- Es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Bürgerinnen und Bürger,
der Landesrechnungshof ist in der Verfassung des Landes Brandenburg verankert. Er ist nach Art. 107 Abs. 1 der Verfassung des Landes Brandenburg vom 20. August 1992 (GVBl I S. 298) eine selbständige, nur dem Gesetz unterworfene oberste Landesbehörde. Seine Mitglieder genießen richterliche Unabhängigkeit. Und in Absatz 2 heißt es: die Mitglieder des Landesrechnungshofes werden vom Landtag ohne Aussprache mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt. Vor ihrer Wahl findet eine Anhörung in einem vom Landtag bestimmten Ausschuss statt. Das Nähere regelt ein Gesetz.
Ganz im Gegensatz zum Brandenburger Verfassungsgericht, dessen Rechtsgrundlagen erst ein Jahr nach Inkraftreten der Verfassung geschaffen wurden, trat das Landesrechnungshofgesetz bereits am 27.Juni 1991, mehr als ein Jahr vor Inkrafttreten der Brandenburger Verfassung in Kraft.
Seitdem hat sich der Landesrechnungshof einen Ruf als unparteiischer Wächter über den Brandenburger Haushalt erworben. Im Landtag ist dem LRH ein eigener Ausschuss, der Ausschuss für Haushaltskontrolle zur Seite gestellt, der die Jahresberichte des LRH für den Landtag auswertet und dessen Beschlussfassung vorbereitet. Landesrechnungshof und Ausschuss für Haushaltskontrolle sind ein eingespieltes Team, die jährliche Diskussion des Landtags zum LRH-Bericht ist inzwischen Routine, echte Aufreger in den Prüfberichten sind selten geworden, personelle Querelen gibt es seit der Berufung des Präsidenten Dr. Apelt nicht mehr oder sind zumindest nicht bekannt geworden und so nehmen die meisten Abgeordneten den LRH nur dann intensiver zur Kenntnis, wenn wieder einmal die Neuwahl eines LRH-Mitgliedes bevorsteht. Business as unsual könnte man sagen, aber wir denken, das reicht nicht.
Angesichts der Arbeitsleistung des LRH-Kollegiums unter seinem Präsidenten Dr. Apelt scheint es inzwischen fast vergessen zu sein, dass der LRH seit bald neun Jahren in ganz anderer Besetzung arbeiten muss, als es das LRH-Gesetz vorsieht. So hat der LRH nach der Suspendierung des Vizeprädidenten in den letzten Jahren bereits umfassende Erfahrungen mit einer verkleinerten Organisationsstruktur sammeln können. Der gesetzlich vorgegeben Rahmen schränkte die Möglichkeiten der Neuorganisation allerdings massiv ein und führte zu einer letztendlich suboptimalen Organisationsstruktur. Die Neuaufteilung der Aufgaben des früheren Vizepräsidenten insbesondere aber die Übernahme eines Prüfungsbereichs durch den Präsidenten bei dessen gleichzeitiger vorgegebener Mitgliedschaft in allen Kleinen Kollegien hat zu hohen zusätzlichen Belastungen sowohl des Präsidenten wie auch aller anderer Mitglieder des Großen Kollegiums geführt. Die Lösung liegt für die Zukunft nicht in einer Wiederbesetzung des Postens des Vizepräsidenten, sondern in einer Stärkung des Kollegialprinzips, d.h. der Übergabe von mehr Kompetenzen an die anderen Mitglieder des großen Kollegiums. Der Arbeitsanfall lässt es aber nicht zu, dass die fünfte Stelle im großen Kollegium ersatzlos wegfällt.
Unser Gesetzentwurf sieht deshalb vor:
Mit dem Ausscheiden des seit mehreren Jahren freigestellten Vizepräsidenten soll dessen Funktion ersatzlos entfallen. Die Stelle soll für eine/n vierte/n Direktor/in im Kollegium erhalten bleiben und nachbesetzt werden.
Zur Stärkung des Kollegialprinzips soll für Entscheidungen des Großen Kollegiums zukünftig eine absolute Mehrheit erforderlich sein. Der Präsident ist primus inter pares. Die doppelte Stimme des Präsidenten im Konfliktfall entfällt. Der Präsident soll zudem nicht mehr zwingend zweites Mitglied in den Kleinen (Zweier-) Kollegien sein.
21 Jahre nach Errichtung des LRHs sind aber auch die bislang gesetzlich vorgegebenen Ansprüche an den Präsidenten und die anderen Mitglieder des LRH nicht mehr zeitgemäß. Die öffentliche Finanzkontrolle ist einem Wandel ausgesetzt. Die Komplexität der Prüfungsgegenstände steigt. Wirtschaft und Öffentlicher Sektor werden sich immer ähnlicher. Wer hat 1991 an Derivatehandel oder Swap-Geschäfte des Landes gedacht, wer hat 1991 geahnt, dass das Land einen Flughafen in öffentlicher Trägerschaft errichten und betreiben will. Die Kompetenzen für die Beurteilung solcher Sachverhalte kann man eher in der freien Wirtschaft als im Öffentlichen Dienst erwerben. Vorgänge Dass ein Jurist an der Spitze des LRH stehen muss ist nicht gottgegeben. Vier Bundesländer verzichten inzwischen vollständig auf die Vorgabe eines 2. juristischen Staatsexamens für ihre LRH-Mitglieder.
Nach unserem Gesetzentwurf soll es zukünftig reichen, wenn ein Mitglied des Kollegiums die Voraussetzungen für das Richteramt erfüllt. Dies muss nicht der Präsident sein.
Ich muss nun auf einen ganz kritischen Punkt zu sprechen kommen. 1991 gab es noch kein Bewusstsein für Altersdiskriminierung. So hat man damals ganz unschuldig diverse Altersgrenzen in das LRH-Gesetz aufgenommen. Mitglieder des Kollegiums dürfen danach nicht jünger als 40 Jahre, ihre Vertretungen nicht jünger als 35 Jahre sein. Es gab aber auch noch kein Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz des Bundes, dass bei Altersdiskriminierung keinen Spaß versteht. Dabei ist es völlig egal, ob die verbotene Altersdiskriminierung durch die interne Richtlinie eines Unternehmens oder ein Landesgesetz vorgegeben ist. Die Bestrafung folgt auf den Fuß. Jeder Bewerber bzw. jede Bewerberin kann bei einer Nichteinstellung bis zu drei Monatsgehälter Entschädigung beanspruchen, auch wenn er oder sie bei einer „benachteiligungsfreien Auswahl nicht eingestellt worden wäre". So §15 des AGG. Angesichts einer Bruttomonatsvergütung von über 9.000 Euro kommen da ganz schnell erkleckliche Sümmchen zustande. Die im Landesgesetz vorgesehene Altersbeschränkung hätten nach §16 AGG nur dann Bestand, wenn sie „objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist". Dies objektive Prüfung darf ich angesichts der Tatsache zu bezweifeln, dass das LRH-Gesetz bereits 18 Jahre vor dem AGG in Kraft getreten ist und man sich über alles mögliche Gedanken gemacht haben darf, aber wohl kaum das AGG antizipiert hat.
Allein dieser mögliche Verstoß gegen das AGG macht m.E. Die Aussetzung der jetzt laufenden Ausschreibung für die nächste LRH-Präsidentin zwingend erforderlich. Das Gesetz legt aber auch eine Altersdiskriminierung nach oben nahe, da bei einer 12-jährigen Amtszeit von der Regierungsmehrheit natürlich auch eine bald nahende Pensionierung in die Auswahlentscheidung mit einbezogen wird. Wer will eineN 61-jährigeN einstellen, wenn die absehbare Nachfolgebesetzung schon in die nächste Legislaturperiode fällt.
Um diesem Problem zu entkommen schlagen wir vor: Die Amtszeit des Präsidenten soll auf acht Jahre begrenzt werden (bisher 12). Zugleich soll die bestehende Altersgrenze nach Bundesrichtergesetz aufgehoben werden. Stattdessen soll eine Regelung zum Wahlalter analog Paragraf 65 BbgKomWahlG eingeführt werden (das 62. Lebensjahr darf bei der Wahl zum Rechnungshof-Präsidenten noch nicht vollendet sein).
Dass bei der Nachbesetzung der Stelle des Landesrechnungshof-Präsidenten eine Bestenauswahl nach öffentlicher Ausschreibung getroffen werden soll, dürfte nach den Vorgängen vor 6 Jahren inzwischen Allgemeingut geworden sein. Zuständig für die Durchführung des Auswahlverfahrens soll wie bisher der Ausschuss für Haushaltskontrolle sein. Zur Vorbereitung der Auswahlentscheidung soll eine öffentliche Anhörung im Ausschuss mit den qualifiziertesten BewerberInnen erfolgen.