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Ja, es gibt sie auch in Brandenburg; es gibt Betriebe, die Tiere selbst züchten, selbst aufziehen, sie - vielleicht sogar im Freien halten, wo die Schweinchen, die Ferkel zum Maststall laufen und die Schlachtstätte auf dem Hof liegt. Es gibt sie, diese Betriebe; ich selbst kenne einige von ihnen. Ich war jüngst auf einem, wo ich mit dem Betriebsleiter über die Hygieneregeln der Schlachtung auf dem Hof diskutieren konnte. Dieses Thema hatten wir gestern.
Aber diese geschlossenen Systeme sind die Ausnahme, denn die Tierproduktion in Brandenburg, in Deutschland ist inzwischen hochspezialisiert. Da finden schon Zucht und Vermehrung in unterschiedlichen Betrieben statt. Da findet die Mast wiederum anderswo und die Schlachtung oft Hunderte Kilometer entfernt statt. Dementsprechend werden die Tiere von Betrieb zu Betrieb, zu Betrieb zu Betrieb transportiert. Wir reden über Millionen von Transporten.
Nehmen wir einmal das Jahr 2016. Allein in diesem Jahr wurden 750 Millionen Tiere innerhalb Deutschlands zu Schlachthöfen transportiert. Bei diesen Transporten ist einiges im Argen. Sie kennen die grausamen Bilder. Vielleicht kennen Sie auch die nüchternen Fakten. Ich möchte bei diesen Fakten bleiben. Zu diesen Fakten gehört zuallererst die Anzahl der polizeilich festgestellten Verstöße. Das sind ja nur Stichproben. Im Jahr 2015 waren es allein in Deutschland über 5 000. Dabei ging es fast immer um die Transportfähigkeit der Tiere, sprich: die Tiere waren zu krank, waren verletzt oder waren gar zu trächtig, um überhaupt transportiert werden zu dürfen. Auf Platz 2 kommt dann immer schon die Ladedichte, sprich: Es wurden viel zu viele Tiere in die Transporter geladen. Und dann ist es auch immer und immer wieder die Lüftung.
Das ist nicht unser erster Antrag hier. Schon 2018, beim letzten Antrag, musste ich dem Haus drei konkrete Fälle aus Brandenburg berichten. Ich will die Debatte von damals nicht wiederholen, aber kurz daran erinnern. Ich musste damals vom Schweinelaster berichten, den die Polizei in Neuruppin stoppte, weil im bitterkalten März die Ladeflächen nicht beheizt waren und die Lüftung eingefroren war. Ich musste damals von der Feuerwehr berichten, die im Mai ausrücken musste - da war es brennend heiß -, weil sie in Königs Wusterhausen einen Kükentransporter kühlen musste, weil die Lüftung ausgefallen war. Ich musste damals von einem Schweinetransporter berichten, dessen Lüftung auf dem Weg von Brandenburg nach Sachsen-Anhalt ausfiel, weshalb über hundert Schweine tot in Sachsen-Anhalt ankamen.
In der öffentlichen Debatte reden wir fast nicht über diese Transporte, sondern hauptsächlich über die Verstöße auf Langstreckentransporten - aus gutem Grund; denn die Verstöße dort sind noch viel gravierender. Wir reden über die Verstöße auf Trans- porten von Deutschland oder über Deutschland in Länder weit außerhalb der Europäischen Union, nach Kasachstan, in die Türkei, in den Libanon. Bei solchen Exporten ist auch Brandenburg ganz gut dabei. Abfragen von mir in den letzten Jahren haben ergeben, dass wir neben Rindern zum Beispiel Farmwild in die Russische Föderation sowie Schweine auf die Philippinen exportieren - warum auch immer.
Expertinnen und Experten schätzen, dass 75 % aller Transporte in der Europäischen Union nicht tierschutzkonform sind. Ob das wirklich so ist, ob wir ein systematisches Problem haben oder das nur Einzelfälle sind, ist naturgemäß zwischen den Transportunternehmen und den Tierschützerinnen und Tierschützern hochumstritten. Hier herrscht - das will ich ganz offen sagen - auch in der Koalition keine Einigkeit. Ich gehe davon aus, dass sich das auch in den Redebeiträgen niederschlagen und deutlich werden wird. Aber in einem herrscht sehr wohl Einigkeit - das war auch die Grundlage für den Antrag heute -: dass jeder Fall und dass jedes Leid, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Fall zu viel ist.
Deshalb beauftragen wir heute die Landesregierung, das Tierleid auf den Tiertransporten noch stärker einzudämmen. Ich sage bewusst „noch stärker eindämmen“, weil seit unserem Antrag zum letzten Beschluss hier im Landtag zum Glück schon einiges passiert ist. Es gab zum Ersten ein wirklich sachliches Fachge- spräch, aus dem ich die Haupterkenntnis gewonnen habe, dass die örtlichen Veterinärbehörden wirklich teilweise völlig auf sich allein gestellt sind, dass sie zwischen Baum und Borke hängen und keine klaren, verbindlichen Regeln haben, wann sie den Transport genehmigen und wann sie ihn verbieten müssen.
Nach dem Fachgespräch hat dann der Landtag 2018 zum Glück fraktionsübergreifend eine ganze Reihe von Maßnahmen beschlossen, zum Beispiel, dass Transporte bei über 30 Grad ausgesetzt werden, dass die Region nach Alternativen zum Export von Zuchttieren suchen soll, indem beispielsweise das genetische Material transportiert wird, also die berühmte Spermabox statt des Bullen oder der trächtigen Mutterkuh.
Nach dem Regierungswechsel hat die neue Regierung diesen Kurs noch verstärkt. Das zuständige Ministerium unter Ursula Nonnemacher, auch bekannt für Krisen wie Corona, Vogelgrippe oder Afrikanische Schweinepest, hat trotz alledem eine ganze Reihe von Erlässen an die örtlichen Veterinärbehörden herausgegeben, zum Beispiel den Plausibilitätserlass - der bedeutet auf Deutsch: Nur, wenn wirklich plausibel gemacht werden kann, dass ein Transport der EU-Rechtsprechung entspricht, darf genehmigt werden - oder den Corona-Erlass, der klarmacht: In diesen Zeiten muss man deutlich weniger transportieren. Das ging bis hin zu einem Transportstopp, nachdem im April die Russische Föderation erklärte, dass es in ihrem gesamten Gebiet keine betriebsbereiten Versorgungsstationen gibt - oder auf Deutsch: Sie konnten nicht sicherstellen, dass die Tiere auf der langen Reise von hier bis beispielsweise in die Türkei rasten oder trinken können. Eine Reihe von Maßnahmen will ich zum Schluss, die Vielzahl an Briefen an die Bundesregierung nicht unerwähnt lassen, um hier für Klarheit und Rechtssicherheit zu sorgen.
Damit hat das Land seine Hausaufgaben so gut wie abgearbeitet. Wir haben die Grenze erreicht, und das, ohne - das muss man leider klar sagen - dass wir damit dem Tierleid auf den Tiertransporten schon wirklich beigekommen wären. Sogar das böse Wort „Schlupfloch“ macht die Runde; es wird bundesweit berichtet, dass einige Landkreise Schlupflöcher seien. Weder das Tierleid noch dieses böse Wort kann in unserem Interesse sein. Auch deswegen beauftragen wir heute die Landesregierung mit unserem Antrag, noch weitere Schritte zu unternehmen und dabei vor allem, weil das Land seine Hausaufgaben so gut wie abgearbeitet hat, den Bund und die EU in die Pflicht zu nehmen.
Was wollen wir konkret? Ich greife die drei aus meiner Sicht wichtigsten Punkte heraus. Die Landesregierung soll - erstens - dem Landtag bis spätestens 2021 einen Gesamtbericht zu Tiertransporten vorlegen. Dieser Gesamtbericht wird dann die Grundlage für die Festlegung von landesweiten Standards sein. So sieht es unser Koalitionsvertrag vor.
Die Landesregierung soll - zweitens - über den Bundesrat im Bund darauf hinwirken, dass wir dahin kommen, dass Verstöße auch strafrechtlich geahndet werden und es endlich eine bundesweit einheitliche Liste der Staaten gibt, die nur genehmigte Transporte durchlassen, und der Staaten, die auch nicht genehmigte Transporte durchlassen. Das würde den Veterinärbehörden wirklich helfen.
Drittens soll sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass auf der nächsten Ebene, der EU-Ebene, endlich die europäische Verordnung, die das alles regelt, umfassend überarbeitet wird. Besonders wichtig ist uns dabei als Koalition eine Begrenzung der bislang faktisch unbegrenzten Transportdauer auf acht Stun- den am Tag. Besonders wichtig ist uns, dass es nicht nur auf dem Papier Versorgungsstationen geben soll, sondern dass klar ist: Diese Versorgungsstationen auch außerhalb der Europäischen Union haben genug Platz, genug Wasser, genug Futter; man kann sich vorher verbindlich dort einbuchen und steht dann nicht da und muss warten.
Vor allem aber muss aus unserer Sicht eines klargestellt werden - gerade nach der tierschutzpolitisch wirklich fatalen Auslegung des Verwaltungsgerichts Potsdam -: dass wie bereits 2015 vom EuGH geurteilt, der Tierschutz nicht an der EU-Außengrenze endet, sondern bis zum Bestimmungsort gilt und dass es dabei für die Prüfung der Veterinärämter nicht auf die sogenannte bloße Wirklichkeitsnähe ankommt, sondern darauf, dass die Veterinärbehörden das Recht haben, tatsächlich Nachweise dafür zu verlangen, dass die Tierschutzbestimmungen eingehalten werden. Dazu wird sicherlich auch der Untersuchungsausschuss beitragen, den die Landesregierung aktiv unterstützen soll.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Landesregierung hat also ihre Hausaufgaben so gut wie abgearbeitet, um das Tierleid auf Tiertransporten einzudämmen. Beauftragen wir sie nun bitte mit diesem Antrag, den Bund und die EU richtig in die Pflicht zu nehmen. Ich bitte um Zustimmung.
- Herzlichen Dank.