Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach der Regierungserklärung „Vertrauen zurückgewinnen - Glaubwürdigkeit beweisen“ vom 21. Mai 2012 lautet die heutige Losung von Rot-Rot: „Den Flughafen Berlin Brandenburg Willy Brandt betriebsbereit machen - Neues Vertrauen in den BER schaffen!“.
(Frau Lehmann [SPD]: Richtig wiedergegeben!)
Zugleich bittet der Ministerpräsident, ihm aufgrund des aktuellen politischen Geschehens im Zusammenhang mit dem Flughafen Berlin Brandenburg und seiner Absicht, den Vorsitz im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft zu übernehmen, nach Artikel 87 der Verfassung des Landes Brandenburg das Vertrauen auszusprechen. Vertrauen in den BER und Vertrauen in den Ministerpräsidenten verschmelzen so zu einem Tagesordnungspunkt - welche Symbolik.
Nach Artikel 95 unserer Landesverfassung darf kein Mitglied der Regierung einem auf wirtschaftliche Betätigung gerichteten Unternehmen oder einem seiner Organe angehören. Über Ausnahmen entscheidet der Landtag. Insofern hätte nichts dagegengesprochen, wenn sich der Ministerpräsident für die Kandidatur als Aufsichtsratsvorsitzender zuvor die Zustimmung dieses Landtages eingeholt hätte. Dabei hätte er dann auch feststellen können, inwieweit ihm die Mehrheit des Landtages die Erfüllung dieser Aufgaben zutraut. Warum der Ministerpräsident allerdings glaubt, diese doch recht übersichtliche Entscheidung mit der Vertrauensfrage nach Artikel 87 verbinden zu sollen, erschließt sich zunächst nicht.
(Beifall GRÜNE/B90, CDU sowie des Abgeordneten Goetz [FDP])
Nach dem Kommentar von Lieber/Iwers/Ernst zur Landesverfassung ist in Auslegung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für das Stellen der Vertrauensfrage eine Lage der Instabilität als ungeschriebenes Tatmerkmal zwingende Voraussetzung:
„Danach darf der Ministerpräsident den Vertrauensantrag nur stellen, wenn es politisch für ihn nicht mehr gewährleistet ist, mit den im Landtag bestehenden Kräfteverhältnissen weiter zu regieren. Die politischen Kräfteverhältnisse im Landtag müssen seine Handlungsfähigkeit so beeinträchtigen oder lähmen, dass er eine vom stetigen Vertrauen der Mehrheit getragene Politik nicht sinnvoll zu verfolgen vermag.“
(Zuruf des Abgeordneten Homeyer [CDU])
Lage der Instabilität im Landtag, politische Kräfteverhältnisse im Landtag am Kippen oder gar schon gekippt - ist mir da irgendetwas entgangen? Hat die Linke die Koalitionsfrage gestellt?
(Beifall GRÜNE/B90, CDU sowie des Abgeordneten Goetz [FDP])
Hat Frau Wehlan ihr eigenes politisches Schicksal mit einem konsequenten Nachtflugverbot verbunden? Hat Finanzminister Markov dem Aufsichtsratsmitglied Platzeck mitgeteilt, dass er lieber den Flughafen insolvent gehen lässt, als den verlorenen Millionen noch einige mehr hinterherzuschmeißen? Hatte zuvor der Koalitionsausschuss getagt? Hatte der Ministerpräsident die Verschiebung des Eröffnungstermins und neue unabsehbare Mehrausgaben seinen Regierungsfraktionen mitgeteilt? War er dort auf entschiedenen Widerstand gestoßen, was ich als verfassungsrechtlich gebotenes Mindestmaß für das Auslösen einer Vertrauensfrage ansehen würde? - Keine Rede. Stattdessen haben wir es hier mit der Folgeerscheinung klassischer Hinterzimmer-Absprachen in trauter Männerrunde zu tun.
(Beifall GRÜNE/B90, CDU sowie des Abgeordneten Goetz [FDP])
Nach der offiziellen Erklärung des Regierungssprechers am 07.01.2013 entschied er dies nach einer Sitzung der Spitzen der Flughafengesellschaft im Roten Rathaus zu Berlin und damit offenkundig im Alleingang ohne Rückkoppelung mit den Koalitionsgremien. Insofern ist diese Vertrauensfrage für mich die Inszenierung eines Politikspektakels, dessen Ergebnis von vornherein feststeht. Das nenne ich in der Tat Verfassungsmissbrauch
(Beifall GRÜNE/B90, CDU sowie des Abgeordneten Goetz [FDP])
Dabei wäre es - wie wir heute wissen - für Matthias Platzeck vermutlich vernünftiger gewesen, zunächst bei Bundesfinanzminister Schäuble die Vertrauensfrage zu stellen, ehe er seine bevorstehende Ernennung zum Aufsichtsratsvorsitzenden einer privatrechtlichen GmbH auf dem Kopfbogen des Landes durch den Regierungssprecher verkünden ließ.
(Beifall GRÜNE/B90 - Frau Alter [SPD]: Was ist Ihre Meinung zum Flughafen?)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das, was wir am Montag im RBB sehen konnten, war ein kreidebleicher Ministerpräsident,
(Die Abgeordnete Alter [SPD] lacht.)
der zum dritten Mal in Folge in einer für ihn zugegebenermaßen unschönen Situation
(Frau Alter [SPD]: Dann war er gut geschminkt! - Frau Lehmann [SPD]: Dann gucken Sie mal, wie Sie aussehen!)
eine Verschiebung des Eröffnungstermins des Flughafens BER mit verlautbaren durfte. Die Verschiebung des Flughafentermins war zu diesem Zeitpunkt schon keine Neuigkeit mehr. Wie üblich hatten wir die Hiobsbotschaft zuvor aus den Medien erfahren. Dass der bisherige Aufsichtsratsvorsitzende Wowereit von seinem Posten zurücktrat, war die Botschaft des Tages. Dabei hätte man es auch bewenden lassen können. Doch kann kam das
Wort von der Verknüpfung des politischen Schicksals mit dem Erfolg des Flughafens. Ich denke, Matthias Platzeck muss hier nicht so tun, als übernehme er erst jetzt Verantwortung für weiß Gott was, und muss sich auch nicht von Herrn Holzschuher als Held dafür feiern lassen; denn als Ministerpräsident hat er diese Verantwortung ohnehin. Zudem ist seine politische Zukunft bei dem sich abzeichnenden Eröffnungstermin jenseits des Wahltages 2014 sowieso mit dem BER verknüpft. Was soll also die Aussage „entweder das Ding fliegt oder ich fliege“ bedeuten? Was soll es bedeuten, dass seine Zukunft am Erfolg des Flughafens hängt, wenn er nicht benennt, woran Scheitern oder Erfolg festgemacht wird?
(Beifall GRÜNE/B90, CDU sowie des Abgeordneten Goetz [FDP])
Ist ein Eröffnungstermin 2015, 2016 oder 2017 noch ein Erfolg? Wären 6, 7, 8 oder erst 10 Milliarden Euro Gesamtkosten als Beleg für ein Scheitern zu werten?
(Frau Muhß [SPD]: Oh!)
Keine Aussage. Damit ist aber die ganze Verknüpfung von politischem Schicksal und Erfolg des Flughafens reine Rhetorik - eine Luftnummer.
(Beifall GRÜNE/B90, CDU sowie FDP)
Welcher Teufel unseren Ministerpräsidenten zudem ritt, die Übernahme des Aufsichtsratsvorsitzenden als feststehende Tatsache zu verknüpfen, erschließt sich uns auch nicht. Mit der vorschnellen Ankündigung, es sei bereits entschieden, dass er Wowereit an der Spitze des Aufsichtsrats ablösen soll, legt er als sozialdemokratischer
Ministerpräsident die Beurteilung seiner Eignung als Aufsichtsratsvorsitzender sowie seine politische Reputation ausgerechnet in einem Wahljahr in die Hände von zwei Bundesministern einer schwarz-gelben Bundesregierung. Da scheint ihm sein politischer Instinkt abhandengekommen zu sein. Ich sage: Die Folgen dieser im ersten Anlauf fehlgeschlagenen Absprachen unter Männern betreffen uns alle; denn Matthias Platzeck wird für das nun mit Verzögerung erfolgende Absegnen seiner Vorstandsambitionen durch den Bund auch einen politischen Preis bezahlen müssen.
(Zurufe von der SPD)
Sehr geehrte Damen und Herren, Hohn, Spott und Häme für die sich seit Mitte November abzeichnende und anscheinend nur für Platzeck aus heiterem Himmel kommende fünfte Verschiebung waren zu erwarten gewesen. Dass man aber mit dem angekündigten Tausch im Aufsichtsratsvorsitz die politische Führung von Berlin und Brandenburg zusätzlich bundesweit zum Gespött macht, lässt nur noch an einen Akt der Verzweiflung denken; denn Wowereit und Platzeck agieren wie zwei Schelme, die in der Straßenbahn nach der Kontrolle des Ersten vor den Augen des Kontrolleurs die Jacke tauschen und denken, dieser merke nicht, dass zweimal dasselbe Ticket aus
der Jackentasche gezogen wird.
(Heiterkeit und Beifall GRÜNE/B90, CDU sowie FDP)
Schließlich unterscheidet sich die Verantwortung vom Aufsichtsratsvorsitzenden und seinem Stellvertreter lediglich in Nuancen. Vor allem war es doch gerade Matthias Platzeck, der nicht müde wurde, zu betonen, dass alle Entscheidungen im Aufsichtsrat einstimmig getroffen wurden.
(Senftleben [CDU]: Einvernehmlich!)
Es war auch Matthias Platzeck, der mit dem Festhalten an Herrn Schwarz einen Großteil der Verantwortung dafür trägt, dass wir heute weiterhin mit einem funktionsuntüchtigen Flughafen, einer erneuten Terminverschiebung und absehbaren Forderungen nach neuen Millionen aus der Staatskasse konfrontiert sind.
(Frau Stark [SPD]: Schön, dass Sie alles wissen!)
Wenn jetzt zum wiederholten Male von Verantwortungsübernahme die Rede ist, darf man daran erinnern, dass gerade Matthias Platzeck - im Gegensatz zu seiner gegenwärtigen Verantwortungsrhetorik - das eine ums andere Mal im Hauptausschuss des Landtages begründete, warum der Aufsichtsrat aufgrund der Gesetzeslage eigentlich für fast gar nichts Verantwortung trage und der bisherige Geschäftsführer Schwarz aufgrund seiner eingeschränkten Zuständigkeit sowieso an allem unschuldig sei. Man hatte zunehmend den Eindruck, dass Herr Schwarz irgendein Zwischending zwischen Pressesprecher und Datenschutzbeauftragter sei,
(Heiterkeit und Beifall GRÜNE/B90, CDU sowie FDP)
allerdings mit einem Fixum von mehr als 300 000 Euro ausgesprochen gut bezahlt.
Dabei war es nach den ersten beiden Verschiebungen - als er Matthias Platzeck und Klaus Wowereit wie zwei dumme Jungs aussehen ließ - meines Erachtens bereits erkennbar, dass er nur noch als Opfer für den jetzt eingetretenen Fall vorrätig gehalten wurde. Erst jetzt, wo er geopfert werden soll, fällt den Verantwortlichen im Aufsichtsrat vorgeblich auf, dass sie von Schwarz schon seit längerem getäuscht wurden. Welche Verrenkungen Platzeck und sein Sekundant Holzschuher allerdings aktuell machen, um den Eindruck hervorzurufen, dass die Verantwortung im Aufsichtsrat erst beim Vorsitz beginnt, verblüfft.
(Heiterkeit und Beifall GRÜNE/B90, CDU sowie des Abgeordneten Lipsdorf [FDP])
Dass Holzschuher - der erste Mann der größten Landtagsfraktion - am 08.01. befand, dass Platzeck als stellvertretender Vorsitzender allenfalls ab und zu die Sitzung leiten, aber kaum Einfluss nehmen konnte, jetzt aber Berichte anfordern und für Transparenz sorgen könne, muss uns doch alle verwundern. Davon abgesehen, dass jedes Aufsichtsratsmitglied Berichte anfordern kann, hätte es mitunter schon gereicht, die vorgelegten Aufsichtsratsunterlagen auch einmal zu studieren und nicht nur die Ampeln anzugucken.
(Beifall GRÜNE/B90, CDU und FDP)
Es hätte immer die Möglichkeit gegeben, abweichende Auffassungen zu Protokoll zu geben
(Frau Lehmann [SPD]: Das ist wie bei Ihnen mit dem Schatzmeister! Das Gleiche! Ich sage nur: Schatzmeister!)
oder durch Stimmverhalten im Aufsichtsrat zu verdeutlichen. Wenn Herr Holzschuher jetzt den Eindruck erwecken will, dass das Alphatier Wowereit den Laden quasi im Alleingang gegen die Wand gefahren hat, dann fragt man sich, welch beschämende Beschreibung unseres Ministerpräsidenten damit verbunden ist.
(Beifall GRÜNE/B90, CDU und FDP)
Wie unser Ministerpräsident ausgerechnet nach einer Hinterzimmer-Verabredung, über deren genauen Inhalt bezüglich der künftigen Aufsichtsratsbesetzung sich die Beteiligten bis heute nicht geeinigt haben, den Begriff „Transparenz“ neu entdeckt und in den Mittelpunkt seines künftigen Wirkens stellen will, macht sprachlos.
(Beifall GRÜNE/B90, CDU und FDP)
Während die Bundesregierung ganz selbstverständlich allen Fachabgeordneten die Controlling-Berichte und Gesellschafter-Protokolle zur Verfügung stellt, sieht die Landesregierung immer gleich die Wettbewerbsfähigkeit des Flughafens gefährdet und schützt Geschäftsgeheimnisse vor.
(Beifall GRÜNE/B90 sowie des Abgeordneten Burkardt [CDU])
Da trifft es sich gut, dass ich heute eine vierseitige Begründung der Staatskanzlei in meinem Büro vorgefunden habe, in der mir mitgeteilt wird, aus welchen Gründen mir Unterlagen erneut nicht zur Verfügung gestellt werden können.
(Heiterkeit und Beifall GRÜNE/B90 und CDU)
Können wir das Lob für die Londoner Olympiaanlagen so interpretieren, dass nun auch unser Ministerpräsident alle Unterlagen uneingeschränkt ins Internet stellen will? - Ich glaube, das wird wohl so nicht kommen.
(Beifall GRÜNE/B90)
Nur durch solche Nicht-Informationen scheint es erklärlich, dass Herr Holzschuher noch vor einem halben Jahr meinte, am Flughafen müsse man nur noch Staub wischen, ansonsten sei er betriebsbereit.
(Heiterkeit und Beifall GRÜNE/B90, CDU und FDP)
Ich möchte jetzt jedoch nicht die bisherige Geheimniskrämerei überstrapazieren. Vielmehr sollten wir einfach das letzte Wochenende betrachten
(Bischoff [SPD]: Das ist CDU-Niveau! - Frau Lehmann [SPD]: Comedy! Da passen Sie hin!)
sowie den Umgang mit der Information, dass der Eröffnungstermin des Flughafens erneut verschoben werden soll.
Am 04.01.2013 ging demnach der Brief von Herrn Amann in der Staatskanzlei ein. Am 05.01.2013 lässt das Aufsichtsratsmitglied Markov auf dem Neujahrsempfang der Falkenseer Linken allen Ernstes verlauten, gewisse Kreise würden zu Überreaktionen neigen und schon skandalisieren, wenn zum Eröffnungstermin die Toilettenbrillen nicht rechtzeitig montiert seien.
(Heiterkeit bei der CDU - Genilke [CDU]: Sind die noch nicht fertig?)
Hatte das Aufsichtsratsmitglied Markov von der seit dem 18.12.2012 im Raum stehenden und am 04.01.2013 übermittelten Verschiebung des Eröffnungstermins wirklich keine Ahnung oder machte er sich besseren Wissens lächerlich? Ich frage mich: Wie steht es um das von Matthias Platzeck bereits am 21. Mai 2012 verkündete Gelöbnis einer verbesserten Steuerung und Kontrolle, wenn nicht einmal in seiner eigenen Regierung die Informationskanäle funktionieren?
(Frau Alter [SPD]: Hauptsache ist, Sie haben Ihre Partei voll im Griff!)
Wieso sollen wir ihm glauben, dass er jetzt in der Lage ist, die Geschicke des Flughafens besser zu steuern als in der Vergangenheit? Monatelang haben wir Grüne gemeinsam mit der CDU ihn hier im Landtag gebeten, endlich den Weg für eine Neubesetzung des Aufsichtsrates mit Fachkompetenz freizumachen.
(Beifall des Abgeordneten Burkardt [CDU])
Monatelang haben wir uns anhören dürfen, dass diese im Aufsichtsrat gewährleistet sei. Wie diese Fachkompetenz aussieht, konnte mein Berliner Kollege Andreas Otto im Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses im Mai 2012 von Wowereit erfahren. Auf die Frage, ob im Aufsichtsrat jemand dabei sei, der ein solches Projekt schon einmal begleitet habe, antwortete Wowereit, eine solche Person gebe es nicht, aber der Finanzminister aus Brandenburg, Markov, sei Elektriker, und der Kollege Platzeck habe auch eine ingenieurtechnische Ausbildung.
(Heiterkeit CDU)
Es lässt tief blicken, dass die beiden von den Gesellschaftern Berlin und Brandenburg bislang in den Aufsichtsrat entsandten Nicht-Politiker, ein Gastronom und ein Vertreter der im Versenken von Millionen geübten Hausbank von Herrn Hilpert, die wiederum im Eigentum der im Versenken von Milliarden geübten bayerischen Landesbank steht, nun als Erste genannt werden, wenn es um die Benennung derjenigen geht, die ihre Plätze im Aufsichtsrat für Fachkompetenz räumen sollen.
Nach seiner heutigen Erklärung scheinen Markov und Christoffers weiter im Aufsichtsrat zu bleiben. Was allerdings inzwischen an Qualifikation bei unserem Ministerpräsidenten neu hinzugekommen sein soll, erschließt sich uns nicht. Wenn nun in einigen Medien seine Erfahrungen als Deichgraf während der Oder-Flut überstrapaziert werden, dann ist zu sagen: Damals war Platzeck ein hervorragender Umweltminister. Inzwischen ist jedoch viel Zeit ins Land gegangen, unter anderem auch die Jahre 2008 und 2009, als Platzeck als Mitglied des Verwaltungsrates der KfW einen Verlust in Höhe von 2,7 Milliarden Euro nach den Spekulationen der IKB mitverantworten durfte.
(Frau Lehmann [SPD]: Wie tief sind Sie nur gesunken?)
Dies sind weitere Erfahrungen, die gemeinsam mit seinem bisherigen Versagen im FBB-Aufsichtsrat Anlass genug sein müssten, endlich den Weg für Fachleute freizumachen.
(Beifall GRÜNE/B90 und CDU - Bischoff [SPD]: Aus dem Rotlichtmilieu!)
Das Richtige wäre jetzt - so, wie es fast alle DAX- und M-DAXUnternehmen tun -, einen Nominierungsausschuss einzurichten - in Anlehnung an die in diesem Jahr in Kraft getretene Kapitaladäquanzrichtlinie der Europäischen Union -, der geeignete Kandidaten sucht. Dabei hätte dieser Ausschuss die Ausgewogenheit und Unterschiedlichkeit der Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen aller Mitglieder des jeweiligen Organs zu berücksichtigen und auf dieser Basis eine Stellenbeschreibung mit Bewerberprofil unter Angabe des mit der Aufgabe verbundenen Zeitaufwandes zu erstellen. Das wäre ein Anfang. Dies würde jedoch angesichts des benötigten Zeitumfangs, der für einen Aufsichtsratsvorsitzenden in der Fachliteratur mit zwei bis drei Tagen pro Woche angegeben wird, die Berufung eines Ministerpräsidenten an die Spitze des FBB-Aufsichtsrats ausschließen.
Während die Literatur eindringlich dazu rät, geeignete Persönlichkeiten - das schließt den Vorsitzenden mit ein - systematisch entlang formaler Kriterien und vor allem jenseits des eigenen Netzwerks zu suchen, ist zu befürchten, dass hier wieder einmal Nachbesetzungen auf einzelne Posten politisch ausgehandelt werden, anstatt einen Befreiungsschlag vorzunehmen. An Herrn Büttner und all diejenigen gewandt, die hier erklären, dass man die Pferde nicht im Galopp wechseln darf: Die Kutsche steht seit sieben Monaten still, und sie wird auf unabsehbare
Zeit weiter stillstehen.
(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)
Spätestens am Mittwoch werden wir nach der Aufsichtsratssitzung offiziell davon erfahren, dass der Murks so nicht abgenommen werden kann. Wir werden erfahren, dass erst einmal vertiefend geprüft werden muss, ob ein vollständiger Umbau auf den Genehmigungszustand unumgänglich ist. Daher wird auf absehbare Zeit weder eine zeitnahe Benennung eines neuen Inbetriebnahmetermins
(Frau Lehmann [SPD]: Das hätten Sie gern!)
noch eine Neubewertung der Projektkosten oder eine Schätzung der verschiebungsbedingten Mehrkosten möglich sein. Die Kutsche steht also still. Wann, wenn nicht jetzt, will man versuchen, einen funktionstüchtigen Aufsichtsrat und Vorstand einzusetzen?
(Beifall GRÜNE/B90, CDU sowie des Abgeordneten Goetz [FDP])
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie wissen, dass wir Bündnisgrünen seit Jahren in vielen Punkten massive Kritik an der Politik der Landesregierung üben -
(Frau Alter [SPD]: Ja, ja!)
seien es das umweltpolitisch verheerende Festhalten an der Braunkohleverstromung in der Lausitz und damit drohende neue Tagebau oder seien es die auch durch die Flughafenkosten bedingten Rückstände bei einer adäquaten Finanzierung unserer Schulen und der Brandenburger Hochschullandschaft. In vielen dieser Politikfelder werden von der Regierung Entscheidungen getroffen, die wir als Schaden für unser Bundesland und zum Teil auch als bundes- und europaweit schädlich empfinden. Dennoch haben wir eine solche, in unseren Augen verfehlte Politik nie als Grund dafür genommen, einen Rücktritt des Ministerpräsidenten zu fordern.
(Bischoff [SPD]: Ach!)
Eine solche Politik müssen Politiker vor der Bevölkerung verantworten, die es dann bei Wahlen in der Hand haben, sie zu belohnen oder zu bestrafen.
Ich bin auch nicht der Auffassung, dass jeder Fehler im nachgeordneten Bereich den Rücktritt eines Ministers oder gar eines Ministerpräsidenten auslösen muss. Dann würde nämlich bald der Beamtenapparat allein sein, weil wir keine Politiker mehr hätten. Insofern sind wir auch ausgesprochen zurückhaltend mit Rücktrittsforderungen beispielsweise an einen Justizminister, wenn wieder einmal ein Straftäter entweicht, oder an einen Innenminister, wenn ein Polizeieinsatz aus dem Ruder läuft. Hier ist doch generell zu erwarten, dass sich Politiker andauernd und anhaltend um eine Besserung der Zustände bemühen. Im Übrigen war ich als Zeitzeuge auch nicht der Auffassung, dass der seinerzeitige Innenminister Rudolf Seiters, dessen Vorgehen gern als Beispiel herangezogen wird, wegen der Vorgänge in Bad Kleinen hätte zurücktreten sollen.
Willy Brandt und die derzeit vielgenannte Guillaume-Affäre waren insofern ein Sonderfall, als nicht der Eindruck entstehen durfte, dass ein deutscher Bundeskanzler durch eine ausländische Macht erpressbar sein könnte. Deswegen war sein Rücktritt unvermeidlich.
Was macht man aber in den Fällen, wo Politiker mit einer realitätsfernen Auffassung von ihren Fähigkeiten bereits umfassenden Schaden für ihr Land, egal ob materiell oder ideell, hervorgerufen haben und sich anschicken, mit ihrem Kurs fortzufahren? Dabei scheint es geradezu ein Wesensmerkmal solcher Politiker zu sein, dass sie die Aufforderung zur Übernahme von Verantwortung immer nur als Aufforderung zum Verbleib in ihren derzeitigen Funktionen
(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)
oder gar zur Übernahme höherer Ämter verstehen. Wenn der Ministerpräsident heute die Vertrauensfrage stellt, dann wird er nicht allen Ernstes erwarten, dass die Opposition ihm das Vertrauen ausspricht. Aber Matthias Platzeck stellt nicht allein die Vertrauensfrage. Er verknüpft heute sein Verbleiben im Amt als Ministerpräsident dieses Landes damit, dass er mit Zustimmung des Landtags Aufsichtsratsvorsitzender der FBB werden darf. „Wenn ich nicht Aufsichtsratsvorsitzender werden darf, dann trete ich als Ministerpräsident zurück“, das ist der Anspruch, der heute zur Abstimmung gestellt wird. Er fordert Vertrauen ein, ohne einen Zeithorizont oder einen finanziellen Rahmen abzustecken. Kurz, er fordert einen Blankoscheck. Damit ist aber das Nein nicht allein Pflichtaufgabe für die Opposition, sondern Notwendigkeit für jeden Abgeordneten hier im Hause.
(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)
Denn angesichts seiner bisherigen Fehlleistungen im Aufsichtsrat der FBB, angesichts all der finanziellen Folgelasten, die den politischen Handlungsspielraum dieses kleinen Landes Brandenburg für noch viele nachfolgende Regierungen einschränken werden, angesichts des weltweiten Rufschadens, für das auch sein Versagen als stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats steht, kurz aufgrund all des Schadens, den sein
Wirken im Aufsichtsrat für das Land Brandenburg schon hervorgerufen hat und weiter hervorbringen wird, ist diese Verknüpfung von Amt und Mandat Hybris, persönliche Verstiegenheit, ein von ihm ganz allein zu vertretender Beleg dafür, dass er als Ministerpräsident dieses Landes in der Tat nicht mehr geeignet ist.
(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)
Aber machen wir uns nichts vor: Genauso wie Klaus Wowereit keinen Zweifel am Ausgang des Misstrauensvotums hatte, wird auch Matthias Platzeck in wenigen Minuten bekunden, dass er keinen Zweifel hatte, dass die Koalition hinter ihm steht.
(Zurufe von der SPD)
Er wird das Abstimmungsergebnis als Beweis dafür deuten, dass seine Mannen und Frauen seine Politik in puncto Nachtflug, reduzierter Lärmschutzauflagen und weiterer Folgelasten für den Flughafen mittragen, von Herrn Kosanke bis Frau Wehlan.
(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)
Die Linke, von der außer einigen verschwurbelten Ankündigungen, man erwarte ein Überdenken der Ruhezeiten beim Nachtflugverbot, nichts zu hören war, wird sich wieder einmal viel zu billig verkauft haben. Im Gegensatz zur CDU in Berlin übrigens, die zwar der rot-schwarzen Regierung, nicht jedoch Wowereit das Vertrauen ausgesprochen hat, wird sich die Linke an Matthias Platzeck als Person binden. Aber was heute als leicht errungener Sieg des Ministerpräsidenten wirken mag, wird am Ende teuer bezahlt werden, vielleicht nicht von ihm
persönlich, aber mit Sicherheit von den Bürgerinnen und Bürgern des Landes Brandenburg. - Recht herzlichen Dank.