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Benjamin Raschke spricht zum Gesetzentwurf der Landesregierung „Gesetz zu dem Staatsvertrag der Länder Berlin und Brandenburg über die Errichtung und den Betrieb einer gemeinsamen Jugendarrestanstalt“

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste!

Unsere Fraktion wird das Gesetz zum Staatsvertrag ablehnen. Und zwar nicht wegen der abenteuerlichen Entstehungsgeschichte – das hat Kollege Eichelbaum hervorragend ausgeführt –‚ wir lehnen es aus inhaltlichen Gründen ab.

Wir haben gehört: Brandenburg hat ein bundesweit geachtetes Jugendarrestgesetz, in dem großer Wert auf Erziehung statt nur auf Strafe gelegt wird. Wir sagen: Das würden wir ein gutes Stück preisgeben, wenn wir dem Staatsvertrag heute zustimmten. Kollege Eichelbaum hat auch deutlich gemacht, wie Minister Markov aus einer – ich muss sagen: selbstverschuldeten – Notlage heraus mit Berlin verhandeln und dabei vieles preisgeben musste. Minister Markov hat versucht, uns mit drei Verteidigungslinien deutlich zu machen, dass das alles gar nicht so schlimm sei.

Verteidigungslinie 1 war: Es ist ja alles im Staatsvertrag drin. Das hat er in seiner Rede gleich wieder aufgegeben und gesagt – Verteidigungslinie Nummer 2 –: Naja, da ist einiges drin, das man so interpretieren könnte. – Er hat das allerdings auch gleich wieder abgeräumt, indem er gesagt hat: Das war mit den Berlinern so nicht zu machen.

Er hat uns im Ausschuss noch eine dritte Möglichkeit angeboten. Er hat gesagt: Naja, das steht jetzt alles nicht im Staatsvertrag, aber da gibt es eine Jugendarrestkonzeption: Der Standort Lichtenrade hat dann eine Arrestkonzeption, und was jetzt nicht im Staatsvertrag ist, kann in dieser Arrestkonzeption aufgefangen werden.

Wir haben uns das genau angeschaut: Die bisherige Arrestkonzeption entspricht bei Weitem nicht den – wie es hier heißt – „wesentlichen Teilen der sozialpädagogischen Anforderungen des Brandenburger Gesetzes.“

Wir geben Einiges auf, wenn wir heute dem Staatsvertrag zustimmen. Komplett fehlen zum Beispiel individuelle Förderpläne für die einzelnen Jugendlichen. Auch beim Thema Besuchsrecht, Beschwerderecht und gesunde Ernährung liegt man weit hinter unserem Gesetz zurück. Unser Gesetz verlangt auch einen Beirat, der das Ver-ständnis für den Arrest und seine gesellschaftliche Akzeptanz fördern soll und Kontakte zu anderen Einrichtungen herstellt. Davon ist hier nichts zu lesen.

Noch ein Punkt, um das zu illustrieren: Unser gutes Brandenburger Jugendarrestvollzugsgesetz sieht vor, dass pädagogische Mitarbeiter der Jugendarrestanstalt den Jugendlichen nach ihrem Arrestaufenthalt als Vertrauenspersonen zur Seite stehen, bei Behördengängen helfen und dabei, den Einstieg ins normale Leben zu schaffen. Das alles geben wir jetzt auf.

Minister Markov, wenn Sie wirklich wollen, dass unser vorbildliches Brandenburger Gesetz auch dann gilt, wenn unsere Jugendlichen aus Spargründen in Berlin sind, dann verhandeln Sie das nach! Ich weiß schon, Sie haben es gesagt: Wir müssen heute nicht hü oder hott sagen, Sie werden den Staatsvertrag durchwinken. – Aber es gibt vielleicht noch eine letzte Möglichkeit. Sie haben gesagt: Wir werden eine gemeinsame Jugendarrestkonzeption mit Berlin verhandeln. – Nehmen Sie diese Punkte da auf! Und wenn Sie schon dabei sind, dann verhandeln Sie doch bitte gleich einen anderen Standort für die nächsten Jahre.

Denn unser Gesetz sieht vor – Sie haben es vorgetragen –: Die Gestaltung der Anstalt, also auch die Beschaffenheit des Gebäudes, muss sozialpädagogischen Erfordernissen entsprechen. Aber das Gefängnis Berlin-Lichtenrade, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat etwa 5 Meter hohe Betonmauern und einen Eingangsbereich – da zitiere ich Kenner aus der Szene –‚ der einem Hochsicherheitstrakt in den USA ähnelt. Sie sehen also: Prädikat „ungenügend Wenn wir heute zustimmen, geben wir vieles auf. Wir lehnen ab. – Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE)