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Rede im Landtag: Abwägen statt Aufbauschen

- Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, liebe Gäste, der Innenminister soll wieder mal einen Brief schreiben. Und damit ein Problem lösen, was – so scheint es – landauf, landab in diesem Land für Aufregung sorgt. So sagen jedenfalls die Freien Wähler in ihrem Antrag. So wolle offenbar jemand „eine Spaltung der Anwohnerschaft“ bewirken, „indem als Grundlage für die Beitragspflicht die private bzw. vermeintliche Finanzsituation einzelner ins Feld geführt wird.“ Das ist ja starker Tobak. Herr Vida, bitte sagen Sie uns, wer will hier spalten? Und was ist das mit der „privaten Finanzsituation“? Aus Ihrem Antrag lese ich da nicht heraus, was mir diese Vorwürfe aufklärt.

Schauen wir doch mal auf die Fakten: Ihnen geht es ja um Bürger-begehren, die Beitragspflichtigen ein verbindliches Mitbestimmungsrecht bei der Durchführung von Straßenerschließungsmaßnahmen einräumen.

Nach meiner Kenntnis gab es dazu genau drei im Land Brandenburg: Bernau 2013. Das Bürgerbegehren wurde von der Unteren Kommunalaufsicht ohne Mitwirken der Oberen Kommunalaufsicht für zulässig erklärt. Ein nachfolgender Bürgerentscheid war erfolgreich.

Werneuchen 2019. Das Bürgerbegehren wurde von der Unteren Kommunalaufsicht unter Mitwirken der Oberen Kommunalaufsicht für unzulässig erklärt. Gegen den Bescheid wurde keine Klage erhoben.

Schöneiche bei Berlin 2019. Das Bürgerbegehren ist gescheitert, weil die Anzahl der Unter¬schriften nicht ausreichte. Eine inhaltliche Prüfung durch die Kommunalaufsicht fand daher gar nicht statt.

Wir sehen also, wir haben drei unterschiedliche Fälle, von denen aber nur zwei relevant sind. Und ja, dort hat es unterschiedliche Rechtsauffassungen gegeben, aber bei zwei Fällen von einer „Änderung der Rechtspraxis“ zu sprechen, ist doch schon weit hergeholt. Dennoch bedauere ich, dass die Initiator*innen aus Werneuchen nicht gegen den Bescheid der Unzulässigkeit geklagt haben. Das hätte zu einer gerichtlichen Klärung der Rechtslage geführt – und dazu sind Gerichte ja da.

Inhaltlich lassen sich aus meiner Sicht sowohl für eine Zulässigkeit als auch dagegen gute Argumente finden. Das Argument dafür ist, dass wir generell möglichst viele Politik-Bereiche für die direkte Demokratie öffnen sollten. Es ist ja bekannt, dass wir Bündnisgrüne gerne den Katalog der Ausschlussgründe aus §15 Absatz 5 Kommunalverfassung reduzieren würden. Aber darum geht es ja heute nicht.

Auch gegen die Zulässigkeit lassen sich verschiedene Argumente ins Feld führen: • Würde nicht, indem allein den Beitragszahler*innen ein Vetorecht zugestanden wird, die Gemeindevertretung entmachtet? Das wäre möglicherweise eine Verletzung von §15 Abs. 5 Nr. 2, innere Gemeindeorganisation. • Hat die Gemeinde überhaupt die Beschlusskompetenz, eine Erschließung abzulehnen, die nach Bundesrecht angeordnet ist? • Oder handelt es sich dabei dem Inhalt nach um ein Bürger-begehren über Gemeindeabgaben, welches nach §15 Absatz 5 Nr. 5 unzulässig ist? Aus meiner Sicht sind das zumindest Rechtsfragen, die nicht so leicht vom Tisch zu wischen und auch nicht leicht zu beantworten sind.

Ich würde mich freuen, wenn diese Klärungen eines Tages von einem Gericht herbeigeführt würden. Ein Rundschreiben des Innenministeriums ist hierfür auf jeden Fall ungeeignet. Auch handelt es sich bei zwei Einzelfällen eben nicht um ein landesweites Problem, das zwingend einer Klärung durch das Ministerium bedarf. Den Antrag lehnen wir ab. Vielen Dank

Weiterführende Informationen

Rede zu: Antrag "Bürgerschaftliche Mitbestimmung ermöglichen und tatsächlich leben, statt nur an hohen Feiertagen loben" (TOP 7 der 86. Plenarsitzung)