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Benjamin Raschke spricht zu unserem Antrag „Der nächsten Milchkrise wirksam begegnen“

>> Unseren Antrag findet ihr hier als pdf-Datei

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Präsidentin hat es vorhin gesagt: Wir haben über drei Anträge zu entscheiden, alle zum Thema „Milchwirtschaft“. Wir alle wollen - auch das wurde gerade schon gesagt - ein Ziel erreichen, nämlich faire Bedingungen und ordentliche Preise.

Jetzt haben sich die Kollegen von CDU, SPD und LINKEN vielleicht gefragt: Warum sollten wir dem Antrag der Grünen zustimmen? Wir haben doch selber einen so schönen Antrag. - Und dem ist auch so. Ich muss wirklich sagen: Ihr Antrag ist sehr gelungen, und wir werden ihm zustimmen.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Das können wir auch leichten Herzens tun; denn bis auf einen Punkt, den wir zusätzlich haben, sind unsere Anträge inhaltlich fast gleich. Fairerweise muss ich hinzufügen - Herr Schröder hat es vorhin vorgestellt -, dass auch die AfD einen ähnlichen Antrag vorgelegt hat, allerdings nicht so sauber formuliert und mit Prüfaufträgen - deshalb werden wir diesem Antrag nicht zustimmen.

Insgesamt spricht aber alles dafür, dass wir einen ähnlichen Debattenstand haben und uns wahrscheinlich auch mit ähnlichen Initiativen ausgetauscht haben. Daher bin ich guter Hoffnung, Sie überzeugen zu können, dass Sie auch unserem Antrag zustimmen, obwohl oder vielleicht gerade weil wir noch einen zusätzlichen Punkt haben.

Für alle, die Herrn Schröder nicht zugehört haben, die nicht in der Debatte sind oder nicht im Agrarausschuss sitzen, möchte ich kurz die Frage aufwerfen: Worum geht es eigentlich? Was steht in den Anträgen, über die wir jetzt verhandeln? - Wie gesagt, es geht insgesamt darum, in der Milchwirtschaft faire Preise und stabile Bedingungen hinzubekommen. Wir wollen nicht mehr von Krise zu Krise hecheln. Dafür wollen wir einige Instrumente einführen.

Erstens: Wir alle gemeinsam wollen den vorhin schon erwähnten Artikel 148 der Gemeinsamen
Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse in den Verhandlungen mit der Bundesregierung nutzen, um faire Vertragsbedingungen einzuführen. Wir wollen faire Vertragsbedingungen für Landwirte auf der einen Seite und Molkereien auf der anderen Seite.

Es ist kaum zu glauben, aber so etwas gibt es nicht. Wir müssen hier ganz von vorne anfangen, zum Beispiel bei den schriftlichen Verträgen. Solche sind nicht die Regel. Wir wollen, dass es Verträge gibt, in denen steht, wie viel Cent oder Euro der Landwirt für seinen Liter Milch bekommt. Bisher ist es so: Man gibt seine Milch ab
und bekommt dann Monate später gesagt: Soundso viel Cent bekommst du dafür. - Dabei erlebt man häufig eine dicke Überraschung.

Wir wollen auch die Andienungspflicht in den Verträgen beenden. In Zukunft sollen die Landwirte frei entscheiden können, zu welcher Molkerei sie liefern. Möglicherweise sollen sie auch parallel liefern können. Es ist wirklich kaum zu glauben, dass es so etwas bislang noch nicht gibt. Zu Recht steht in den Anträgen von CDU, SPD und Linken, dass - ich zitiere - das System den Grundsätzen der Sozialen Marktwirtschaft widerspricht. Genauso ist es. Das ist also der erste Punkt, den wir alle gemeinsam wollen.

Auch einen zweiten Punkt wollen wir alle gemeinsam, nämlich das Frühwarnsystem der Europäischen Union verbessern, die sogenannte Marktbeobachtungsstelle. Das ist die Stelle, die sagt: Achtung, liebe Landwirte, ihr produziert gerade zu viel Milch, geht doch mal freiwillig mit der Milchmenge runter. - Das wollen wir gemeinsam. So weit die Einigkeit.

Wir Grüne wollen noch einen zusätzlichen Punkt: Wir wollen dann, wenn die fairen Verträge und die Frühwarnung allein nicht funktionieren, der EU ein Instrument an die Hand geben, um für eine kurze Zeit der Krise zu sagen: Jetzt muss die Milchmenge verbindlich nach unten gefahren werden.

Wir wissen, dass Verträge gut und richtig sind, dass sie aber nicht ausreichen. Die Marksituation ist ja so: Es gibt mächtige Molkereien und nicht so mächtige Landwirte. Die werden gegeneinander ausgespielt. Die Verträge, die wir einführen wollen, werden sich auf einem sehr niedrigen Niveau bewegen. Wir haben es in Frankreich beobachten können, wo Vertragsstrafen an der Tagesordnung sind.

Auch das Frühwarnsystem ist gut und richtig, aber am Ende - diesen Mechanismus kennen wir -, wenn es heißt, dass zu viel Milch am Markt ist, ist einem die Jacke immer näher als die Hose. Alle wissen, dass es vernünftig wäre, die Menge nach unten zu fahren, aber keiner möchte derjenige sein, der es tut. Deswegen brauchen wir zusätzlich ein Instrument der EU, das dabei hilft, mit der Milchmenge herunterzugehen.

Wir haben einen Beleg, dass so etwas funktioniert. Wir wissen es aus dem letzten EU-Krisenpaket; denn da hatten wir ein solches Instrument, und das hat funktioniert. Die Mengenreduzierung hat sich bewährt. Wir haben also ein Mittel; wir haben ein Instrument gefunden, das funktioniert. Ich finde, wir sollten - nein, ich würde sogar so weit gehen, zu sagen: Wir müssen - wir sind fast schon moralisch dazu verpflichtet - dieses Instrument einsetzen. Denn das Milchsystem, mit dem wir bislang zu tun haben, produziert nur wenige Gewinner, nämlich die Molkereien, und viele, viele Verlierer.

Da sind wir bei der Frage: Warum stellen wir einen solchen Antrag? Das machen wir nicht nur, um stabile Milchpreise hinzubekommen - das ist ja kein Zweck an sich. Vielleicht haben Sie sich gefragt: Was haben denn die Grünen mit der Milch zu tun? Sind das nicht alles Veganer und Laktose-Intolerante, die die Milch abschaffen wollen? Nein. Natürlich haben auch diese Menschen bei uns eine Heimat.

(Beifall des Abgeordneten Vogel [B90/GRÜNE])

- Der Fraktionsvorsitzende klatscht, sehr schön. - Deswegen wollen wir eine Alternative aufbauen, parallel zur Milch. Das ist uns wichtig. Bei uns haben eben auch die anderen eine Heimat: die Naturschützer, die Verbraucherschützer, die Biobäuerinnen und Biobauern sowie die entwicklungspolitisch Aktiven. Wir alle haben ein gemeinsames Interesse, nämlich die fairen Preise und die stabile Situation am Milchmarkt.

Aus grüner Sicht ist es so: Wenn wir in Zukunft Milch produzieren, dann muss das System deutlich anders funktionieren als heute. Dafür brauchen wir Geld; dafür brauchen die Landwirte Geld, und dafür brauchen sie auch Planungssicherheit. Wir müssen das System dringend umbauen, denn es produziert vor allen Dingen Verlierer. Wer sind diese? Ich möchte auf vier Verlierer eingehen.

Verlierer Nummer eins sind wir alle. Das sind wir als Verbraucherinnen und Verbraucher. Wir freuen uns jetzt zwar kurzfristig über sehr billige Produkte im Laden, über Milch und Käse, die es so günstig gibt wie nur selten. Langfristig liefern wir uns einigen Konzernen völlig aus, die über unsere Ernährungs- und Lebensgewohnheiten bestimmen. Der Blick ins Regal täuscht. Auf den Produkten steht überall etwas anderes, aber im Grunde ist es doch so: Ob da nun „Bärenmarke“ oder „Milram“ oder sogar „Mark Brandenburg“ draufsteht - letztlich sind es nur fünf Molkereien, die über unsere Lebens- und Essgewohnheiten entscheiden und den Milchmarkt völlig dominieren.

Damit sind wir bei Verlierer Nummer zwei, den Landwirtinnen und den Landwirten. Sie haben nämlich gegen die Übermacht der Molkereien - wir haben es schon thematisiert - überhaupt keine Chance. Hinzu kommt der Lebensmitteleinzelhandel. Bei jeder Milchkrise gibt es Landwirte, die aufgeben und nicht mehr können. Ich nenne Ihnen ein paar Zahlen: Im Jahr 2014 hatten wir in Brandenburg noch 449 Betriebe; im
Jahr 2017, also im vergangenen Jahr, waren es nur noch 344. Wir haben also über 100 Betriebe verloren, das macht ein Viertel der Betriebe aus. Das waren - und das ist das Bittere - vor allem die kleineren Betriebe, die nicht die Finanzkraft haben, so etwas durchzustehen, die aber für den ländlichen Raum so wichtig sind.

Damit kommen wir zu Verlierer Nummer drei, den Landwirten in anderen Teilen der Welt; auch das klang schon an. Unsere Überschüsse machen die Landwirtschaft in anderen Teilen der Welt kaputt. Die Produktion dort wird ruinös vernichtet. In diesem Zusammenhang wurden die Flüchtlingsströme bereits angesprochen.

Verlierer Nummer vier - das ist aus grüner Sicht sehr dramatisch - sind die Tiere, die Milchkühe. Das bisherige ruinöse System mit den schwankenden Preisen und der fehlenden Planungssicherheit wird auf dem Rücken der Tiere ausgetragen. Ich habe jetzt nicht die Zeit und kann nicht alles aufzählen, was in der Milchwirtschaft schiefläuft, und ich habe auch nicht die Zeit, die grüne Vision aus zu buchstabieren. Aber ich will ein paar Schlagworte nennen.

Wir sind uns sicher alle einig, dass wir mehr Weidehaltung wollen. Wir wollen mehr Tiere auf der Weide, aber in Brandenburg sieht es derzeit ganz anders aus. Die Weidehaltung nimmt ab. Wir wollen auch gesündere Tiere. Wir wollen eine gesunde Tierhaltung mit vielleicht Zweinutzungsrassen, in der weniger Medikamente eingesetzt werden, statt der Hochleistungsgenetik.

Wir wollen mehr Achtung vor dem Tier. Wir wollen nicht, dass trächtige Kühe geschlachtet werden; denn auch das kommt leider vor. Wir wollen auch nicht, dass Bullenkälber verramscht werden, weil sie keinen Marktwert haben. Wir wollen zudem eine höhere Lebenserwartung für die Kühe. Momentan lebt eine Kuh - Sie wissen es - im Schnitt vier bis fünf Jahre; die natürliche Lebenserwartung läge bei 20 Jahren. Wir
wollen andere Formen der Milchproduktion, muttergebundene Kuhhaltung usw. Da ist eine ganze Menge im Gespräch. Einige dieser Punkte versuchen wir mit dem Tierschutzplan umzusetzen.

Wir sind uns einig, dass wir die Tiere in Zukunft anderes behandeln wollen. Wir sind uns sicher auch einig, dass wir das Höfesterben beenden wollen. Ebenso sind wir uns einig, dass wir unsere Verantwortung gegenüber der Dritten Welt wahrnehmen wollen. Deshalb müssen wir das System umbauen. Deshalb brauchen wir Geld sowie stabile Markt- und Planungssicherheit für die Landwirte. Das geht eben nur mit fairen Vertragsbedingungen und mit einer besseren Frühbeobachtung. Das geht aber auch nur mit dem dritten Element, nämlich der zeitlich begrenzten EU-weiten Mengenreduzierung im Falle einer Krise.

Deswegen bitte ich Sie: Geben Sie sich einen Ruck! Die Kollegen in Sachsen-Anhalt - das wurde bereits erwähnt - haben es auch getan. CDU, SPD und Grüne haben dort einen Antrag fast gleichlautend zu unserem beschlossen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das können Sie doch auch! - Herzlichen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE)

Teil 2, nach den Redebeiträgen von CDU, SPD, DIE LINKE, dem Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft und AfD:

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielen Dank auch von mir an die Kolleginnen und Kollegen, insbesondere an Herrn Minister Vogelsänger für die Botschaft, dass er das auf die AMK mitnehmen wird. Das ist eine gute Botschaft für uns alle.

Zweitens an Herrn Schröder: Ich möchte klarstellen, warum wir Ihren Antrag nicht unterstützen. Ja, die Anträge sind inhaltlich nahe beieinander. Sie wollen allerdings nur einen Prüfauftrag für das EU-weite Kriseninstrument. Das ist uns nicht stark genug.

Drittens gilt mein Dank Anke Schwarzenberg, die aufgemacht hat, dass es weitere Verlierer gibt, nämlich die Staaten, aus denen wir das Kraftfutter importieren. Denen geht es auch richtig dreckig. Da müssen wir auch viel ändern.

Da sind wir bei meinem zweiten Punkt und der Frage: Ist mit der Inland- und denAuslandsbeziehungen alles gut? Udo Folgart hat auf den Export hingewiesen: Schweizer Käse. Das stimmt. Das ist die helle Seite.

Die dunkle Seite ist das Milchpulver, nämlich die nicht veredelten Produkte, die wir exportieren. Wenn ich es mir richtig gemerkt habe, haben wir letztes Jahr aus Deutschland 400 000 Tonnen Milchpulver exportiert, davon 167 000 Tonnen in Drittstaaten, unter anderem - habe ich mir aufgeschrieben - Algerien, Nigeria, Vietnam, Philippinen. Das ist die dunkle Seite des Exportes, die uns so viele Probleme bereitet.

Zuletzt zu unserem zusätzlichen Punkt, mit Ihren Gegenargumenten warum man dieses Kriseninstrument nicht einführen sollte. Kollege Gliese meinte, wir brauchen keine staatlichen Interventionen. Ich glaube, das ist falsch. Wir intervenieren schon jetzt. Wir kaufen das Milchpulver auf. Das kann nicht die Lösung sein.

Zum Zweiten haben Sie gesagt, unser Antrag löse die strukturellen Probleme nicht. Das stimmt, das will ich gar nicht in Abrede stellen, das habe ich auch nie behauptet. Aber die Verträge und unser Kriseninstrument ergänzen sich.

Das dritte Argument kam von Herrn Minister Vogelsänger: Andere EU-Staaten wollen das nicht, deswegen versuchen wir es erst gar nicht. Dazu muss ich sagen: Ich bin ganz bei Herrn Minister Vogelsänger, der eine Minute später sagte: Es lohnt sich, zu kämpfen. - Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE sowie der Abgeordneten Schwarzenberg [DIE LINKE])

>> Unseren Antrag findet ihr hier als pdf-Datei

Der Antrag wurde abgelehnt.