- Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitmenschen in Brandenburg,
es geht um den Jahresbericht des Petitionsausschusses. Der liegt ihnen allen vor. Ich frage vorsichtshalber nicht nach, wer ihn in Gänze bereits gelesen hat, kann man ja noch nachholen….
Die Mitglieder des Ausschusses haben sich darauf verständigt, dass ich als Vorsitzende für alle spreche. Was sehr einvernehmlich entschieden worden ist. Was wiederum etwas darüber aussagt, WIE in diesem Ausschuss gearbeitet wird, gearbeitet werden MUSS.
Um es ganz kurz, ja, auch ein bisschen plakativ zusammen zu fassen: glänzen nach außen ist nicht…..denn: die Arbeit in diesem Ausschuss hat, anderen Ausschüssen gegenüber, erhebliche Nachteile – weswegen der Drang, sich sofort schnipsend zu melden, um Mitglied zu werden, etwas gebremst ist. Ich sage das deshalb so klar, weil es ja bald, nach der Wahl am 22. September, für alle, die gewählt sind, wieder um die Frage gehen wird: wer besetzt welchen Ausschuss. Nachteil 1: Wir tagen am häufigsten. Mindestens alle drei Wochen sitzen wir mit dem Referat zusammen, hinter uns schließt sich die Tür. Angesichts sehr sensibler Daten, die Bürgerinnen und Bürger uns anvertrauen, eine Selbstverständlichkeit. Und dann haben wir alles auf dem Tisch, was Menschen so umtreiben kann. Und wir sind die, die auch am 10. September, also unmittelbar vor der Wahl, noch tagen. Einfach deshalb, weil wir die Bürgerinnen und Bürger nicht unnötig lange auf Antwort warten lassen möchten.
Nachteil 2: Wenn sich die Türen öffnen nach der stundenlangen Sitzung wissen wir sicher: vor der Tür stehen keine Pulks von Journalistinnen und Journalisten der regionalen oder der weltweiten Medien. Kein Mensch steht da. Denn es gibt nichts Weltbewegendes zu vermelden. Kein Skandal, keine akute Gesetzesänderung droht, kein Streit zwischen Fraktionen. Nichts. Will sagen: die Abgeordneten, die sich dieser aufwändigen Arbeit widmen, können öffentlich nicht so richtig glänzen. Sie machen einfach.
Und die Vorteile? Das kann ich Ihnen sagen: jeder und jede, die sich durch dutzende Seiten Petition liest, großartig unterstützt durch das Referat, lernt ungeheuer viel. Viel von dem, was Menschen im Lande so umtreibt vor allem. Völlig egal, ob man sich ansonsten in Fachausschüssen mit klar definierten, völlig anderen Themen befasst. Und wir kommen raus…… Peti vor Ort. Ganz wichtig, denn manchmal, so mein Eindruck, ist vor allem von Bedeutung, dass ganz echte Menschen ganz echten Menschen zuhören. Einfach zuhören. Nichts falsches versprechen, aber sich der Dinge annehmen.
Was auch zutrifft auf Vor-Ort-Termine durch den jeweiligen Kollegen, die Kollegin, die für die Themen zuständig ist. Es geht dann meist darum, verhärtete Fronten aufzubrechen, Blockaden zu lösen, Gespräche erstmal wieder möglich zu machen. Das ist nicht einfach, aber möglich und oft auch gelungen.
Er ist ein wirklich großartiges Instrument der Demokratie, weswegen ich im Namen aller bisherigen Mitglieder sehr darum bitte, ihn auch in Zukunft sehr ernst zu nehmen.
Mein Latein ist zwar übersichtlich, ich hatte es nie in der Schule, aber ich habe nachgeschaut. Das Wort Petitio bedeutet vieles. Es reicht von Angriff bis Ersuchen. Eine breite Spanne in der Ansprechhaltung. Was gut ist. Denn einzig und allein der Schreibende entscheidet: geht es um eine Bitte um Unterstützung, ist das Anliegen eine Forderung, soll die Petition als Vorschlag verstanden werden, ist der Text ein Angriff?
Es ist, und das wollte ich Ihnen mit auf den Weg geben, viel wert, dass wir diesen Ausschuss haben. Der nicht nach wichtig/unwichtig, bedeutend/unbedeutend, nett/nicht nett und was sonst alles so denkbar ist entscheidet.
Wir prüfen, ob Entscheidungen von Behörden korrekt waren. Die nüchternen Zahlen für den Zeitraum zwischen September 2022 und Mai 2024:
Eingegangen sind 759 Petitionen, unterzeichnet von 23 735 Personen. Manch eine Petition begleitet uns über lange Zeit. Aus Gründen. Zum Beispiel gibt es BürgermeisterInnen, die freuen sich überhaupt nicht, wenn Post von uns kommt. Die wiederum kommt, weil Bitten zu Stellungnahmen oder zur Übersendung von Unterlagen überhaupt nicht ernst genommen werden. Da wird dann schon mal die Kommunalaufsichtsbehörde eingeschaltet. Von uns.
Wir stellen häufiger mal fest, dass sich Gemeindevertreter*innen und Stadtverordnete darüber beschweren, dass Hauptverwaltungsbeamte ihrer Auskunftspflicht nur, sagen wir mal, sehr zögerlich nachkommen. Weil sie das eigentlich ziemlich anstrengend finden und partout nicht einsehen wollen, dass Abgeordnete aus der Gemeinde Akten einsehen wollen. Da gibt es noch viel zu tun. Immer wieder.
Der im Bericht angehängten Statistik kann man viel entnehmen. Zum Beispiel, welche Themen häufig in Petitionen vorgetragen werden.
Man kann, wenn man will, daran sehr gut ablesen, welche Themen bitte dringend vom Gesetzgeber schneller, spürbarer angegangen werden müssen:
Ganz großer Aufreger und immer wiederkehrendes Drama: der Öffentliche Personennahverkehr, vor allem der im Ländlichen Raum. Da geht es um Quantität und Qualität von Regionalverbindungen, Reaktivierung von Strecken, fehlende Haltepunkte, den Schülerverkehr….ich glaube, es ist leicht zu prognostizieren, dass DIESE Themen in den kommenden Jahren weiter an der Spitze der Statistik stehen werden.
Aufreger Nummer zwei in Sachen Verkehr:
Tempo-30-Zonen in Dörfern zum Beispiel. Da mussten wir leider immer auf die Straßenverkehrsordnung verweisen, die überall in Deutschland gilt.
ABER genau an diesem Thema lässt sich zeigen: Wenn sich viele, viele mit sehr ähnlichen Problemen an Petitionsausschüsse wenden, so dass klar wird, hier hat sich was im gesellschaftlichen Verständnis verändert, dann tut sich was. Und siehe da, nach wirklich langem Gezerre, scheint es, ich bin ganz vorsichtig, in die Richtung von mehr Selbstbestimmung der Kommunen in Sachen Geschwindigkeitsbegrenzung zu gehen. Also: Bitte schreiben Sie Petitionen! Was viele stört, aufregt, als Problem beschrieben wird, daran kommt früher oder später der Gesetzgeber nicht vorbei.
Der Ausschuss hat sich im Mai vergangenen Jahres auf eine Informationsreise begeben. Denn: nichts ist so gut, dass es nicht noch besser werden könnte. Und sich anzuschauen, wie das Petitionsrecht in anderen Bundesländern umgesetzt wird, war interessant, in Maßen erstaunlich, in jedem Fall anregend. Im Bayern wird zum Beispiel öffentlich getagt. Eine sehr ungewohnte Situation, ehrlich gesagt. In Thüringen gibt es eine Petitionsplattform im Netz, hin und wieder öffentliche Anhörungen, einen Bürgerbeauftragten…
Wie gesagt, viele Anregungen, die sehr, sehr sorgfältig genauer betrachtet werden müssen. Denn alles hat Vor- aber auch sehr erhebliche Nachteile.
Zum Schluss noch ein Wort in ganz eigener Sache. Es ist schwierig verständlich, macht aber andererseits auch das Prinzip UNSERES Petitionsausschusses klar.
Alle Schreiben, die rausgehen an Petent*innen, tragen meine Unterschrift. Die Ergebnis der Vorbereitung durch das Referat und die Beratung im Ausschuss sind. Wenn ich sie darunter setze, haben wir gemeinsam festgestellt, dass es keine Fehler bei der Arbeit der Behörden gab. Oder eben doch. Nicht mehr und nicht weniger. Das unterschreibe ich dann. Sehr wohl wissend, dass manch Bürgerin oder Bürger das nicht gut findet, weil er oder sie eigentlich erhoffte, dass wir ihm oder ihr Recht geben. Und um meine Meinung handelt es sich schon gar nicht. Es ist das Ergebnis sehr akribischer Recherche des Referats, der eingeholten Stellungnahmen, der Diskussion im Ausschuss.
Und weil der nächste Bericht des Ausschusses nicht von mir vorgestellt werden wird, möchte ich mich ganz ausdrücklich und von Herzen bedanken:
Bei den Bürgerinnen und Bürgern Brandenburgs vor allem! Alle, die sich an uns wenden, die ihr Problem formulieren, sind ein echter Gewinn für uns alle. Bitte lassen Sie nicht nach! Denn irgendwie, sicher viel zu langsam, am Ende aber eben doch, bringt uns das weiter.
Ich danke den wissenden Menschen im Referat. Als eher ungeduldiger Mensch stehe ich immer wieder staunend vor der Akribie und Geduld beim quasi Sezieren von Anliegen, um sie zu verstehen und zu bearbeiten. Und uns Abgeordneten überhaupt Entscheidungen zu ermöglichen.
Und ich danke den Ausschussmitgliedern. Für kollegiale Zusammenarbeit, hinreichend viel Humor – den man auch manchmal brauchte….
Nehmt ihn ernst, diesen Ausschuss, liebe auf uns folgende Abgeordnete. Bitte!