Frau Präsidentin, vielen Dank!
Sehr geehrte Gäste!
Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Präsidentin hat es eben vorgetragen: Wir dürfen uns heute gleich mit zwei Anträgen zum Tierschutz in der Landwirtschaft beschäftigen. Das ist ja ganz schön.
Zum einen mit dem den Antrag von uns, Bündnis90/Die Grünen, „Lasst die Sau raus“ - in dem es darum geht, dass wir nicht mehr so enge Kastenstände haben möchten, in die Schweine gesperrt werden. Und zum anderen gibt es Ihren Antrag zu der Frage, wie es mit dem Tierschutzplan weitergeht.
Das klingt erst einmal ganz gut und hätte vielleicht sogar die Chance, das Zeug dazu, eine richtig schöne Geschichte zu werden. Eine Geschichte wie: Das Parlament macht Brandenburg zum Vorreiter in Sachen Tierschutz.
(Frau Lieske [SPD]: Machen wir doch!)
- Nein, leider nicht.
(Zurufe von der SPD. Doch!)
Sie ahnen schon, das ist nicht die Geschichte, die wir heute schreiben werden. Die Geschichte, die wir heute erleben werden, ist die bekannte Geschichte: Tierschutz in Brandenburg wird von der SPD ausgebremst.
(Beifall der Abgeordneten Nonnemacher [B90/GRÜNE] sowie der Abgeordneten Homeyer und Lakenmacher [CDU])
Ich möchte das nicht nur behaupten, sondern auch begründen - und zwar praktischerweise anhand der beiden Anträge, die vor uns liegen und die wir jetzt behandeln dürfen.
Zuerst zu unserem Antrag: Wie gesagt ist unser Ziel, die Kastenstandhaltung zu beenden. Zunächst aber wollen wir erst einmal ein Gerichtsurteil umzusetzen. Ein Gerichtsurteil, das schon etwas älter ist und aus Magdeburg kommt, inzwischen aber bundesweit Gültigkeit hat. Dieses Urteil besagt, dass, wenn man schon eine Sau in einen Kastenstand sperrt, dieser so groß sein muss, dass sich das Tier nach links und nach rechts ausstrecken kann, ohne etwas zu berühren. Das klingt erst einmal wie eine Selbstverständlichkeit, ist in Brandenburg aber nicht überall der Fall. Wir haben immer noch Betriebe, die sich nicht daran halten.
Unsere erste Forderung in dem Antrag ist also, dieses Gerichtsurteil umzusetzen.
Unser zweiter Punkt in dem Antrag ist, grundsätzlich mit der Kastenstandhaltung aufzuhören Und zwar deswegen, weil wir in Brandenburg längst Betriebe haben, Praktiker, die zeigen, dass man das gar nicht mehr braucht. Und, weil wir es für ethisch geboten halten. Aus unserer Sicht ist es eine Sauerei, eine Sau in einen Kastenstand zu stecken, und aus unserer Sicht hat es keine Sau verdient, dort einen Teil ihres Lebens fristen zu müssen.
Diesen unseren Antrag, der ohne Zweifel ein Antrag zum Thema Tierschutz ist, werden Sie
heute ablehnen, womit schon der erste Beleg erbracht ist, dass Sie den Tierschutz ausbremsen. Und Sie werden ihn nicht ablehnen, weil Sie komplett anderer Meinung sind, sondern weil Sie Zeit gewinnen wollen, liebe SPD.
Aber gut, es soll vorkommen, dass die Regierung Oppositionsanträge ablehnt. Insofern werde ich das nicht als einzigen Beleg dafür nehmen, dass Sie den Tierschutz ausbremsen. Ich habe aber glücklicherweise noch einen zweiten Beleg, nämlich Ihren eigenen Antrag zur Frage „Wie weiter mit dem Tierschutzplan?“.
Der Tierschutzplan - was war das noch mal? Der war das Kernstück des Kompromisses zwischen der SPD und den Initiatoren des Volksbegehrens gegen Massentierhaltung. Das Kernstück - also etwas, dem sich beide Seiten ganz besonders verpflichtet fühlen sollten.
Da waren die Erwartungen - zu Recht - sehr hoch, und zwar von allen Seiten: Von Seiten der Tierhalter - Udo Folgart hält den Tierschutzplan gerade hoch -, die klare Rahmenbedingungen, Planungssicherheit wollen: Welche Ställe sollen wir in Zukunft bauen, was wird gesellschaftlich akzeptiert?
Von Seiten der Umweltschützer – uns Grünen zum Beispiel -, die sagen: Ja, es muss auch darum gehen, die Belastung für die Umwelt zu senken oder den Einsatz von Antibiotika zu verringern.
Vor allem natürlich von Seiten der Tierschützerinnen und Tierschützer, die gesagt haben: Wenn es mit der SPD in Brandenburg nicht möglich ist, die Massentierhaltung zu beenden, dann muss dieser Tierschutzplan wenigstens wesentliche Veränderungen bringen, damit in der klassischen Tierhaltung millionenfaches Leid von Tieren verringert wird.
Die Erwartungen waren sehr hoch, und nun liegt er vor uns.
(Frau Lieske [SPD]: Menschenskinder, ich dachte, die Ideologie nehmen wir da raus!)
Aus meiner Sicht ist der Tierschutzplan nicht besonders gut geworden.
Ich bitte Sie, mich nicht falsch zu verstehen: Er ist auch nicht schlecht geworden. Er hatte nur nicht die Chance - unter den Rahmenbedingungen, die Minister Vogelsänger gesetzt hat - wirklich gut zu werden.
Was sind das für Rahmenbedingungen? Zum einen hat er sehr spät ein Konsortium beauftragt, das das Ganze moderieren und koordinieren soll. So viel zu spät, dass man nur wenige Monate bis zum Ende des letzten Jahres hatte, um all das nachzuholen, was in anderen Bundesländern jahrelange fruchtbare Diskussion zwischen Berufsstand und Zivilgesellschaft, zwischen Ministerium und Beteiligten war. Es gab also viel Druck und wenig Zeit. Das sieht man Ende leider auch.
Zum Zweiten: Dieses Konsortium hat sich fachlich hohe Meriten verdient, hat sich aber vorher noch nie damit beschäftigt, Konfliktparteien zu moderieren. Es musste das - wie es der Chef bei der Vorstellung des Tierschutzplans erwähnte - im Laufe der Zeit erst lernen.
Für diese Rahmenbedingungen kann sich das Ergebnis durchaus sehen lassen. Ich möchte mich daher ganz ausdrücklich bei allen Ehrenamtlichen, aber auch Hauptamtlichen bedanken, die es geschafft haben, unter diesen widrigen Rahmenbedingungen solch ein Papier hier vorzulegen. Dafür gebührt ihnen wirklich unser aller Hochachtung!
(Beifall B90/GRÜNE sowie vereinzelt DIE LINKE)
Was ist das für ein Ergebnis, das nun vor uns liegt?
Das ist zum einen der Text auf dem Papier, das wir vor uns haben. Dieser Text ist aus meiner Sicht sehr gemischt. Da gibt es viele Unklarheiten, vieles, was nur angerissen wurde, vieles, was nicht ausführlich diskutiert werden konnte - wie auch, in der Kürze der Zeit? Etwa beim Thema Tierschutz: Wenn man sich die Schwächsten ansieht, die Puten, dann wird sich mit dem, was hier umgesetzt werden soll, kaum etwas tun - das ist viel zu wenig. Andere Dinge, wie zum Beispiel die Demonstrationsbetriebe oder der Tiergesundheitsdienst stellen eine wirkliche Weiterentwicklung dar. Der Text ist also sehr gemischt.
Was aber bei den ganzen Verhandlungen heraus kam, ist nicht nur der Text. Das zweite Ergebnis liegt nicht vor Ihnen. Das sehen sie, wenn Sie in die Gesichter schauen und die Geschichten derjenigen anhören, die verhandelt haben: Da wird plötzlich ganz anders übereinander geredet. Da hat plötzlich der Tierschützer Verständnis dafür, dass der Landwirt, der diesen Stall bauen muss, Planungsvorschriften beachten und bei der Bank Kredite bekommen muss. Da hat der Landwirt plötzlich Verständnis dafür, dass Veganer auch eine Position haben, die vielleicht nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Da hat sich etwas getan. Da bewegen sich Menschen aufeinander zu.
Das ist eine hohe Qualität, die dabei entstanden ist. Dabei wird sicherlich nicht das Ende der Massentierhaltung herauskommen, aber doch Bewegung, Fortschritt, sodass, sich die Tierhaltung in Brandenburg substanziell ändern kann. Das ist gut.
Da gibt es also plötzlich eine Dynamik, eine Bewegung. Aber diese Dynamik wird nicht ewig halten, sie muss mit voller Kraft ergriffen werden.
Damit bin ich bei Ihrem Antrag: Wie geht es weiter mit dem Tierschutzplan?
- Wenn ich zwei Dinge weiß, mit denen man eine Dynamik, eine Bewegung kaputt machen kann, dann ist das erstens, Dinge auf den Sankt Nimmerleinstag zu schieben und zweitens, definitiv kein Geld zu geben.
Genau das finden wir in Ihrem Antrag. Dort steht: Wir wollen ein Umsetzungskonzept bis Ende 2018. - Nichts dagegen, dass jetzt erst einmal ein Plan gemacht werden muss, welche der aufgeführten Maßnahmen bis umgesetzt werden sollen und welche die wichtigsten sind.
Aber bis Ende 2018? Das heißt, noch fast das ganze Jahr wollen Sie brauchen, um diese 131 Maßnahmen zu sortieren und nach Wichtigkeit zu gruppieren. Das kann ja wohl nicht wahr sein!
(Beifall B90/GRÜNE)
Da braucht es wirklich nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass das bis Jahresende passiert, die Umsetzung dann vielleicht am Ende der Sommerpause des nächsten Jahres anfangen würde, und schwupp ist die Legislaturperiode vorbei und das Ding wird in der Schublade verschwinden.
Gut, jetzt haben Sie nach dem Druck, den wir im Ausschuss gemacht haben, und den das Volksbegehren gemacht hat, liebe SPD, einen Halbsatz eingefügt: „für den bereits im Einzelnen in der Umsetzung befindlichen Tierschutzplan“ soll der Maßnahmenplan bis Ende 2018 vorgelegt werden. - Damit gewinnen Sie nicht nur keinen Grammatikpreis, damit verlieren Sie auch völlige Klarheit, was es denn nun sein soll. Das ist der erste Punkt: Sankt Nimmerlein.
Der zweite Punkt ist das, was nicht in Ihrem Antrag steht, nämlich Geld. Kein Wort zum Nachtragshaushalt, kein Wort zum Doppelhaushalt. Und wenn wir das so machen, wie es im Antrag steht - nämlich dass die Maßnahmen bis Ende 2018 ermittelt werden - dann ist es fast nicht mehr möglich, Dinge in den Doppelhaushalt 2019/2020 aufzunehmen Denn der müsste dann schon fast in Sack und Tüten sein!
(Zuruf von der SPD)
Das heißt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie bremsen mit diesem Antrag den Tierschutz aus.
Und nicht nur das. Sie treten damit auch Ihrem Verhandlungspartner, den Initiatoren des Volksbegehrens, auf die Füße. Sie treten auch Ihrem Koalitionspartner, den Linken, auf die Füße, der hier mitgefangen und mitgehangen ist und sich wirklich für den Tierschutz einsetzt. Sie treten den Landwirten auf die Füße, die Planungssicherheit haben wollen, und mit diesem Plan immer noch nicht wissen, ob in dieser Legislaturperiode etwas kommt - und wenn ja, wie denn die Ställe aussehen sollen. Und Sie treten Ihrem Sitznachbarn, der CDU, auf die Füße, die sich mit genau dieser Hoffnung, also Planungssicherheit für die Landwirte zu haben, Ihrem Antrag angeschlossen hat.
Das alles ist sehr bedauerlich, und ich kann zum Abschluss nur noch sagen: Wir werden die Umsetzung dieses Tierschutzplans weiter mit voller Kraft unterstützen, zum Beispiel mit Änderungsanträgen im Haushalt. Ihrer Verzögerungstaktik können wir allerdings nicht zustimmen.
Ihren Antrag müssen wir deswegen ablehnen.
Vielen Dank.
(Beifall B90/GRÜNE)
Teil 2, nach den Redebeiträgen von SPD, Linke, CDU, AfD
Raschke (B90/GRÜNE):
Erst noch einmal meine Hochachtung all denen, die den Plan erstellt haben.
Zweitens, Frau Schwarzenberg und Herr Folgart haben dargestellt, dass die beiden Anträge einander widersprächen. Herr Gliese hat hingegen korrekt dargestellt, dass dem nicht so ist. Man kann den langfristigen Ausstiegsplan auch zusammen mit dem Tierschutzplan umsetzen. Es gibt keinen Grund, das nicht zu tun.
Was aber nicht im Tierschutzplan steht, ist, Recht und Gesetz umzusetzen, das Magdeburger Urteil umzusetzen. Das wird in Brandenburg bisher nicht gemacht, aber darum kann man sich nicht herumdrücken, Herr Minister, da hilft einem auch der Verweis auf den Tierschutzplan nicht.
Herr Folgart, was mir außerdem sehr missfallen hat, war Ihre Bemerkung: „Es geben so viele Sauenhalter auf, darauf müssen wir achten; das ist schwierig mit dem Magdeburger Urteil“; denn das fördert genau die Geisteshaltung des Amtsveterinärs, den wir im Fernsehen gesehen haben und der sagte: „Ich kann diesen Betrieb, der hier Probleme hat, nicht schließen, weil ich an die Arbeitsplätze denken muss.“
(Beifall GRÜNE/B90)
Es ist berechtigt, an die Arbeitsplätze zu denken. Aber es geht um Tierschutz, und es geht um Recht und Gesetz. Das kann man nicht gegeneinander ausspielen!
(Beifall B90/GRÜNE)
Darf Herr Folgart noch etwas fragen?
Präsidentin Stark:
Bitte schön, Herr Kollege Folgart.
Folgart (SPD):
Herr Raschke, ich möchte es nur noch einmal relativieren: Wir wissen, dass von den 70 von den Veterinärämtern überprüften Betrieben elf auffällig waren und nun die Umsetzungskonzeptionen vorzubereiten haben. Dieses Thema ist bekannt. Es geht um diese elf Betriebe. Deren Sensibilisierung ist erfolgt, sodass diese Betriebe daran arbeiten. Die Hinweise der Veterinärbehörden werden auch umgesetzt. Das geht sogar so weit, dass man über kleinere Sauen bzw. solche, die nicht zu groß werden, spricht, damit sie noch in die vorhandenen - mit Investitionen errichteten – Stände passen.
Es gibt also Hinweise, und insofern sollten wir dieses Thema über den Tierschutzplan, die Arbeitsgruppen und die entsprechenden Personen mit Sachlichkeit, Ruhe und Fachlichkeit angehen.
Sind Sie nicht auch dieser Meinung?
(Beifall und Heiterkeit bei der SPD)
Präsidentin Stark:
Ach, das ist die Frage - sehr professionell, so ist es richtig. - Herr Abgeordneter, jetzt haben Sie außerhalb der Redezeit Gelegenheit, darauf ausschweifend zu antworten.
Raschke (B90/GRÜNE):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Folgart, ja das bin ich, und ich freue mich, dass
Sie das hier so rüberbringen. Vielleicht sollten wir in aller Sachlichkeit und Fachlichkeit im Ausschuss besprechen, wie der Umsetzungsstand des Magdeburger Urteils in Brandenburg ist. Ich hätte natürlich Interesse daran, dass diese elf Betriebe weitermachen können und eine Tierhaltung entwickeln, die dem Verbraucher- und Umweltinteresse entspricht.
Ich muss als justizpolitischer Sprecher aber auch darauf hinweisen, dass dieses Urteil Rechtskraft hat und so schnell wie möglich umgesetzt werden muss. Ich nehme das trotzdem als gute Botschaft und möchte es jetzt dabei bewenden lassen.
Ich habe außerdem noch zwei gute Botschaften gehört, nämlich sowohl von Minister Vogelsänger - es soll Geld beantragt werden - als auch von Anke Schwarzenberg. Und ich habe ein Nicken bei der SPD gesehen; das nehme ich einmal mit.
Deswegen ist die Geschichte heute nicht nur: „SPD bremst Tierschutz aus“, sondern: „Wir hindern sie daran und es geht in kleinen Schritten vorwärts.“
- Danke schön.
(Beifall B90/GRÜNE)
Der Antrag wurde abgelehnt.