Sehr geehrte Gäste! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie Sie wissen, besteht so ein Haushalt erst einmal nur aus jeder Menge toter Zahlen. Und wie Sie wissen, erwecken erst die Person und die Ambition des jeweiligen Ministers diese Zahlen zum Leben. Denn der Minister strickt den Haushalt so, dass er zu seinen Schwerpunkten passt. Sie können schon vermuten, als Grüner wünscht man sich eigentlich nur zwei Sorten von Justizministern: Im Idealfall natürlich eine Ministerin,
(Frau Bessin [AfD]: Ministerix!)
die von ganzem Herzen für den liberalen Rechtsstaat und leidenschaftlich für eine gute Ausstattung der Justiz kämpft und im Justizvollzug auf Resozialisierung setzt, eine Ministerin, die einen großen Gestaltungswillen hat, mit dem sie die dritte Gewalt immer mehr in die Unabhängigkeit führen will.
Wenn man das nicht haben kann, dann wünscht man sich natürlich einen Minister, der so richtig schön radikal beim Rechtsstaat kürzt. – Das ist natürlich quatsch. Das geht natürlich zu weit und ich hoffe, dass wir in Deutschland, zumindest in Brandenburg, nie so einen Minister haben werden. Das möchte ich keinem unterstellen und das möchte ich auch in meinen schlimmsten Albträumen nicht erleben. Aber die Grundidee bleibt richtig: Auch diesen Haushalt müssen wir daran messen, wie weit er eigentlich vom Wunsch, von dem, was nötig wäre, entfernt ist.
(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Von den Bedarfen!)
- Von mir aus auch von den Bedarfen, Frau Mächtig.
Schauen wir uns einmal den Vollzug an. Frau Mächtig, Sie hatten es erwähnt, der Vollzug ist ganz besonders wichtig, und, ja, wir sind besonders vorbildlich. Bundesweit haben wir eines der modernsten, liberalsten, pädagogischsten Gesetze. Wenn man in Brandenburg ins Gefängnis muss, hat man die besten Chancen auf Resozialisierung und Wiedereingliederung in die Gesellschaft. – Das ist zumindest in der Theorie so, denn in der Praxis fehlt für das, was Frau Mächtig da gelobt hat und was auch richtig ist, das Personal. Dafür ist kein Geld da. Das bisschen Personal wird zwar jetzt ein bisschen besser bezahlt, aber dafür muss es auch die ganze zusätzliche Arbeit, die durch die modernen Gesetze letztes Jahr hinzugekommen ist, zusätzlich schaffen. Es ist jetzt schon völlig überlastet, das sieht man am extrem hohen Krankenstand.
Im Zusammenhang mit dem Thema Vollzug und was in den Arresten und Gefängnissen passiert, können wir uns auch den Jugendarrest anschauen. Wir haben zum Glück in Brandenburg nicht so viele Jugendliche, die in Arrest müssen. Deswegen gibt es jetzt Pläne, das zusammen mit Berlin zu machen. Es war lange Zeit unklar, ob das überhaupt klappt. Jetzt ist klar, dass es klappt. Aber die Frage ist immer noch: Wie soll das praktisch gehen? Wir haben ein sehr modernes, liberales Gesetz, die Berliner sind deutlich härter und rückständiger. Jetzt sitzen Brandenburger und Berliner Jugendliche in einem Gebäude, werden von den gleichen Mitarbeitern betreut und haben völlig andere Ansprüche. Die Frage ist: Wie soll das in der Praxis gehen? Wir haben das im Ausschuss diskutiert. Die Antwort des Ministers war, das sei gar kein Problem, das werde rechtlich geregelt. Aber das war nicht die Frage. Die Frage war nicht, ob das rechtlich zu regeln ist, die Frage ist, ob das praktisch überhaupt geht. Da hilft uns der Haushalt also nicht weiter.
Was wäre noch nötig? Was hätte solch ein grüner Wunschminister zu bieten? Da ist das Thema Autonomie. Die dritte Gewalt – die Gerichte – sollte, so ist die Idee der Gewaltenteilung, möglichst unabhängig vom Minister sein. Das ist heute nicht ganz der Fall, denn in der Praxis läuft es so: Der Minister gibt die Zahlen vor, wie viel Fälle ein Richter oder zum Beispiel auch ein Staatsanwalt – aber wir reden über Unabhängigkeit, also geht es um Gerichte – in welcher Zeit zu schaffen hat.
(Dr. Schöneburg [DIE LINKE]: Nein, da haben Sie sich geirrt!)
Er gibt das insofern vor, als er das Personal
(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Unabhängigkeit der Justiz, Herr Kollege!)
so bemisst, dass es zu den Fallzahlen passt.
(Dr. Schöneburg [DIE LINKE]: Das gab es vielleicht zu DDR-Zeiten!)
Wir sehen, dass diese Zahlen nicht passen. Wenn der Minister sagt, es muss soundso viel erledigt werden, deswegen gibt es nur soundso viel Personal, das in der Praxis aber nicht ausreicht, dann werden an den Gerichten – das wurde gestern schon in der Debatte angesprochen – immer mehr Deals abgeschlossen. Anstatt das Verfahren normal zu Ende zu führen, entschließt sich der Richter, das Verfahren abzukürzen, damit er die vielen Fälle schafft.
(Zuruf der Abgeordneten Muhß [SPD])
– Das hatten wir gestern schon und das bleibt richtig. Er entscheidet sich dafür, das Verfahren abzukürzen und einen Deal zu machen. Der Straftäter bekommt einen Rabatt und das Gericht schließt den Fall ab.
(Stohn [SPD]: Das ist eine gesetzliche Möglichkeit, das Verfahren zu beenden!)
– Das ist völlig richtig, das ist auch eine berechtigte Möglichkeit, das Verfahren zu beenden. Das Problem ist nur – das wurde gestern auch schon angesprochen –: Es geht immer mehr in die Richtung, dass die Richter gar nicht anders können. Es ist schon klar, dass das ein schwieriges Thema ist. Denn wenn man die Gerichte vom Justizminister unabhängig machen will, dann geht das im Grunde nur über die Leiche des Justizministers. Das ist sehr schwierig, aber offenbar bringt unser Minister den Mut dafür auf. Wir haben gestern gehört, es gibt eine Einladung zu einem Gespräch mit der Justiz zum Thema: Brauchen wir überhaupt mehr Autonomie? Das ist schon mal gut. Vielleicht macht der Herr Minister sich auf den Weg, vielleicht ist das auch über den Haushalt abgedeckt, und wir kommen zu mehr Autonomie. Aber wenn wir uns auf den Weg machen, dann ist der Reiseproviant für die Justiz für diesen Weg viel zu wenig.
Damit sind wir schon beim dritten Punkt, beim Reiseproviant oder bei der Frage: Wie gut ist die Justiz ausgestattet? Fazit gestern war: Wir machen es der Justiz, wir machen es den Gerichten immer unmöglicher, gute Arbeit zu leisten.
Wir hatten das gestern schon: Der Grund dafür ist PEBB§Y, die Planung der Justizstellen in der Frage, wie viele neue Fälle hereinkommen, und nicht etwa in der Frage, wie viele alte Fälle da sind oder wie hoch der Krankenstand ist. Das wird ein bisschen einberechnet, aber in der Praxis nicht genug.
Ich mache jetzt mal den Baaske und zitiere mich selbst: „Einseitigkeit ist ungesund.“ Angenommen, wir sagen „Na gut, wir können nicht anders, wir müssen uns auf das PEBB§Y-Personalsystem verlassen.“, dann ist noch zu fragen, wie man dann zu den dramatischen Kürzungen kommt. Im Justizbereich sollen bei Richtern und Staatsanwälten über 10 % gekürzt werden. Die Annahme, dass die Zahl der Fälle in dem Maße sinkt wie die Einwohnerzahl, möchte ich gern begründet haben. Das halten wir für nicht plausibel.
(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Haben Sie gestern die Zahlen gehört oder haben Sie die nicht mitgekriegt?)
– Frau Mächtig, Sie hatten gesagt: Träume bleiben Schäume. Deswegen haben wir uns entschlossen, nicht – wie man vermuten könnte – eine deutliche Mehrausstattung der Justiz zu fordern; das hätte keine Chancen, hier angenommen zu werden. Wir wollten Ihnen ein ehrliches Angebot unterbreiten und versuchen, wenigstens das Schlimmste zu verhindern. Wir haben gefordert, dass Sie die Kürzungen bei Richtern und Staatsanwälten bei ordentlichen Gerichten zurücknehmen. Ich will das noch einmal begründen.
Bei den ordentlichen Gerichten ist es richtig; bei den Landgerichten gehen die Eingangszahlen zurück. Aber wir haben immer noch über 10 000 unerledigte Fälle. Wir haben vorhin mehrfach über unsere Sorgen um die Handwerker geredet. Es betrifft die Handwerker in der Praxis tatsächlich sehr: Wenn ein Handwerker die Bezahlung von Rechnungen vor Gericht durchsetzen will, muss er beim Landgericht im Zweifel ein Jahr darauf warten. Dieses eine Jahr muss der Handwerker aber erst einmal wirtschaftlich durchstehen.
Wir sehen das auch daran, dass es im ersten Halbjahr 2014 über 200 Rügen für die Gerichte gab, weil sie zu langsam arbeiten, und über 50 Klagen wegen überlanger Verfahren. Es wird ihnen mit der jetzigen Lage schon sehr schwer gemacht. Wir sagen daher: Halten wir das wenigstens auf diesem Niveau!
Dasselbe ist es bei den Staatsanwälten. Auch da schlagen wir Ihnen vor, die Kürzung zurückzunehmen. 2013 betrug die durchschnittliche Bearbeitungszeit pro Fall noch 5,7 Monate, inzwischen sind es 6,1 Monate. Der durchschnittliche Fall braucht also über ein halbes Jahr. Um diesen Trend aufzuhalten, müssten wir eigentlich mehr tun. Wir versuchen, wie gesagt, ein Angebot zu unterbreiten, um wenigstens das Schlimmste zu verhindern.
Herr Stohn hat gesagt, es wurde bei keinem anderen Bereich so viel im Ausschuss nachgesteuert, es gab bei keinem anderen Bereich so viel Personal. Das ist schon richtig; aber es bleibt der Tropfen auf den heißen Stein. Wir sind immer noch weit von einer Deckung des tatsächlichen Bedarfs entfernt, Frau Mächtig. Selbst mit dem, was wir Ihnen anbieten, wird man die Entwicklung nicht stoppen können und macht man es den Gerichten weiterhin sehr schwer, gute Arbeit zu leisten.
Kurzum, am Ende bleibt: Herr Minister, auch Sie werden Ihren Haushalt durchbekommen; auch hier werden unsere Anträge abgelehnt. Der Eindruck bleibt: Die größten Ambitionen im Justizbereich gibt es beim Einsparen. Vielleicht ist also die Justiz das Stiefkind und nicht der Verbraucherschutz. Aber das wird jetzt wahrscheinlich Kollege Michael Jungclaus erklären. – Vielen Dank.
(Beifall B90/GRÜNE und CDU)