Herr Präsident! Sehr geehrte Gäste!
Lieber Kollege Gliese - er hört gerade nicht zu -, ehrlich gesagt, ich war ein bisschen skeptisch, als ich Ihre Große Anfrage zum ersten Mal in der Hand hatte. Sie haben gerade gesagt, wie wichtig das Thema Gartenbau ist und dass es politisch unterschätzt wird. Aber ganz ehrlich: 87 Fragen zu Obst, Gemüse und Blumen, da erreichen Sie natürlich mich als Vegetarier; aber interessiert das dann auch die anderen Kolleginnen und Kollegen hier?
(Ja! von der SPD - Dr. Redmann [CDU]: Natürlich!)
- Schön, gut; das freut mich sehr. Ich habe aber doch den Verdacht, Kollege Gliese, dass vielleicht nicht alle der Anwesenden die 87 Fragen auch wirklich gründlich gele-sen haben. Deswegen gibt es heute einen besonderen Service: Ich trage Ihnen jetzt die Antworten vor. Ich habe noch vier Minuten; ich denke, die ersten 50 bis 60 Fragen sollten wir schaffen. - Keine Sorge, es sind im Wesentlichen nur drei Antworten, auf die es hier ankommt, die die Regierung Kollege Gliese gegeben hat:
Antwort eins auf viele, viele Fragen war: Wir haben keine Ahnung. - Das liest sich dann vor allem in der Variante: Dazu liegen uns keine Daten vor. - Zum Beispiel bei der allerwichtigsten Frage: „Wie gut versorgen wir uns denn selber mit Obst und Gemüse, wie hoch ist denn der Grad der Eigenversorgung?,' da heißt es: keine Angabe. Wenn Sie jetzt sagen: „Ist mir egal, ich esse eh Fleisch, mich interessiert eher, um wie viele Arbeitsplätze es hier geht,' kommen wir zur Frage des Kollegen Gliese: Wie hat sich denn die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und Sai-sonkräfte entwickelt? Auch da: keine Angabe. Oder interessieren Sie sich vielleicht eher für die regionalen Wirtschaftskreisläufe und fragen sich: „Wo kann ich denn di-rekt einkaufen? Wie viel wird denn direkt vermarktet?"? - Auch da: keine Angabe. Vielleicht schauen Sie auch nur in die Zukunft und sagen: Wie schaut es angesichts des demografischen Wandels mit der Unternehmensnachfolge aus? - Auch da: keine Angabe. Das hat nicht alles etwas damit zu tun, dass die Umfrage zum Gartenbau nur alle zehn Jahre stattfindet und die nächste erst 2016 erfolgt. Viele von diesen Daten werden noch gar nicht erhoben.
Die zweite Antwort: Da, wo wir etwas wissen, wissen wir: In vielen Fällen wird es lei-der schlechter, zum Beispiel bei den Gartenbaubetrieben. Wir haben da Zahlen von 1994 und 2005. 1994 gab es noch knapp 1 000 Betriebe, 2005 noch 800. Wir wissen vom Berufsstand: Die Tendenz ist fallend. Noch schlimmer bei den Ausbildungsplät-zen - Kollege Folgart hat es schon gesagt -: 2005 wollten sich noch rund 250 Perso-nen zum Gärtner ausbilden lassen, letztes Jahr waren es noch 70, davon in dem für uns so wichtigen Obstanbau 0.
Auch beim Thema Obst und Gemüse selber sieht es bis auf ein paar bekannte Aus-nahmen - wir haben sie schon gehört: Spargel aus Beelitz, Gemüse aus dem Spreewald - nicht so gut aus. Nehmen wir einmal zwei klassische Sorten, die wir alle kennen und lieben: die Möhren. 2004 fand noch auf 900 Hektar Möhrenanbau statt, nach den letzten Zahlen, die es gibt, 2013, nur noch auf knapp 235 Hektar. Noch schlimmer sieht es beim Spinat aus; aber das wollte ich nicht als Beispiel nehmen, weil ich glaube, ich kann Sie nicht davon überzeugen, dass das wichtig ist. Aber nehmen wir vielleicht die Sauerkirschen, die viele von uns lieben: Die Zahlen sind so dramatisch nach unten gegangen, dass der rbb vor zwei Wochen dazu extra einen Bericht angefertigt hat.
Die dritte Antwort ist aber: Gartenbau ist der Regierung ganz, ganz wichtig. Er ist ein wichtiger Arbeitgeber im ländlichen Raum, ein wichtiger Wirtschaftszweig, und er verfügt über Wachstumspotenziale, besonders beim Obst- und Gemüseanbau.
Ich fasse zusammen: Unsere Regierung weiß leider viel zu wenig, wie es um unser Obst und Gemüse steht. Da, wo wir etwas wissen, scheint es darum nicht wirklich gut bestellt. Und wir finden Gartenbau total richtig und wichtig. Da ist es doch nur folgerichtig, dass wir jetzt endlich ein Konzept erstellen, wo es denn hingehen soll mit dem Gartenbau. Deswegen, lieber Kollege Gliese, ziehe ich meinen Hut: Sie haben es tatsächlich geschafft, dass sich Rot-Rot dieses Themas ernsthaft annimmt und wir heute einen rot-rot-schwarz-grünen Antrag beschließen.
(Beifall B90/GRÜNE, CDU, vereinzelt SPD)
Da steht auch viel Gutes drin: dass die Regierung viele von den offenen Fragen be-antwortet und die fehlenden Daten besorgt; dass wir Maßnahmen gegen den Rück-gang beim Obstanbau entwerfen; dass wir den Berliner Markt gezielt erschließen sollen; und - danke noch an die Kollegen von Rot-Rot - dass wir den Ökolandbau unterstützen. Natürlich hätte ich mir schon mehr gewünscht: Natürlich hätte ich mir konkrete Maßnahmen gewünscht statt so viel Analyse, und ich hätte mir auch ein klares Bekenntnis zum Mindestlohn gewünscht; denn keiner von uns kann wollen, dass da die Arbeiter ausgebeutet werden. Aber der Antrag ist ein guter Anfang. Meine Ernteprognose, Kollege Gliese: Das kann etwas werden, aber nur wenn Sie mit Ih-rem Engagement wirklich weiter dranbleiben. Also: Essen Sie ordentlich Obst und Gemüse! Bleiben Sie dran! Unsere Unterstützung haben Sie.
(Beifall B90/GRUNE, CDU, vereinzelt SPD, DIE LINKE)
Vizepräsident Dombrowski:
Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht jetzt Minister Vogelsänger.
[...]
Raschke (B90/GRÜNE):
Wenn ich richtig informiert bin, werden in der Gartenbauerhebung einige Punkte nicht erfasst - zum Beispiel die Zahl der Arbeitsplätze, Fragen der Unternehmens-nachfolge oder der Eigenversorgung. Ich bitte den Minister, sich nicht nur auf die nächste Gartenbauerhebung zu verlassen, sondern zusätzliche Zahlen zu erheben, damit wir ein gutes Konzept hinbekommen. - Herzlichen Dank.
(Vereinzelt Beifall B90/GRÜNE, SPD und CDU)
Vizepräsident Dombrowski:
Herr Minister, möchten Sie darauf reagieren?
Minister Vogelsänger:
Ich habe das mit Freude zur Kenntnis genommen.
fsdfdsf
Der Entschließungsantrag wurde angenommen.