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Benjamin Raschke spricht zur Großen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Geflügelhaltung in Brandenburg“

>> Zum Entschließungsantrag „Fördermittel nur noch für eine bestmöglich tiergerechte Haltung“ (pdf-Datei)

>> Zum Entschließungsantrag „Für mehr Tierwohl in der Nutztierhaltung“ (pdf-Datei)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste!

Ich habe, ehrlich gesagt, ziemlich mit mir gerungen, ob ich heute mit Ihnen über Geflügelhaltung diskutieren kann und will. Angesichts der vielen Kriege auf der Welt, der Anschläge in Paris und all dessen, was uns sonst noch beschäftigt, ist sicherlich nicht nur mein Herz schwer, sodass kaum noch Platz für andere Themen bleibt. Die Frage, wie wir mit unseren Tieren und unserer Umwelt umgehen, ist vielleicht nicht mehr so wichtig angesichts der Frage, wie wir all die Menschen gut unterbringen, die bei uns Zuflucht suchen.

Deswegen war ich sehr versucht, die Große Anfrage von der heutigen Tagesordnung nehmen zu lassen und unsere Anträge zurückzuziehen. Sie stehen aber weiterhin darauf. Das liegt auch an der guten Debatte heute Morgen. Dafür möchte ich mich bedanken – es war für mich sehr befreiend, wie wir das heute diskutiert haben. Ich denke, wir haben herausgearbeitet, dass es weitergehen muss.

Es gibt aber einen zweiten Grund, der mich bewogen hat, das weiterzuführen: Mir ist klar geworden, dass, wenn wir diese Debatten heute und in Zukunft nicht führen, die Fleischindustrie und SPD ihre Vorstellungen von einer modernen Landwirtschaft einfach unbemerkt durchsetzen. Diese Vorstellungen haben mit Tierschutz wenig zu tun, vor allem nicht bei Geflügel.

So richtig bewusst geworden ist mir das am Montag bei der Schlagzeile auf agrar-heute.com: „Kükentötung: Bundesregierung lehnt gesetzliches Verbot ab' Da hatte das Bundeskabinett letzte Woche Mittwoch – von der Öffentlichkeit fast unbemerkt – beschlossen, dass auch weiterhin jedes Jahr rund 50 Millionen männliche Küken am ersten Tag getötet werden, weil ihre Aufzucht zu teuer wäre.

Da hat also die Geflügelindustrie im Schatten der Flüchtlingskrise bei der SPD mal wieder ganze Arbeit geleistet. Dem Hauptargument „Wir wandern sonst ins Ausland ab“ hat die SPD nichts entgegenzusetzen. Wir haben das gleiche Bild in Branden-burg. Die Antwort auf die Große Anfrage verrät uns, dass es in Brandenburg ungefähr 800.000 Mastplätze für Puten gibt. Puten sind unter allen Vögeln bekanntlich die ärmsten Schweine. Sie werden die Bilder von den hochgezüchteten Puten kennen, die ihr eigenes Gewicht kaum tragen können und in engen Ställen ein kurzes Dasein fristen.

Wir hätten gerne etwas getan, damit es den Brandenburger Puten besser geht – und uns auch: Stichwort Antibiotika, Der Einsatz von Antibiotika ist bei Puten geradezu enorm. Der Bundesrat hat endlich beschlossen, wenigstens Mindeststandards für die Putenhaltung gesetzlich festzuschreiben. Dem hätten wir uns in Brandenburg anschließen können; das finden Sie im Antrag von uns Grünen und der CDU-Fraktion. Jetzt raten Sie, was passiert ist! Richtig, die Geflügelindustrie brachte das Argument: Wir wandern dann ins Ausland ab. – Und schon war es um den Tierschutz bei der Brandenburger SPD und in der Putenhaltung geschehen. Die SPD hat uns heute den Antrag vorgelegt, wir sollten uns stattdessen mit dem Eckwertepapier der Geflügelindustrie begnügen. Ich sage Ihnen gern, warum das nicht ausreicht:

Erstens: Suchen Sie doch in dem Eckwertepapier einmal die Wörter „Frischluft“ oder „Auslauf“. Zweitens: Dieses Eckwertepapier ist eine völlig freiwillige Selbstkontrolle ohne jegliche Sanktionen. Drittens, da ziehe ich Wilhelm Busch zurate: Das einzelne Tier spielt keine Rolle. Bei Wilhelm Busch hieß es noch: „Mancher gibt sich viele Müh' mit dem lieben Federvieh'. Heute können wir in den Faustzahlen für die Landwirtschaft nachlesen, dass ein Tierhalter etwa 10 Minuten pro Tierplatz und Jahr einplant.

Für unsere Brandenburger Pute heißt das: In ihrem ca. 20-wöchigen Leben bekommt sie etwa vier Minuten lang Aufmerksamkeit geschenkt. Das zum Maßstab guter Putenhaltung zu machen ist schlichtweg Verbrauchertäuschung. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, in Brandenburger Ställen – Tierfabriken – gibt es ja nicht nur Puten, sondern jede Menge Geflügel.

Die Antworten der Landesregierung verraten uns da: Innerhalb der letzten 20 Jahre ist die Zahl der Tierplätze um fast 75 % gestiegen. In absoluten Zahlen waren das 2012 fast 12 Millionen Tierplätze - Tendenz steigend. Damit das so weitergeht, geben wir jedes Jahr eine ganze Menge Geld dafür aus, beispielsweise für den Bau von Legehennenställen in Bestensee. Da gibt es eine Firma, die in zwei Anlagen rund 1,8 Millionen Hühner hält. Dafür haben wir rund 4,6 Millionen Euro Fördermittel springen lassen. Für diese Fördermittel bekommen wir allerdings deutlich weniger, als Sie wahrscheinlich vermuten und wir Verbraucher auch erwarten. Selbst das, was uns Minister Vogelsänger als Premiumförderung verkaufen will, liegt nur ganz minimal über dem, was ohnehin gesetzlicher Standard ist. Deshalb ist die Kernforderung des Volksbegehrens gegen Massentierhaltung und ist auch unser zweiter Antrag heute, Subventionen nur noch für wirklich artgerechte Tierhaltung zu geben.

(Beifall B90/GRÜNE sowie vereinzelt CDU)

Wie könnte eine artgerechte Tierhaltung aussehen? Ein Anfang wäre – das schlagen wir mit unserem Antrag vor – Geld nur noch für solche Ställe auszugeben, die die EU-Öko-Verordnung erfüllen. Das heißt zum Beispiel, dass die Tiere deutlich mehr Platz haben.

Wenn ich Ihr Augenmerk einmal auf die Videoleinwand dort oben lenken darf: Das sind ungefähr sieben Quadratmeter. Stellen Sie sich jetzt 180 Hühner auf diese sie-ben Quadratmeter gequetscht vor! Das ist das, was man in Brandenburg halten darf und dafür noch Basisförderung bekommt. Würde man die neuen Förderrichtlinien anlegen und die EU-Öko-Förderverordnung ansetzen, wären das nur zehn Hühner pro Quadratmeter. Das heißt, statt 180 Hühner wären es auf dieser Fläche nur noch 70. Das wäre ein ziemlicher Fortschritt, aber auch das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein Kompromissangebot. Denn zehn Hühner pro Quadratmeter sind sicherlich noch nicht das, was sich die Verbraucherinnen und Verbraucher vorstellen.

Auch bei unserem letzten Punkt blockiert die SPD den Tierschutz. Niemand will heutzutage mehr, dass dem Geflügel die Schnäbel abgeschnitten werden. Aber weil das nicht von heute auf morgen zu ändern ist, sagt selbst das Volksbegehren: Dann lasst uns doch Demonstrationsbetriebe aufbauen, in denen man das ausprobiert und in die andere Landwirte schauen können, wie das geht, und sich das abgucken können. – Selbst dieses Angebot, das wir hier heute gemeinsam mit der CDU vorlegen, schwächt die SPD noch ab und macht daraus lediglich einen Prüfauftrag. Deshalb ist Fazit der Großen Anfrage und der Debatte im Vorfeld: Die SPD steht beim Tierschutz auf der Bremse.

(Beifall B90/GRÜNE)

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD: Da stehen Sie ziemlich allein.

(Zuruf von der CDU: Bremser!)

Zur Halbzeit des Volksbegehrens haben schon fast 40.000 Menschen unterschrieben. Die Landwirte sind inzwischen auch weiter als Sie. Herr Vogelsänger hat gesagt, es gibt bald nur noch Premiumförderung, weil die Landwirte nur noch Premiumförderung wollen. Sie wollen schon keine Basisförderung mehr.

Auch die Linksfraktion ist gänzlich anderer Meinung. Minister Markov hat dankenswerterweise – das muss man ihm hoch anrechnen – das Volksbegehren persönlich unterschrieben. Den Antrag auf Demonstrationsbetriebe haben heute Grüne und CDU gemeinsam eingebracht. Es wird also einsam um Sie, aber wir haben Ihnen mit unseren Anträgen eine stabile Brücke gebaut, über die Sie gern gehen können, damit das Volksbegehren, wenn es denn erfolgreich ist, an Ihnen nicht scheitert. Ich bitte Sie, die Anträge anzunehmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE und CDU)

>> Zum Entschließungsantrag „Fördermittel nur noch für eine bestmöglich tiergerechte Haltung“ (pdf-Datei)

>> Zum Entschließungsantrag „Für mehr Tierwohl in der Nutztierhaltung“ (pdf-Datei)

Die Entschließungsanträge wurden abgelehnt.