>> Zum Antrag „Nachhaltigkeitsbeirat des Landes Brandenburg wieder einberufen“ als pdf-Datei
Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Entschuldigung, ich bin etwas außer Atem. Ich wollte mich gerade oben bei der Besuchergruppe
entschuldigen, dass ich nicht zum Gespräch kommen kann.
Was machen wir heute? Wir haben heute den Antrag gestellt, dass der Landesregierung ein sogenannter Nachhaltigkeitsbeirat zur Seite gestellt wird, der die Landesregierung unterstützt und dabei berät, die sogenannte Nachhaltigkeitsstrategie umzusetzen. Dafür ist heute ein guter Tag, denn heute, am 29. April, jährt sich der Beschluss zur Nachhaltigkeitsstrategie.
Wie es so ist, gibt es vor einem solchen Antrag immer Signale und Gespräche, wie denn die Koalitionsregierung zu diesem Antrag steht. Es ist relativ deutlich geworden: Dieser Antrag wird abgelehnt werden. Daraufhin habe ich versucht zu verstehen, wie das nun wohl kommt, denn wir halten den Antrag natürlich für gut und gelungen, und habe eine sehr schwierige mentale Übung vorgenommen. Ich habe versucht, mich in die Rolle eines Koalitionsabgeordneten hineinzuversetzen.
(Schulze [BVB/FREIE WÄHLER Gruppe]: Das geht aber nur mit Psychopharmaka! - Zuruf des Abgeordneten Domres [DIE LINKE])
- Das ist in der Tat eine sehr schwierige Übung. Ich habe versucht, mich dem folgendermaßen zu nähern: Ich habe überlegt, wie sich denn die Koalitionsabgeordneten im Ausschuss verhalten. Die meisten - Herrn Domres nehme ich da aus - schweigen. Das hat mir doch nicht weitergeholfen, bis auf einen Punkt. Es gab einmal richtig Bewegung im Umweltausschuss, als unser Minister Vogelsänger einen 7-Punkte-Plan vorgelegt hat; ich glaube, es ging um das Thema Biber. Da hatten wir eine richtig lebendige Debatte. 7-Punkte-Pläne sind beliebt; also habe ich mir gedacht, ich überlege mir doch einmal sieben Argumente, warum man unseren Antrag ablehnen kann.
(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Fragen Sie doch mal Ihre grünen Kollegen, die die Biber unterstützen!)
Argument Nummer eins auf die Frage, warum ich als Koalitionsabgeordneter diesen Antrag ablehnen würde: Das haben wir immer schon so gemacht. Zugegebenermaßen ist das eher ein SPD-Argument als eines von der Linkspartei. Aber dieses Argument ist hier völlig verfehlt. Es würde überhaupt nicht greifen, weil es ja bisher einen Beirat gab.
Argument Nummer zwei, um diesen Antrag abzulehnen, könnte sein, das kommt von den Grünen, oder wahlweise auch, das kommt von der Opposition. Das ist Gott sei Dank auch kein Argument, weil es hier in diesem Hause die Kultur gibt, Anträge von anderen Fraktionen aufzugreifen.
(Beifall B90/GRÜNE - Domres [DIE LINKE]: Genau!)
Ausnahmen sind eingeschlossen.
Mögliches Argument Nummer drei: Hier greift das Diskontinuitätsprinzip. Oder auch: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern? Vorhaben der letzten Legislaturperiode müssen ja nicht unbedingt fortgesetzt werden. Ich glaube, auch dieses Argument greift hier nicht, weil die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen - sie legen das ja auch mit ihrem Entschließungsantrag dar - die Nachhaltigkeitsstrategie sehr wohl haben möchten. Sie wollen nur den Nachhaltigkeitsbeirat als Instrument nicht.
Was könnte noch ein Argument sein? Argument Nummer vier: Ein solcher Nachhaltigkeitsbeirat steht nicht in unserem Programm. Da hatte ich jetzt in meiner mentalen Übung ein großes Problem. Ich stand vor einer Persönlichkeitsspaltung, denn der SPD-Abgeordnete in mir sagte, genauso ist es, aber der linke Abgeordnete in mir sagte, nein, doch, in unserem Programm steht das ja. - Gut, also half mir auch das nicht weiter.
Nächstes Argument: Dafür haben wir kein Geld. Das ist ein sehr schwieriges Argument, gerade deshalb, weil wir heute wieder über den Flughafen geredet haben, in den Unsummen hineinfließen. Es ist ein sehr schwieriges Argument, aber gegenüber der Opposition immer gut zu verwenden. Auch dieses Argument greift nicht, weil im Haushalt des Umweltministeriums - wir hatten ihn vorgelegt bekommen - der Nachhaltigkeitsbeirat sogar steht. Unser Umweltminister geht davon aus, dass der Nachhaltigkeitsbeirat, der heute abgelehnt werden wird, pro Jahr mit Geschäftsstelle 60.000 Euro kostet. Das Argument, dafür haben wir kein Geld, zieht also nicht.
Das sechste von sieben möglichen Argumenten, die mir in meiner mentalen Übung eingefallen sind: Na ja, so ein unabhängiger Beirat macht nur Ärger.
(Heiterkeit B90/GRÜNE)
Nachher kritisiert er noch unsere Massentierhaltung, oder nachher kritisiert er noch unsere Braunkohlestrategie.
(Vogel [B90/GRÜNE]: Das wäre ja schrecklich!)
- Ja, schrecklich. Das ist sicherlich ein gar nicht so leicht von der Hand zu weisendes Argument. Aber das kann ich als Koalitionsabgeordneter hier in der öffentlichen Debatte natürlich nicht bringen. Es fällt also auch weg.
Bleibt noch ein letztes Argument, und das versuchen die Koalitionsfraktionen ja auch mit ihrem Entschließungsantrag zu dokumentieren: Einen solchen Nachhaltigkeitsbeirat brauchen wir nicht. Wir haben ja einen Nachhaltigkeitsbeauftragten im Ministerium und eine interministerielle Arbeitsgruppe. An diesem Punkt habe ich meine mentale Übung abgeschlossen, weil ich glaubte, ich habe ein Argument gefunden. Wenn ich mir das jetzt als grüner Abgeordneter anschaue, dann sehe ich: An dem Argument ist für mich nicht viel dran, denn ein solcher Beirat hat mindestens drei Vorteile, die die interministerielle Arbeitsgruppe und der Nachhaltigkeitsbeauftragte des Umweltministeriums natürlich nicht aufweisen.
Erstes Argument: Er ist unabhängig, und zwar nicht nur nach außen, sondern auch im inneren Denken. Ein externe Nachhaltigkeitsbeirat muss sich nicht mit Zwängen herumschlagen, beispielsweise mit der Frage, was der Finanzminister im Kabinett sagt und ob er da etwas entgegenhalten kann. Solche Zwänge kennt der unabhängige Nachhaltigkeitsbeirat nicht.
Zweites Argument, warum ein Nachhaltigkeitsbeirat wirklich nötig ist und warum man ihn braucht: Er bringt unabhängige Expertise und Sachverstand sowie ein Netzwerk hinein, das natürlich keiner der Ministerkollegen so aufweisen kann. Natürlich bringt jeder von ihnen etwas ein; aber wenn der Vorsitzende des Nachhaltigkeitsbeirates vom Klimafolgenforschungsinstitut PIK kam, dann muss man solche Kontakte erst einmal mitbringen. Das ist natürlich eine ganz andere Hausnummer.
Letztes und wichtigstes Argument aber ist: So ein Nachhaltigkeitsbeirat ist frei vom Tagesgeschäft. Ein solcher Beirat muss sich nicht mit dem Alltagsgeschäft herumschlagen. Das ist auch schon anstrengend genug. Wenn wir unsere Minister einmal angucken, so haben sie eine große Anzahl von Projekten, die gestemmt werden müssen, und dies im normalen Alltag. Herr Baaske und Frau Kunst müssen das Schwerpunktthema Bildung irgendwie über die Bühne bekommen. Unser Justizminister und unser Agrarminister sind mit dem Thema Massentierhaltung ziemlich beschäftigt, glaube ich. Frau Golze und Herr Schröder haben ein riesiges Problem mit dem Thema Flüchtlinge; das sollte sehr viel Aufmerksamkeit binden. Herr Gerber ist natürlich vollauf mit dem Thema beschäftigt, wie es nach dem Vattenfall-Verkauf weitergeht.
Da bleibt noch Frau Schneider - ich glaube, da war das Thema BER auch noch nicht ganz ausgestanden -, und Herr Görke muss allen aufs Geld schauen.
Kurzum: Jeder unserer Minister hat alle Hände voll zu tun. Zudem glaube ich, dass es überhaupt nicht ihre Aufgabe ist: Man kann es ihnen nicht ernsthaft abverlangen, dass sie neben ihrem Tagesgeschäft auch noch die Aufgabe eines unabhängigen Sachverständigenbeirates übernehmen.
In diesem Sinne bitten wir Sie, diesem Antrag zuzustimmen. Ebenso bitten wir darum, dass Sie sozusagen auf diese Argumente eingehen und uns darlegen, wie Sie denn glauben, nur mit einer interministeriellen Arbeitsgruppe und einem Nachhaltigkeitsbeauftragten des Ministeriums diese Aufgabe erfüllen zu wollen. - Herzlichen Dank.
(Beifall B90/GRÜNE)
>> Zum Antrag „Nachhaltigkeitsbeirat des Landes Brandenburg wieder einberufen“ als pdf-Datei
Der Antrag wurde abgelehnt.