Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Bürgerinnen und Bürger,
in der Tat setze ich fort: die FDP gibt das Bild eines in die Gosse abgeglittenen Junkies ab, der die Lösung seiner Probleme in immer neuen Gaben seines Stoffes sieht; der Stoff heißt in diesem Fall aber nicht Heroin sonder Steuersenkung. Die Lösung heißt nicht: „immer mehr und immer neu!", sondern die Lösung heißt Entzug. Ich sage: die FDP braucht Drogenentzug, weil sie auf dem Weg zu ihrem Ziel, an ihren Stoff Steuersenkung zu gelangen, zunehmend Unsinn erzählt.
Ich führe als Beispiel den Gesetzentwurf an, der im Bundesrat zur Debatte stand, dort abgelehnt und heute ähnlich bei uns gestellt wurde. Darin heißt es, dass Mehreinnahmen von jährlich sechs Milliarden Euro an die Bevölkerung zurückgegeben werden sollen. Darin heißt es: „Hierdurch werden keine Steuerentlastungen durch neue Schulden finanziert, vielmehr wird dem Effekt entgegengewirkt, dass der Staat zulasten der Steuerpflichtigen inflationsbedingte Mehreinnahmen erhält." Ich hatte Nettokreditaufnahme immer so verstanden, dass neue Schulden aufgenommen werden. Wenn ich mir den Bundeshaushalt angucke, so stelle ich fest, dass nach den derzeitigen Beschlusslagen 2012 26,1 Milliarden Euro neue Schulden aufgenommen werden; 2013 15 Milliarden und 2014 nach der mittelfristigen Finanzplanung 6 Milliarden Euro – und da sind diese Steuererleichterungen schon eingerechnet. Das heißt: natürlich werden in den Folgejahren Schulden aufgenommen, und Sie finanzieren diese „Rückerstattung der kalten Progression", wie Sie es formulieren, durch zusätzliche Schulden. Wenn Sie das bestreiten, leiden Sie an Realitätsverlust.
Sie brauchen auch einen Drogenentzug, weil Sie in Ihrer Argumentation inkonsistent werden – Stichwort Schuldenbremse. Eine Schuldenbremse setzt doch voraus, dass, wenn wir in eine positive Konjunkturphase geraten, also mehr Steuereinnahmen haben, wir sie dazu nutzen, Schulden zu tilgen. Wo stehen wir denn im Land Brandenburg mit 18,5 Milliarden Euro Schulden, und wo stehen wir im Bund? Da sind wir vermutlich bei 1000 Milliarden Euro der mehr.
Sie brauchen auch Entzug, weil Sie zunehmend den Bezug zur Umwelt verlieren. Was spielt sich denn in der EU ab? Welche Diskussionen gibt es zu Griechenland? Erfüllt denn Deutschland die Maastricht-Kriterien? Bei 60 Prozent des BIP liegt die Verschuldungsobergrenze. Wir liegen bei 80 Prozent. Sind wir denn so viel besser als viele andere EU-Staaten, die in Schwierigkeiten geraten sind? In der EU Druck machen, daheim aber alle Flügel schleifen lassen – das, denke ich, ist niemandem mehr außerhalb von Deutschland vermittelbar – in Deutschland sowieso auch nicht.
Auch brauchen Sie den Entzug, weil Sie das Zeitgefühl verlieren. Heute wollen Sie Steuersenkungen feiern, jedoch sollen spätere Regierungen die Entlastungswirkungen und die damit einhergehende steigende Verschuldung ausbaden. Sie kommt nicht 2012 sondern in Rudimenten 2013, und im 2014, wenn Sie nicht mehr an der Regierung sein werden, wird sie in voller Höhe mit 6 Milliarden Euro zuschlagen. Sie werden verstehen, dass wir uns nicht anschließen können.
Darüber hinaus tendieren Sie in dem Gesetzentwurf dazu, die Wahrheit zu verschleiern. Dass Sie mit Prozenten rechnen, die absoluten Zahlen nicht angeben, an das soziale Gewissen appellieren, den kleinen Mann und die kleine Frau hervorheben, jedoch nicht deutlich machen, dass die Entlastungswirkung bei höheren Einkommen umso höher ist – prozentual zwar relativ niedrig, aber absolut natürlich höher – bringen Sie nicht auf den Tisch. Was Sie auch verschweigen, ist, dass Sie die Sozialversicherungsbeiträge erhöht haben. Was ist denn mit der Krankenversicherung? Was ist denn mit der Arbeitslosenversicherung? Das ist eine Belastung in einer Größenordnung, die über das hinausgeht, was Sie jetzt an Entlastungen versprechen.
Herr Burkardt, wenn Sie das Existenzminimum ansprechen, hätte es zur Redlichkeit gehört, dass die Ausschüsse des Bundesrates eindeutig zugesichert hätten, dass alle Landesregierungen bereit sind – soweit nach dem von der Bundesregierung erst noch vorzulegenden Existenzminimumbericht eine Anpassung des Grundfreitbetrages notwendig sein wird – dieser Maßnahme zuzustimmen. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass der Bundesrat diese gesetzlich gebotene Anhebung akzeptieren, ihr zustimmen wird. Wir wollen jedoch eine Gegenfinanzierung sehen und die wird nur durch eine Anhebung des Spitzensteuersatzes möglich sein.
Das Problem ist, dass Sie völlig falsche Prioritäten setzen. Die Hauptpriorität muss nämlich heißen: Staatsverschuldung abbauen und gleichzeitig die erforderlichen Aufgaben des Staates sicher stellen.
Meine liebe FDP, ich sag ganz eindeutig: da hilft nur Drogenentzug – und Drogenentzug heißt für politische Parteien Verlust der Regierungsverantwortung. Unsere Drogenklinik sind letztlich die Bänke der Opposition im Bund. Ich denke, es ist allerhöchste Eisenbahn, dass Sie auf diesen Bänken landen.
Vielen Dank.