwachsenen, eine jährliche Urlaubsreise mit dem Flugzeug und ein täglicher Braten für jeden Menschen die Ressourcen unserer Erde überfordern.
Wir müssen runter mit unserem Energieverbrauch und unserem Fleischkonsum. Wir müssen raus aus unserer Wegwerfgesellschaft, wenn wir es mit der Idee einer solidarischen Weltgemeinschaft ernst meinen. Wir müssen uns auf eine Welt einrichten, in der wir dauerhaft ohne Wachstum des Ressourcenverbrauchs auskommen werden. Wir müssen herausfinden, wie Václav Havels Vision einer Welt, in der Fortschritt an verringertem Konsum gemessen wird, verwirklicht werden kann.
(Beifall GRÜNE/B90)
Wir müssen letztendlich eine Gesellschaft schaffen, die ohne permanentes Wirtschaftswachstum und das heißt auch in Ihrem Staatshaushalt ohne ständig wachsende Staatsausgaben zurechtkommen kann und dennoch ein lebenswertes Leben für alle Bewohner eines Landes gewährleistet.
Wir wissen: Der Wohlstand ist nicht nur zwischen Nord und Süd ungerecht verteilt, sondern auch innerhalb der Industrienationen. Auch innerhalb unseres Landes wachsen die sozialen Ungleichgewichte. Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich weiter. Wir wissen auch, dass die Einflussmöglichkeiten auf die Einkommens- und Vermögensverteilung in unserem Bundesland über den Landeshaushalt nur begrenzt sind.
Die entscheidenden Weichenstellungen trifft der Bund. Alles, was wir, verglichen mit den bundesgesetzlich geregelten Sozialausgaben und den Leistungen der Sozialversicherungsträger bewegen können, bleibt marginal. Es gibt allerdings eine große Ausnahme. Das ist die Alleinzuständigkeit der Länder für die Ausgestaltung und Finanzierung des Bildungssystems. Der vorhin zitierte schwedische Ministerpräsident Göran Persson, der ob seiner radikalen Reformen der schwedischen Staatsfinanzen von Mitgliedern seiner sozialdemokratischen Partei auf das Unflätigste beschimpft wurde, rührte einen Posten nie an: den Bildungsetat.
Inzwischen ist es Allgemeingut, dass die Grundlagen für den sozialen Aufstieg, für die Verteilung von Zukunftschancen auf die Mitglieder der Gesellschaft in der schulischen und vorschulischen Bildung gelegt werden. Die Landesregierung hat mit dem BAföG für Schüler zwar den Versuch unternommen, hier für mehr Chancen für Kinder aus benachteiligten Familien zu sorgen. Aber das BAföG greift deutlich zu spät, nämlich ab Klassenstufe 11. Jugendliche, die die Klasse 11 erreicht haben, haben den Sprung zumeist schon geschafft. Die Debatte haben wir heute Vormittag bereits in aller Ausführlichkeit geführt.
Unsere Kritik ist, dass die Mittel, die in das viel zu spät greifende Instrument Schüler-BAföG - übrigens auch ein verwaltungsintensives Instrument - fließen, deutlich sinnvoller dafür geeignet wären, um die individuelle Förderung im schulischen und frühkindlichen Bildungsbereich zu verbessern. Unsere Änderungsanträge zeigten im Ansatz, wie es hätte besser gehen können.
(Beifall GRÜNE/B90)
So haben wir - übrigens gemeinsam mit der FDP - beantragt, dass sowohl der Schulpool als auch die Vertretungsreserve von 3 auf 5 % aufgestockt wird. Die knapp 7 Millionen Euro - keine hohe Summe in Anbetracht des Gesamtvolumens des Haushalts, die hierfür von uns veranschlagt waren - wären direkt den Lernenden zugutegekommen, da mehr Lehrerinnen und Lehrer zur Verfügung gestanden hätten, um sich um die individuellen
Bedürfnisse der Kinder zu kümmern. Zugleich hätte die Lehre verbessert werden können, da die Lehrerinnen und
Lehrer bei weniger zeitlicher Arbeitsbelastung mehr Energie in die Qualität der Lehre hätten stecken können.
7 Millionen Euro für die Qualität der Bildung in Brandenburg wären für uns ein erster Schritt in die richtige Richtung - Bildung statt Beton - gewesen, aber obwohl Sie in der Debatte im Plenum alle unsere Anträge für sinnvoll erklärten, haben die Abgeordneten der Koalition alle unsere Anträge abgelehnt.
(Görke [DIE LINKE]: Das ist ja eine komische Wahrnehmung!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Haushalt ist aus unserer Sicht weder geeignet, das Problem der Schuldenkrise noch das Problem der sozialen Gerechtigkeit im Bildungssektor anzupacken.
(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Das haben wir uns gedacht!)
Er ist nicht geeignet, Antworten auf die anderen entscheidenden Herausforderungen wie Klimawandel und Verlust der biologischen Vielfalt zu geben. Deshalb müssen wir den Haushaltsentwurf dieses Jahr ablehnen. Wir wollen aber die Hoffnung nicht aufgeben, dass unsere Kritik am Haushalt des Jahres 2010 im Haushalt 2011 aufgegriffen wird und Sie uns im nächsten Jahr die Kritik nicht allzu leicht machen. - Herzlichen Dank.
(Beifall GRÜNE/B90 und vereinzelt CDU)