Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich weiß jetzt, ehrlich gesagt, gar nicht, was mir mehr Sorge macht, die schrill überzogene Tonlage, mit der die CDU ihr Anliegen hier vorträgt, oder die Tatsache, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Rot, aus diesem Vorfall keine ernsthaften Konsequenzen ziehen wollen.
Liebe CDU, ja, da mussten im vergangenen Herbst zwei mutmaßliche Sexualstraftä-ter aus der U-Haft entlassen werden, ja, das war schlimm, und ja, das darf nicht wie-der passieren. Ob damit aber gleich, wie Sie schreiben, das Vertrauen in den Rechtsstaat und die Rechtsordnung erschüttert wurde, wage ich doch zu bezweifeln. Es ist auch ein bisschen überzogen und ein bisschen schrill, gleich über eine 24-Stunden-Totalüberwachung mutmaßlicher Straftäter nachzudenken. Es ist auch ein bisschen überzogen, pauschal alle Verdächtigen in der U-Haft als Straftäter zu be-zeichnen und damit vorzuverurteilen. Das mag uns bei diesem Thema schwer über die Lippen gehen, aber im Zweifel hilft die Unschuldsvermutung. Zum Glück werden diese Formulierungen aus Ihrem Antrag nicht beschlossen, weil sie im Begrün-dungsteil stehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den Linken, trotz dieser schrägen und unverhältnismäßigen Melodie, die die CDU hier anschlägt, heißt das nicht, das sie nicht recht hätte mit Ihren Forderungen.
(Beifall CDU)
Ja, Herr Bretz, mein nächster Satz wäre: Nur weil die von der CDU nicht singen kön-nen, heißt das nicht, dass das Lied falsch ist. Denn Fakt ist: Es mussten zwei mut-maßliche Sexualstraftäter entlassen werden, weil das Gericht die Prozesse nicht rechtzeitig ansetzen konnte. Fakt ist auch: Grund dafür war die Krankschreibung ei-nes Richters. Fakt ist weiter: Wir müssen dafür sorgen, dass so etwas möglichst nicht mehr vorkommt. Dazu hat die CDU dankenswerterweise auch drei konkrete Vor-schläge gemacht: erstens ausreichend Personal für die Gerichte. Sie haben im letzten Haushalt bei den Sozialgerichten etwas nachgelegt. Sie haben jetzt im Nach-tragshaushalt angekündigt, etwas bei den ordentlichen Gerichten nachzulegen. Aus unserer Sicht reicht das nicht. Wir fordern, mindestens die 32 Richterstellen in der ordentlichen Gerichtsbarkeit und 16 Staatsanwälte zu erhalten.
Wir finden auch den zweiten Vorschlag der CDU gut, nämlich dieses Frühwarnsys-tem, damit auf solche Situationen rechtzeitig reagiert werden kann. Herr Minister, das ist schon machtpolitisch nicht das Dümmste. Es sind ja schon Justizminister über ganz andere Dinge gestolpert.
Die dritte Forderung der CDU ist, dem Landtag unverzüglich über Maßnahmen zu berichten, die die Regierung getroffen hat. Das Einzige, was daran vielleicht fragwür-dig ist, ist die Grammatik in dem Antrag. Alles andere daran finden wir sehr richtig.
Der Minister hat versucht, im Ausschuss diese Forderungen, die auch zum Teil wir Grüne mehrfach vorgetragen haben, mit zwei Argumenten vom Tisch zu wischen. Er hat erstens - das wird er wohl gleich wieder tun - ein Gerichtsurteil vorgelesen, das bestätigt, dass zum Zeitpunkt der Entlassung am Landgericht Cottbus gar kein Per-sonalmangel bestand - und damit Ende der Geschichte. Aber wir finden, da fängt die Geschichte erst an. Warum passieren denn solche Organisationsfehler? Warum ha-ben wir denn so lange Bearbeitungszeiten? Warum sind denn Richter immer krank? Unsere Antwort kennen Sie. Wir sind der Meinung, es ist einfach der Personalmangel an den Gerichten.
Damit kommen wir zum zweiten Argument. Der Minister sagt, das könne nicht sein, und hat im Ausschuss - und wird es auch gleich wieder tun - einen Experten heran-gezogen. Er hat den Präsidenten des Oberlandesgerichts, Herr Kahl, zitiert. Herr Mi-nister, ich habe noch etwas Redezeit, deswegen erspare ich Ihnen das. Ich möchte es gleich vorwegnehmen. Ich zitiere aus dem Protokoll des Rechtsausschusses vom 16. April 2015. Wir hatten den Präsidenten des Brandenburgischen Oberlandesge-richts, Herrn Kahl, bei uns zu Gast. Er erklärte - ich zitiere -: „Die gegenwärtige Besetzungssituation im richterlichen Bereich gestaltet sich
Auskömmlich“
Da macht der Minister im Ausschuss einen Punkt. Ich vermute, er würde hier wieder einen Punkt machen. Aber das Spannende ist, was danach kommt. Im gleichen Ausschuss, nur wenige Minuten und im Protokoll wenige Sätze später warnt Herr Kahl davor, was noch alles passieren kann. Er warnt davor - Ich zitiere -:
„Die Verfahrenslaufzeiten der Strafverfahren würden sich verlängern. In dem Bereich besteht zudem die Gefahr, dass Untersuchungshaft bei Delikten schwerer Kriminalität nicht mehr angeordnet und solche Verfahren nicht zeit-nah abgeurteilt werden können. Da die Dauer des Verfahrens, die nicht auf Verschulden des Angeklagten beruht, einen Strafmilderungsgrund darstellt, können zudem schuldangemessene Strafen nicht mehr verhängt werden
Es hilft also nichts, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir müssen anerkennen, die CDU hat trotz der schrägen Melodie recht. Am Ende bleibt: Die CDU singt schief, aber Sie liegen schief. Wir stimmen für den Antrag. - Vielen Dank.
(Beifall B90/GRÜNE sowie vereinzelt CDU und AfD)