- Es gilt das gesprochene Wort ! -
Herr Präsident,
meine sehr verehrten Damen und Herren!
Alle Fraktionen dieses Hauses stimmen darin überein, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien unerlässlich ist, wenn wir die zukünftige Energieversorgung ressourcenschonend und Klima gerecht gestalten wollen.
Inzwischen produzieren wir in Brandenburg 58 Prozent unseres Stromverbrauchs aus Windenergie, Fotovoltaik oder Biomasse. Die installierte Leistung der Windkraftanlagen und Fotovoltaik steigt im Monatsrhythmus und wird nach den Zielen der Energiestrategie bis 2020 weiter steigen.
Allerdings wird der Löwenanteil des "Naturstroms" wie es der Netzbetreiber "50 Hertz" neuerdings gerne tituliert nicht unmittelbar vor Ort verbraucht, sondern aus unseren ländlichen Regionen in die Städte und bei starkem Windanfall auch in fernere Regionen transportiert. Leider hat der Ausbau der Stromnetze mit dem Ausbau der Erneuerbaren und zwar insbesondere der Windenergieanlagen nicht Schritt gehalten.
Eine Folge sind Abschaltungen und die Drosselung von Windkraftanlagen und damit einhergehend der Verlust regionaler Wertschöpfung. Der weitere Ausbau von Windkraftanlagen ist sinnlos, wenn der dort erzeugte Strom nicht abgeführt werden kann.
Die dezentralen Windenergieanlagen sind dabei in der Regel auf den Abtransport des erzeugten Stroms über das Hochspannungsnetz angewiesen. Hochspannungsnetz, das sind die im Eigentum der regionalen Netzbetreiber stehenden 110 kV-Leitungen. Ohne den Ausbau dieser regionalen Verteilernetze wird das Wachstum der Erneuerbaren Energien bald zum Erliegen kommen.
Hinzu kommen die von EU und Bund beschlossenen 380 kV-Höchstspannungsleitungen Neuenhagen – Bertikow und Vierraden/Krajnik, sowie Neuenhagen – Wustermark, deren Bedeutung für die Erneuerbaren aktuell wohl nur sekundär ist, für die überregionale Stromableitung zukünftig aber eine wichtige Rolle spielen können.
Verständlicherweise führt der Neubau von Freileitungen immer wieder zu Akzeptanzproblemen bei der lokalen Bevölkerung. AnwohnerInnen und Erholungssuchende wehren sich aus Angst vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen, sie wehren sich gegen die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes wie gegen den hohen Landschaftsverbrauch. Von Grundstückseigentümerinnen und -eigentümern wird es zunehmend als ungerecht empfunden, dass sie für die zwangsweise Einräumung von Grunddienstbarkeiten für Stromleitungstrassen nur einmalig und mit einem geringen Anteil am Verkehrswert der Grundstücke entschädigt werden, dauerhaft aber mit der Wertminderung ihrer Grundstücke leben müssen. Aber auch die Kommunen wehren sich, führen neue Stromtrassen doch zu erheblichen Einschränkungen im kommunalen Gestaltungsspielraum. Wegen der Stromtrassen stehen im Ergebnis weniger Flächen für Siedlungen oder zur Erholungsnutzung zur Verfügung.
Insbesondere neue Höchstspannungsfreileitungen belasten die Transitregion durch die Veränderung des Landschaftsbildes, Gesundheitsrisiken, Naturgefährdung, Beeinträchtigung des Tourismus etc. und bringen im Gegenzug keinen Nutzen für die Kommunen, da der Strom hier weder erzeugt noch verbraucht wird. Die Folge dieser Akzeptanzprobleme sind oft gerichtliche Auseinandersetzungen, die den Netzausbau erheblich verlangsamen können. Unnötige gerichtliche Auseinandersetzungen, die wir uns auch ersparen können.
Inzwischen haben sich in Brandenburg, in der Prignitz, im Barnim und in der Uckermark Initiativen gegen neue Freileitungstrassen gebildet. „Hochspannung tief legen", heißt die Bürgerinitiative in der Prignitz, "Biosphäre unter Strom – Keine Freileitung durchs Reservat" die BI in Nordostbrandenburg. All diesen Initiativen ist gemein, dass sie die geplanten Leitungen akzeptieren wollen, wenn diese als Erdkabel ausgeführt werden. Diese Forderung greifen wir heute auf.
Dass wir heute einen gemeinsamen Gesetzentwurf von FDP, also den klassischen Wirtschaftsliberalen und Bündnis 90/Die GRÜNEN, als deren traditionellem ökologischen Gegenpol, vorlegen können, zeigt, dass es Win/Win-Alternativen für Bevölkerung, Wirtschaft und Kommunen gibt.
Fangen wir mit den Hochspannungsleitungen an. Erdverkabelung ist bei 110 kV-Leitungen bereits heute bereits Stand der Technik und auch bei langen Strecken unproblematisch. In Berlin oder in Dänemark ist die Erdverkabelung des 110-Kv-Hochspannungsnetzes bereits Standard. Das 110 kV-Netz der Firma Enertrag in der Uckermark wurde bereits vor 15 Jahren ohne Klage und ohne dass ein Planfeststellungsverfahren erforderlich wurde unter der Erde verlegt. Als ein wesentlicher Grund wurde vor längerem schon von dem Enertrag Vorsitzendem Herrn Müller genannt, dass man sich mit der Erdverkabelung ein teures und langwieriges Planfeststellungsverfahren ersparen konnte, da man sich mit den GrundeigentümerInnen unproblematisch über dingliche Sicherungen verständigte.
Es gibt auch kein Gesetz, dass die Erdverkabelung von 110 kV-Leitungen grundsätzlich in Frage stellt. Entsprechend hat die Gemeinsame Landesplanung in ihrer Landesplanerischen Beurteilung der 110 KV-Leitung Perleberg-Gantikow-Wittstock an mehreren Stellen die abschnittsweise Erdverkabelung gefordert.
Und das vom BMU geförderte DUH-Forum "Netzintegration EE", ein gemeinsames Gremium von Stromnetzbetreibenrn, Verbänden, Umweltorganisationen, Bürgerinitiativen und wissenschaftlichen Institutionen, ein Forum, in dem auch Vattenfall mitarbeitet, wird nach derzeitigem Arbeitsstand in seinem Abschlussbericht die grundsätzliche Erdverkabelung aller neuen 110 kV-Leitungen fordern.
Wir wollen, dass diese Regel bereits für unsere heute geplanten 110-kV-Leitungen greift. Deshalb schlagen wir die vollständige Erdverkabelung als Regelfall vor. Allerdings soll die Landesregierung die Möglichkeit erhalten aus zwingenden Gründen von diesem Regelfall abzuweichen.
Schwieriger wird es beim Höchstspannungsnetz, den 380 kV-Leitungen. Während das Energieleitungsausbaugesetz des Bundes, kurz EnLAG Gesetz die Erdverkabelung für vier Pilotvorhaben vorsieht, ging Brandenburg leer aus. Das ist besonders ärgerlich, weil die Brandenburger StromverbraucherInnen nach den Regeln dieses Gesetzes nun für die Kosten der Erdverkabelung in Niedersachsen, Thüringen und Bayern aufkommen müssen, selbst aber nicht davon profitieren.
Aber völlig unabhängig davon, ob die Gesetzgebungskompetenz für das EnLAG überhaupt beim Bund lag, eine Frage, die das Fachgutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages eindeutig verneint, bedeutet die Verankerung des Baus der Uckermark-Leitung im EnLAG noch lange nicht, dass die Länder keine Mitgestaltungsmöglichkeiten mehr haben. Das EnLAG ist ja in erster Linie dazu bestimmt, die energiewirtschaftliche Notwendigkeit und den vordringlichen Bedarf für bestimmte Höchstspannungsleitungen gesetzlich festzuschreiben, um so den Planfeststellungbehörden diese Prüfung aus der Hand zu nehmen. Die Länder bleiben dessen ungeachtet berechtigt den Netzausbau durch fachliche Vorgaben zu lenken. Auch wenn der eine oder andere von uns die Notwendigkeit der Uckermark-Leitung für den Anschluss der Erneuerbaren Energien anzweifelt, stellt sich der Gesetzentwurf dem Bau dieser Leitungen nicht entgegen, sondern versucht die rechtlich zulässigen Schranken zu bestimmen. Rechtsverbindliche Schranken, auf die auch die Netzbetreiber
Oberster Grundsatz Brandenburgs sollte daher zunächst einmal sein, dass die für das "Schutzgut Mensch" eingeführten Abstandsregeln des EnLAG für Wohnsiedlungen von 400m und einzelnstehende Gebäude von 200m auch in Brandenburg gelten. Den Netzbetreibern steht es ja frei, diesen Abstand bei neuen Freileitungen einzuhalten. Wenn sie dies aber nicht beabsichtigen oder es aus zwingenden Gründen nicht möglich ist, so sollen sie zur Erdverkabelung verpflichtet werden. Diese Regelung könnte vermutlich auch untergesetzlich durch verbindliche Planungsvorgaben in einer Abstandsleitlinie geregelt werden. Nach unserer Kenntnis liegt Brandenburg mit der Vorgabe eines 50 m Abstandes hier am Unteren Ende der Skala. Herr Vogelsänger und Herr Christophers, nehmen Sie dies also bitte als dringenden Hinweise, hier kurzfristig tätig zu werden.
Des weiteren wollen wir mit dem Gesetz die naturschutzfachlichen Schranken bestimmen. Dabei gehen wir von dem Grundsatz aus, dass Freileitungen generell um große Schutzgebiete herumgeführt werden sollen. Erst wenn dies räumlich nicht möglich ist, oder der Netzbetreiber aus anderen Gründen an der Trassierung durch Schutzgebiete festhalten will, soll die Erdverkabelung vorgeschrieben werden. Dabei ist uns durchaus bewusst, dass die Erdverkabelung von 380 kV-Leitungen insbesondere in der Bauphase massive Eingriffe in die Natur darstellen. Daher sehen wir eine Verordnungsermächtigung vor, mit der die Landesregierung naturschutzfachlich aber auch ökonomisch gebotene Ausnahmeregelungen bestimmen kann. So ist es wenig sinnvoll, für die Überquerung eines linienhaften FFH-Gebietes, wie es der Großteil der Brandenburger Flüsse ist, für kurze Abschnitte eine Erdverkabelung vorzuschreiben. Und auch wenn Moore und Feuchtgebiete grundsätzlich nicht durch Erdkabel gequert werden sollen, muss es auch hier für kürzere Abschnitte oder in dauerhaft denaturierten Moorkörpern die Möglichkeit geben, Erdverkabelungen zuzulassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Immer wieder haben sich VertreterInnen aller im Landtag vertretenen Parteien für die Erdverkabelung in sensiblen Gebieten ausgesprochen. Lassen wir nun den Worten Taten folgen. Lassen Sie uns gemeinsam in den Ausschüssen die rechtlichen Möglichkeiten ausloten und Festlegungen treffen. Zum Wohle von Mensch, Wirtschaft und Natur.
Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN "Gesetz über Hoch- und Höchstspannungsleitungen in der Erde (Brandenburgisches Erdkabelgesetz – ErdKGBbg)"